"Von wegen fromm und brav!" im MDR:Wandern tabu

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Auch sein Vater war Pfarrer in der DDR: Liedermacher Gerhard Schöne. (Foto: MDR)

Wenn der Glaube der Eltern ganz weltliche Nachteile für die Kinder hat: Der MDR erzählt aus dem Leben prominenter Pfarrerskinder aus der früheren DDR.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Für die manisch-journalistische Fahndung nach Trends und Phänomenologischem war die beginnende Bundespräsidentschaft Joachim Gaucks ein Glücksfall. Mit Angela Merkel (Tochter eines Theologen) und Gauck (Pastor) standen nun zwei glaubensstarke Ostdeutsche ganz oben, die Milchglaskugel blies sich dann fast von selbst: Was macht Christen aus der DDR so durchsetzungsfähig? Und wie verändern sie die Politik?

Der Mitteldeutsche Rundfunk versucht nun mit einem Film, das Phänomen prominenter Pfarrerskinder auszuleuchten. Sechs von ihnen kommen in dem Halbstünder von Ulli Wendelmann und Christian H. Schulz zu Wort, und mit ein bisschen Bruchrechnung wird einem schnell klar, dass sich die Ausführungen aufs Anekdotische zu beschränken haben.

So erinnert sich der Liedermacher Gerhard Schöne, wie an einem Wahlsonntag mal ein Lautsprecherwagen durch Coswig bei Dresden rollte. In den Gassen widerhallte anklagend die Mitteilung, dass der Herr Pfarrer - Schönes Vater - seine Stimme noch nicht abgegeben habe.

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wiederum berichtet, dass ihr Name im hitzigen Wendeherbst auf einer Internierungsliste der Noch-Staatsmacht gestanden habe. Und den Sänger Martin Petzold traf die Repression schon zu Schulzeiten. Er wurde von Wandertagen ausgeschlossen, weil seine Eltern die Mitgliedschaft Petzolds bei den Thälmann-Pionieren verhindert hatten.

Diese Geschichten bleiben allesamt leider unvertieft, aber zwei kleinere Lehren lassen sich aus dem MDR-Film dann doch mitnehmen. Zum einen macht er den sozialwissenschaftlich wenig überraschenden Zusammenhang sichtbar, dass der Mut von Eltern sich im Idealfall auf ihre Kinder überträgt.

Es zeigt sich zum anderen aber auch, dass zumindest in der DDR der Glaube der Eltern für die Kinder ganz weltliche Nachteile bedeutete. Martin Petzold wäre eben gerne wandern gegangen, er "hätte gerne dazugehört". Und der Journalist Christoph Dieckmann fehlte beim Training der Schülermannschaft am Sonntagvormittag. Der Vater befahl seinem Sohn den Kirchgang, "und ich dachte: scheiß Kirche."

Von wegen fromm und brav! - Bekenntnisse prominenter Pfarrerskinder , MDR, Donnerstag , 22 Uhr.

© SZ vom 31.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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