"Villa Germania" und die neuen Kuppelshows:Deutsche und ihre Äffchen

Mit der letzten Folge wollten die Macher der Rentner-Soap "Villa Germania" ihrer Doku ein versöhnliches Ende verleihen. Doch das ändert nichts daran, dass die Protagonisten einen Monat lang sexistische und rassistische Töne in die Welt posaunen durften. Auch die neuen Sendungen "Land sucht Liebe" und "Auf Brautschau im Ausland" sind nicht besser. Kuppelei sollte wieder verboten werden.

Ruth Schneeberger

Horst und Ingo, beide über 60, würden sich wohl selbst für eine durchaus gute Partie halten - wenn es denn darauf ankäme. Tut es aber nicht. Es kommt ja darauf an, dass ihre Frauen eine gute Partie sind. Der eine mag es drall, der andere lieber schlank, Hauptsache ist: Deutlich jünger sollten sie sein, die "Mädels", am besten halb so alt, mit ansehnlicher Figur, guter Laune - und am besten nicht so viel reden, denn das machen Horst und Ingo ja schon selbst.

Villa Germania und Kuppelshows im TV

Horst (li.) und sein bester Kumpel Ingo relaxen am Pool der Villa und hecken schon wieder neue Pläne aus.

(Foto: RTL II)

Das ist in Thailand auch alles kein größeres Problem. Hier lassen sich nach Angaben von Horst selbst die hübschesten Verkäuferinnen für ein Abendessen von dem Rentner abschleppen, was "in Deutschland nie funktionieren würde". Weshalb ein Fernsehteam von RTL II die beiden Ruheständler und weitere betagte Bewohner der selbsternannten "Villa Germania" in der Nähe von Pattaya neun Monate lang begleitet hat. Herausgekommen ist eine gleichnamige Dokusoap, deren Ende am Mittwochabend ausgestrahlt wurde. Leider.

Denn nach acht Folgen, die ausschließlich Fassungslosigkeit darüber evozieren, was im deutschen Fernsehen inzwischen alles möglich ist, kommt der Zuschauer den beiden Freunden am Ende doch noch ein wenig näher als bis dahin für möglich gehalten: Ingo berichtet unter Tränen von seiner kürzlich in Thailand verstorbenen Frau und dass er sich mit seiner thailändischen Freundin nur über sein Elend hinwegtröste. Und Horst bittet über die Kamera seine Ehefrau in Deutschland um Verständnis dafür, dass er in Thailand eine Zweit- und eine Drittfrau habe, schließlich müsse er Monate lang ohne seine Monika zurechtkommen, daran möge sie doch bitte denken.

Demonstrativ auch nur Menschen, nicht nur rüpelnde Rentner

Horst und Ingo sind also demonstrativ auch nur Menschen. Und nicht ausschließlich die rüpelnden Rentner, als die sie in den Sendungen zuvor gezeigt wurden. Die beiden Passagen zur Imagepflege dauern allerdings nur kurz - bald darauf wird wieder klar, wie der Hase hier wirklich läuft: Horst vergnügt sich mit der Drittfrau, die er nach eigenen Aussagen als einzige "wirklich" liebe, und zieht zwischendurch achtlos seine unglücklich dreinblickende Zweitfrau hinter sich her, die ihm eigentlich schon wieder zu alt geworden ist. Und Ingo lässt sein "Mädel" immer wieder Bierschaum nachgießen, um ihr detailliert und in absichtlich gebrochenem Deutsch wie einem unverständigen Äffchen zu erklären, wie das zu laufen hat in Thailand mit dem deutschen Bier und den Schweinelendchen in Pfefferrahmsauce, deren Aussprache sie so ulkig nachplappert, dass die deutsche Rentnerrunde darüber lauthals lachen muss.

Gelacht wird überhaupt sehr viel in der "Villa Germania", hauptsächlich mit besoffenem Kopf und zu versauten Witzen, die nicht besser werden, je öfter sie gefilmt und je länger die Abende werden. "Schalke-Heinz" zum Beispiel ist ein Kandidat für Scherze der alleruntersten Schublade, die oft mit Körperflüssigkeiten und unschönen Geräuschen zu tun haben und sich fast immer um sexuelle Handlungen drehen - und man reibt sich die Augen, dass er dieselben fast aggressiv geschmacklosen Witze auch tagsüber unter der thailändischen Sonne von sich gibt. Wenn auch nicht ganz so ausdauernd.

Wie zwei gefährliche 16-Jährige

Man will das alles gar nicht wissen, was deutsche Rentner in Thailand mit oder ohne oder trotz Ehefrauen den lieben langen Tag und Abend treiben, aber RTL II zeigt es dennoch. Und zieht sich selbst aus der Verantwortung, in dem es allein die Alten plaudern lässt, ungefiltert. Einordnende Worte gibt es kaum. Horst, Ingo und die anderen in der vor schlechtem Geschmack fast berstenden Hochhausanlage haben ja genug zu erzählen. Wie schön es in Thailand sei. Obwohl sie vor allem deutsches Bier und deutschen Kuchen zu sich nehmen und von den Einheimischen - außer den körperlichen Voraussetzungen so mancher Frau - wenig mitbekommen. Man bleibt gerne unter sich. Weil da ja zum Beispiel auch noch "die Russen" als weitere ständige Touristen sind, die es unbedingt zu meiden gelte. So richtig erläutert wird es nicht, aber es ist ein großer Spaß für Horst und Ingo, ihre diesbezügliche Abscheu immer wieder deutlich zu betonen.

Überhaupt führen sich die beiden auf wie 16-Jährige, nur noch selbstreferentieller. Was ihnen ja zu gönnen wäre. Es ist nur leider so, dass ihre Ansichten im Fernsehen gezeigt und damit öffentlich werden. Und wenn es auch nur irgendeinen Zuschauer gibt, der sich die beiden älteren Herren zum Vorbild nimmt, was ihre Einstellungen gegenüber Frauen im Allgemeinen, Thailänderinnen im Speziellen, Verhalten an Urlaubsorten, Umgang mit Gastgebern, anderen Ländern und anderen Sitten angeht oder wenn auch nur irgendjemandem ansatzweise ihre absolut zentralistische Weltsicht gefällt, dann muss man sagen: Das ist gefährlich.

Klar, RTL II filmt nur, was ohnehin da ist. Produzent Jürgen Lindemann äußerte sich in einem Interview darüber, dass er selbst vorher nicht für möglich gehalten hätte, was er da zu sehen bekommen habe: Ein Haus voller alter Leute - und doch so viel Rambazamba. Weil die Rentner so frei von der Leber weg plaudern. Das hätten sie nur lieber nicht getan. Oder RTL II vorher noch mal darüber nachgedacht, was davon gesendet werden sollte.

Denn es ist ja so: Noch weitere neue Sendungen im deutschen Fernsehen befassen sich aktuell mit den Anbandelungsversuchen von auf dem deutschen Heiratsmarkt benachteiligten Vertretern männlichen Geschlechts. Schön ist es für niemanden, dabei zuzuschauen. Es muss also andere Gründe geben, warum Sender so etwas zeigen und Zuschauer das auch sehen wollen. Viel hat damit zu tun, dass man sich für andere lieber schämt als für sich selbst. Nützlich also, wenn die im TV Gezeigten so deutlich unter dem Durchschnitt liegen, dass möglichst viele Zuschauer zumindest das Gefühl haben können, sie seien darüber erhaben. So wie bei der Sendung "Auf Brautschau im Ausland", mit der Sat 1 momentan am Sonntagabend versucht zu punkten.

Nehmen wir allein den vergangenen Sonntag: "Bei uns zu Hause keine Toilette in Garten", versucht der 41-jährige Landwirt Jürgen seiner neuen Flamme Crina beizubringen, während er staunend in ihrem rumänischen Garten steht und das Plumpsklo bewundert, das sie ihm bei der Hausbesichtigung zeigt. Jürgen hat sich auf Brautschau ins Ausland begeben, weil er in seiner Heimat niemand Passenden findet. Das sollte eigentlich noch kein Grund sein, willigen Rumäninnen schlechtes Deutsch beizubringen. Ist es aber. Hier werden Frauen auch noch liebend gerne als "rassige" Krankenschwestern bezeichnet.

Selbst erfundene Parallelwelt

Ist es also zukunftsorientiert oder eigentlich eher rückwärtsgewandt, wenn der Mensch inzwischen seiner eigenen Welt entfliehen kann, um für sich selbst eine bessere, gefälligere oder ihm als richtiger erscheinende Parallelwelt zu erfinden - sei es im Ausland, im Internet oder sonst wo? Die Protagonisten von "Villa Germania" und "Auf Brautschau im Ausland" scheinen sich darüber nicht vollständig im Klaren zu sein, aber sie versuchen sich eine (Partner-)Welt zu erschaffen, die sie in Deutschland auch deshalb nicht finden, weil ihre Vorstellungen hierzulande von weiten Teilen der Bevölkerung als überholt angesehen werden. Der Mann als Familienoberhaupt, die Frau als untergeordnetes Beiwerk - für solche Vorstellungen muss man inzwischen doch deutlich weiter weg als in die Kneipe ums Eck.

Manchmal reicht es auch noch, einfach aufs Land zu fahren. Sat 1 probiert das vom Herbst an noch mal mit einem wieder mal neuen Aufguss von "Bauer sucht Frau", weil Hauptkonkurrent RTL damit seit Jahren so traumhafte Quoten erzielt. Diesmal heißt es platt: "Land sucht Liebe". Dafür kurvt nun schon seit Wochen ein Nackter werbend durchs Programm, auf dem Fahrrad und nur unzureichend mit einem grünen Frotteelendenschurz bedeckt, sächselnd und näselnd, und selbstredend auf diese Weise ebenfalls die Frau fürs Restleben suchend. Eine Vorabsendung, in der die Kandidaten vorgestellt wurden, gab es auch schon.

Seitdem kann man sich bildlich vorstellen, wie der Sender die armen Bewerberinnen demnächst in die peinlichsten Situationen bringen wird - öffentlichkeitswirksam und unter größtmöglicher Beibehaltung von Scheinheiligkeit. Denn es geht hier wie bei allen anderen Kuppelshows vorgeblich natürlich um nichts anderes, als darum, dass einsame Herzen zueinanderfinden. Soll ja jeder tatsächlich glücklich werden nach seiner Fasson. Es gilt nur nach wie vor, darauf zu achten, dass dabei niemand anders unglücklich wird. Und seien es nur die Zuschauer, die vor so viel Geschmacklosigkeiten und Stillosigkeiten und den immer selben Formaten in immer neuen Aufgüssen und Steigerungen irgendwann gar nicht mehr wissen, wie gute Unterhaltung funktioniert, und ob es sie noch gibt im deutschen TV.

1973 wurde in der BRD (und in der DDR schon 1968) das bis dahin gesetzlich verankerte Kuppelei-Verbot für Erwachsene gekippt. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, es wiedereinzuführen. Zumindest fürs Fernsehen. Es würde auf einen Schlag so viel Sendeplatz frei werden. Eine ganz andere Frage ist: Könnte man den überhaupt noch sinnvoll füllen?

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