Vierteiliges Fernsehdrama:Fiesling der Nation

Vierteiliges Fernsehdrama: Robbie Coltrane liefert als Fernsehstar Paul Finchley eine furchtlose schauspielerische Leistung ab.

Robbie Coltrane liefert als Fernsehstar Paul Finchley eine furchtlose schauspielerische Leistung ab.

(Foto: The Forge/All3media)

Der Film "Ende der Legende" erzählt von einem TV-Komiker, der unter Missbrauchsverdacht gerät. Sie hat einen realen Fall zum Vorbild.

Von Alexander Menden

Nach dem Tod des BBC-Discjockeys Jimmy Savile im Oktober 2011 kamen Hunderte von Fällen ans Licht, in denen Savile seinen Starstatus ausgenutzt hatte, um Frauen und Kinder sexuell zu missbrauchen. In der Folge richtete Scotland Yard die Sonderkommission "Yewtree" ein, die weitere frühere Fernsehstars überprüfte. Unter anderem wurde der Kinderfernsehmoderator Rolf Harris wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Sowohl Savile als auch Harris genossen bis dahin jenen nicht allzu scharf umrissenen, durch häufigen Gebrauch in den britischen Medien zementierten Status als "National Treasure", der im Deutschen am besten mit "Liebling der Nation" wiedergegeben ist. Zum National Treasure bringt man es aufgrund von Langlebigkeit und einer besonderen Art persönlicher Strahlkraft, eines Charismas, das die Öffentlichkeit als Resonanzraum braucht.

Die Abgründe solcher Lieblinge bilden den Hintergrund des vierteiligen britischen Dramas Ende einer Legende (Originaltitel: National Treasure), das Arte an diesem Donnerstag am Stück zeigt. Im Zentrum steht Robbie Coltrane als Paul Finchley, ein Komiker, dessen Glanzzeit hinter ihm liegt, der aber noch immer von Taxifahrern erkannt und zu Galas eingeladen wird. Er hat sich damit abgefunden, ein Elder Statesman der Fernsehkomik zu sein, und tröstet sich mit Pornografie und Affären. Seine Frau, mit unterdrücktem Kummer gespielt von Julie Walters, hat Pauls Seitensprünge immer stoisch ertragen. Aber eines Tages steht die Polizei vor der Tür: Eine Frau beschuldigt Finchley der Vergewaltigung. Sie wird nicht die einzige bleiben. Manche der Anklägerinnen waren zum Zeitpunkt der angeblichen Übergriffe noch minderjährig.

Obwohl der Fall frei erfunden ist, nahm sich Drehbuchautor Jack Thorne, der 2017 für National Treasure den britischen Fernsehpreis Bafta gewann, ausdrücklich Operation "Yewtree" zum Vorbild. Thorne vermeidet Schwarz-Weiß-Malerei. Er zeigt stattdessen die Mechanismen medialer Vorverurteilung, die Auswirkungen auf die Familien aller Betroffenen, und welche Macht Verdrängung von Schuld über ihr Leben hat. Andrea Riseborough reagiert als Finchleys psychisch beschädigte Tochter Dee mit Zynismus auf seine Versuche, sie auf seine Seite zu ziehen. Durch die Beziehung der beiden läuft ein Riss, dessen Ursprung mit der Zeit immer klarer wird.

Coltrane liefert eine furchtlose schauspielerische Leistung ab: Finchley ist charmant, selbstsüchtig, manipulativ und verletzlich zugleich - eine komplexe Figur, mit der man kein Mitleid haben muss, die man aber auch nicht leichtfertig als Monster abtun kann. Ende einer Legende ist ein ebenso brillantes wie verstörendes Drama über ein Thema, das uns noch lange begleiten wird.

Ende einer Legende, Arte, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: