Verlage:Leichte Beute

Verlage: "Drei K: knutschen, kaufen, Kohle machen": Cover von "Audimax".

"Drei K: knutschen, kaufen, Kohle machen": Cover von "Audimax".

(Foto: OH)

An Gratis-Lesestoff herrscht an Universitäten und Fachhochschulen kein Mangel. Studenten sind für Werber eine wichtige Zielgruppe. Der "Audimax"-Verlag weiß, wie man sie erreicht.

Von Johann Osel

Die Mikrowelle sticht die Bildungsministerin klar aus. Die Episode ist eine Weile her, doch sie zeigt gut, wieso die Zeitschrift Audimax so ist, wie sie ist. Da druckte das Gratis-Blatt für Studenten zwei Aufrufe: ein Gewinnspiel, bei dem es eben eine Mikrowelle zu ergattern gab; und eine Einladung für ein Treffen mit der Ministerin. Ergebnis: Ansturm auf das Gerät, kaum Interesse an der Politikerin. "Souverän studieren. Besser arbeiten", lautet das Motto des Magazins. Auf dem aktuellen Titel wird das ganz gut eingehalten. "Nächte, die bleiben. Partyspecial". Im Heft findet sich dann eine Umfrage über böse Partysünden, zum Beispiel: "Auf der Tanzfläche kotzen", "mit der Ex schlafen". Thema zwei auf dem Cover: "Chancen für den ersten Job. Arbeitsmarktreport 2017". Die Berliner Zeitung hat das Konzept dieses und ähnlicher Hefte mal so auf den Punkt gebracht: die "drei K: knutschen, kaufen, Kohle machen".

Wegen Schleichwerbung wurden die Magazine auch schon mal vom Presserat gerügt

An Gratis-Lesestoff herrscht an vielen Universitäten und Fachhochschulen kein Mangel. Da sind Zeitungen von Studierenden, oft ambitioniert, zudem die Magazine des Uni-Marketings; und da sind die kommerziellen, bundesweiten Hefte. Bei der Auflage führt Audimax, gut 400 000 Stück in den Monaten, in denen es erscheint - nicht in den Ferien. Dahinter folgt Unicum. Der Markt wäre größer. Aktuell sind 2,8 Millionen Studierende eingeschrieben; vor zehn Jahren waren es 1,9 Millionen. Seit Gründung von Audimax Ende der Achtziger hat sich die Studentenzahl verdoppelt. Es gibt andere auf dem Markt, es gab andere. "Nie, nie wieder, dafür braucht man richtig starke Nerven", ist als Zitat eines Unternehmers überliefert, der Ende der Neunzigerjahre mitmischte. Sein Heft, üppig finanziert, hielt sich drei Jahre. Es erprobte politische Ansätze - "aber das ist uninteressant für Studenten, die nutzen die Magazine als Pausenfüller". Kostenlose Pausenfüller, werbefinanziert, anscheinend mit Nachfrage. Denn laut Statistik hat ein Student im Schnitt 900 Euro im Monat zur Verfügung. Zudem können Firmen auf Personalsuche Zielgruppen exakt ansprechen. Das erklärt die Anzeigen von Nutella bis Landesbank. Wegen Schleichwerbung im redaktionellen Teil erhielten Audimax wie Unicum schon einmal eine Rüge vom Presserat.

Ein Besuch bei Audimax am Nürnberger Hauptmarkt, wo im Winter der Christkindlesmarkt ist. WG-Feeling hier, fast nur junge Leute, Redaktionshund Prince schnuppert sich von Sofas zu Schreibtischen. Eine WG war Gründungsort des Heftes. Oliver Bialas, studierter Betriebswirt, wollte damals etwas Flottes erschaffen, nicht verkopfte Essayistik wie damals auf dem Markt, sagt er. Lerntipps, Jobsuche, Freizeit - mit einem kleinen Kredit und zwei Freunden in der WG produzierte er zunächst 10 000 Hefte. Die Auflage stieg, und das Heft hat sich mit der Zeit aufgefächert: mit Teilauflagen speziell für Informatiker oder Wirtschaftsfächer, einem Abiturienten-Ableger. An mehr als 400 Hochschulen ist Audimax präsent - fast allen.

Mit jeder Uni-Verwaltung muss die Verteilung separat ausgehandelt werden. "Die Hochschulen sehen uns klar als journalistisches Produkt", so Bialas. Andererseits gelangt das Heft nicht auf jeden Campus, "es gibt Unis, die uns nicht wollen". Eine davon ist die Technische Universität München. Dort sagt man auf SZ-Nachfrage: Man erlaube das Auslegen von Material Externer generell nicht, weil sonst "die Studierenden auf Schritt und Tritt Material in die Hand gedrückt bekämen". Zudem spielten Brandschutzgründe eine Rolle. Eine "inhaltliche Bewertung" der Magazine könne und wolle man nicht vornehmen.

Das übernehmen dafür manche Studentenvertreter. Derlei Medien "vom Campus kicken", das wollte mal ein Aufruf einer AStA-Initiative in Nordrhein-Westfalen. Ihre Kritik: Die Hefte "meinen zu vermitteln, was wirklich wichtig ist: sich selbst zu vermarkten, um den profitabelsten Job zu erlangen und dabei schön, schlank und sexy sein". Der Kampagne ging es darum, "Ökonomisierung an Hochschulen zu stoppen". Doch selbst wenn Unis die Hefte als Werbung sähen - es wäre kein Problem: Das Reklameverbot wurde 1996 aufgehoben, jede Uni kann weitgehend frei darüber befinden. Wettbewerb macht längst vor der Wissenschaft nicht Halt, viele Unis vermarkten gezielt ihre Flächen. Zum Beispiel in Mannheim, wo Unternehmen sogar die Spiegelflächen auf dem Klo buchen können.

Und trotz vieler Anzeigen finden sich in Audimax Texte, die den journalistischen Anspruch belegen. Es gibt Expertenbeiträge, Studium- und Lebensberatung - gut gemacht. Themen "mit Witz und Herzblut", sagt Barbara Bialas. Die Gattin des Gründers ist für Strategie zuständig. Klassiker im Heft ist der Lückentext, von Prominenten auszufüllen. Da schrieben schon Roger Willemsen und Wolfgang Niedecken, Erinnerungen ans Studium. Oliver Bialas sagt: "Wir probieren Politisches immer wieder. Letztlich aber wollen wir ja ein Abbild der Leserschaft sein." Deren Interessen sieht man zum Beispiel an der Wahlbeteiligung für die Uni-Gremien, oft wählen da weniger als zehn Prozent der Studenten.

Um zu wissen, wie die Zielgruppe tickt, setzt man auf die junge Redaktion. Bei den Redaktionsleiterinnen ist das Studium der Kommunikationswissenschaft nicht lange her, beide Ex-Volontärinnen. Einen Sensor dafür hat das Ehepaar in der Familie: Ein Sohn studiert, der andere bald. Da müssen Kumpels auch zum Themen-Check ran.

Der Zwang, dass das Heft leicht konsumierbar ist, gilt in digitalen Zeiten umso mehr. Besucht man einen Campus, sieht man in Pausen: Beinahe alle schauen in Smartphones, auf Notebooks oder Tablets. Das macht den Markt noch schwieriger. Die Chance, dass die Smartphone-Studenten die Homepage des Heftes ansteuern, ist minimal. Wenn ein Student von einem Hörsaal zum anderen gehe und den Magazinständer sehe, sagt Oliver Bialas, "fällt in einer Zehntelsekunde die Entscheidung". Das heißt: keine Abtörner-Themen.

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