Verkauf von Springer-Blättern:Gefährlicher Tunnelblick aufs Internet

Wappen des Hamburger Abendblatts

Springer verabschiedet sich von Zeitungsgeschichte: Das Wappen auf dem Titel des Hamburger Abendblatts.

(Foto: dpa)

Liegt die Zukunft der Medienbranche wirklich fast ausschließlich im Internet? Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner kappt mit dem Verkauf von traditionsreichen Zeitungen und Zeitschriften die Wurzeln des Konzerns. Doch das könnte ihm zum Verhängnis werden, denn gerade im unübersichtlichen Netz entscheiden starke Marken.

Ein Kommentar von Caspar Busse

Mathias Döpfner ist zumindest konsequent. Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer glaubt fest an die Digitalisierung. Er nimmt an, dass das Mediengeschäft über kurz oder lang vollständig in das Internet wandern wird. Deshalb kauft er schon seit Langem alle möglichen Online-Firmen: Preisvergleichs- und Einkaufsseiten, elektronische Anzeigenportale.

Gleichzeitig spart er bei seinen eigenen Zeitungen und Zeitschriften. Jetzt kommt ein radikaler Schnitt: Döpfner, der früher selbst Journalist war, hat sich entschieden, die beiden Regionalzeitungen Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost sowie Zeitschriften zu verkaufen, darunter die Hörzu und Bild der Frau.

Ist das eine kluge Strategie?

Das Verlagshaus Axel Springer ist mit Zeitungen und Zeitschriften groß geworden - und hat sie groß gemacht. Axel Cäsar Springer selbst hatte das Hamburger Abendblatt 1948 gegründet, die erste Ausgabe der Hörzu erschien schon 1946 und erreichte schnell Millionenauflagen. Später kamen Bild und Welt hinzu. Springer war einer der erfolgreichsten Verleger im Nachkriegsdeutschland.

Enteignung der besonderen Art

Seine Medien polarisierten, seine Macht wurde heftig kritisiert. Günter Wallraff enthüllte später skrupellose Arbeitsmethoden mancher Springer-Journalisten. Die Proteste der 68er-Generation begannen mit dem Aufbegehren gegen diesen Verleger. "Enteignet Springer" war die Parole damals.

Jetzt nimmt Döpfner eine Enteignung der besonderen Art vor. Er entledigt sich einfach der Traditionstitel, kappt die Wurzeln, entsorgt sie bei der ehemaligen WAZ-Gruppe, die vor allem für kühle Effizienz und Spareifer bekannt ist.

Genau das könnte verhängnisvoll sein. Gerade im Digitalen sind starke Marken entscheidend. Die Menschen suchen in der verwirrenden Datenflut des World Wide Web nach Verlässlichem, nach Bekanntem, nach etwas, an dem sie sich festhalten können. Das sind eingeführte, seit Jahrzehnten existierende Titel - wie Hörzu oder das Hamburger Abendblatt, die noch immer hohe Auflagen und auch Gewinne erzielen.

Verkaufte Zeitungen brachten Traum-Renditen

Die Zeitungen und Zeitschriften, die Döpfner nun abgibt, sind keineswegs notleidend: Sie haben im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro Umsatz gemacht - und fast 95 Millionen Euro Gewinn. Natürlich gingen Auflagen und Erträge in den vergangenen Jahren nach unten. Trotzdem war eine Umsatzrendite von fast 20 Prozent zu verzeichnen. Jeder Maschinenbau-Unternehmer würde davon nicht einmal träumen. Und so etwas soll keine Zukunft haben?

Die Medienunternehmen reagieren höchst unterschiedlich auf die Digitalisierung. Burda zum Beispiel setzt voll auf Internet: Gratismedien, Futtermittelhandel, Reiseportale. Pro-Sieben-Sat 1 expandiert bei Online-Spielen und mit Internet-Videotheken. Springer-Chef Döpfner wollte bisher die gedruckte Zeitung ins Internet überführen. Jetzt behält er als wichtige Titel nur noch Bild und Welt mit einigen Ablegern. Bei allen anderen hat er den Kampf aufgegeben.

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