US-Wahl:Trump und "Breitbart" triumphieren über das Establishment

Donald Trump

Trumps Triumph ist auch der Triumph einer journalistisch fragwürdigen Informationsquelle vom rechten Rand: Breitbart News.

(Foto: AP)
  • Die Nacht der US-Präsidentschaftswahl zeigt, wie sehr sich die Bürger von den klassischen Medien abgewandt haben - und andersherum.
  • Bis zuletzt schienen die sonst so überlegenen Top-Journalisten des Landes ratlos über die Entwicklung der Wahl und reagierten äußerst vorsichtig auf die Ergebnisse aus den einzelnen Staaten.
  • Das Haus- und Hofmedium Donald Trumps, Breitbart News, gewann so noch mehr Oberwasser als ohnehin schon.

Von Julian Dörr

Um 5.13 Uhr verwandelt sich eine düstere Ahnung in leuchtende Gewissheit. "Mr. Brexit" blinkt in großen, orangefarbenen Lettern auf der Webseite von Breitbart News. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat da gerade die wichtigen battleground states Florida und Ohio für sich entscheiden können. Aus einem schmalen Pfad ins Weiße Haus ist ein breiter Highway geworden. Trump hat die Wende geschafft, an die keiner im großen Mediensystem der westlichen Welt so recht glauben wollte. Eine Überraschung, genau wie das Ergebnis des Brexit-Votums im Juni. Und Breitbart News, das konservative Haus- und Hofmedium von Trumps Kampagne, feiert die "Jesus-Figur der Republikaner".

Noch nie zuvor hatte sich die klassische Medienlandschaft der USA so deutlich gegen einen Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen. Die New York Times unterstützte Hillary Clinton, ebenso wie das renommierte Atlantic-Magazin, das überhaupt erst zum dritten Mal in seiner langen Geschichte eine Wahlempfehlung veröffentlichte. Die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten jedoch wollten nicht auf die Leitmedien ihres Landes hören. Je weiter die Wahlnacht voranschreitet, desto deutlicher wird: das Amerika der Medien und das Amerika der Wähler, das sind zwei unterschiedliche Länder.

Wie in einem Hollywood-Blockbuster

Die Nacht des 8. November, so viel war klar, sollte eine Schicksalsnacht für die USA werden. Der Einspieler des Nachrichtensenders CNN an diesem Abend gleicht einem Filmtrailer für einen Hollywood-Blockbuster: "It's all coming down to this night", tönt eine tiefe Stimme, "the election of a lifetime". Die wichtigste Wahl des Lebens - was die Einschaltquoten befeuern sollte, ist für die Massenmedien der USA zur bitteren Realität geworden.

In der Wahlzentrale von CNN stehen zwei weißhaarige Männer in strengen Anzügen und mit strengem Blick hinter großen Brillengläsern. Wolf Blitzer und Anderson Cooper zählen zu den renommiertesten Politik-Journalisten der USA. Und doch laufen sie in dieser Nacht zunehmend ratlos zwischen den vielen blinkenden Bildschirmen und berührungssensitiven Grafiken ihres Hochglanz-Studios hin und her. "Es ist möglich", sagt einer der CNN-Experten, "dass es da draußen eine Bewegung gibt, die keine Umfrage vorhersehen konnte." Eine Bewegung, die Donald Trump ins Weiße Haus spülen wird. Eine Bewegung, getragen von der Mehrheit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Bei Breitbart News haben sie zu diesem Zeitpunkt schon die Hemdsärmel hochgekrempelt. Zwei Männer und zwei Frauen sitzen in einem kleinen Radio-Studio, eine der Moderatorinnen hat sich die US-Flagge um den Hals gewickelt. Zwei fest installierte Kameras übertragen die Wahlsendung live im Netz. "Das Volk begehrt auf", sagt Radiomoderator David Webb. Und Breitbart-Autor Alex Marlow trägt mit kaum verdeckter Schadenfreude eine Umfrage vor, für die ihn die Columbia Review of Journalism vor wenigen Tagen noch ausgelacht hat.

Die klassischen Nachrichtenmedien können nur ohnmächtig zuschauen

Mit jedem Bundesstaat, der in dieser Nacht für den Republikaner Trump ausgerufen wird, wird die Ohnmacht der klassischen Medien deutlicher. "Ich schäme mich für sie", ruft Breitbart-Moderator Andrew Wilkow seinen Kollegen bei CNN zu, "wie sie immer noch festhalten an ihrer Sicht". Blitzer und Cooper sind vorsichtig mit ihren Äußerungen in dieser Nacht, sie warten auf Bestätigungen, auf Daten, auf harte Fakten. Aber was bedeuten Fakten noch in einem Wahlkampf, dessen Wahlsieger mit Breitbart News ein Forum von rechtspopulistischen und kreuzkonservativen Verschwörungstheoretikern zu seinem Sprachrohr ausgerufen hat?

Die große Erzählung dieser Nacht: Der Wahlsieg Donald Trumps ist der Triumph eines vermeintlichen Außenseiters über das politische Establishment. Er ist aber auch der Triumph einer journalistisch fragwürdigen Informationsquelle vom rechten Rand über den medialen Mainstream eines Landes. CNN-Mann Blitzer ringt am Morgen um eine Erklärung: "In diesem Land gibt es eine tief sitzende Wut auf das Establishment." Die großen US-Medien haben den Kontakt zu einem Großteil der Menschen ihres Landes verloren. Nach vielen Stunden stehen Blitzer und seine Kollegen von MSNBC bis Fox News noch immer im gleißenden Licht ihrer Ergebnis-Tafeln und hochmodernen Umfrage-Grafiken. Aber Erleuchtung finden sie dort keine.

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