US-Serie "Lilyhammer":Coole Typen

"Lilyhammer" spielt in Norwegen, wurde in Norwegen hergestellt, in den USA exklusiv von Netflix verbreitet und von einem deutschen Unternehmen vermarktet - aber nicht nur das zeichnet die Serie aus. Der norwegische Ministerpräsident wirbt dafür auf seiner Facebook-Seite und die Hauptrolle eines Ex-Mafioso spielt Musiker Steven van Zandt.

Katharina Riehl

Steven Van Zandt ist ein ziemlich vielseitiger Mann. Die meisten wissen, dass er Gitarrist in der E Street Band von Bruce Springsteen ist, dass er sich bei unterschiedlichen eigenen Musikprojekten Little Steven oder Miami Steve nennt, dass er fast immer ein Kopftuch trägt, um eine alte Unfallnarbe zu verdecken.

US-Serie "Lilyhammer": Die Rolle des Ex-Mafioso in "Lilyhammer" wurde Steven van Zandt auf den Leib geschrieben. Beinahe eine Million Zuschauer schaute sich die Pilotfolge im norwegischen Fernsehen an.

Die Rolle des Ex-Mafioso in "Lilyhammer" wurde Steven van Zandt auf den Leib geschrieben. Beinahe eine Million Zuschauer schaute sich die Pilotfolge im norwegischen Fernsehen an.

(Foto: AP)

In der HBO-Serie Sopranos wurde er 1999 auch als Schauspieler bekannt. Van Zandt wirkte sehr erstaunlich wie die Idealbesetzung eines organisierten Verbrechers. Seine Rolle - Stripclubbesitzer, Mitglied der Mafia von New Jersey, Berater des Bosses Tony Soprano - brachte ihm auch Preise.

Neulich unterhielt sich van Zandt beim amerikanischen Radiosender Sirius XM mit Howard Stern. Man plauderte über Musik, Springsteen und Netflix. Dort, beim Video-on-Demand-Portal in Los Gatos/Kalifornien, sagte van Zandt, arbeiteten ziemlich coole Typen. Er muss es wissen. Cool ist van Zandt selbst.

Steven van Zandt, 61, bewirbt in diesen Wochen die neue norwegische Serie Lilyhammer. Die beiden Drehbuchautoren hatten die Handlung mit Blick auf van Zandt geschrieben, bevor der für die Hauptrolle zusagte. Es geht um einen Ex-Mafioso im Zeugenschutzprogramm. Von diesem Montag an bietet Netflix (ca. 23 Millionen Abonnenten) alle acht Episoden in seinem Programm an. Mit Lilyhammer verändert das Portal seine Strategie: Es sucht die Konfrontation.

Seit ein paar Monaten ist zu beobachten, dass Netflix den etablierten Pay-TV-Kanälen der USA - u. a. HBO, Showtime, Cinemax - Konkurrenz macht. Tom-Fontanas-Serie Borgia lief schon als exklusive amerikanische Ausstrahlung bei Netflix, Lilyhammer heißt nun "A Netflix Original Series". Der Unterschied besteht darin, dass Borgia ein Lizenzerwerb ist.

Lilyhammer, erklärt das Unternehmen auf Anfrage, sei eine eigene Produktion, die erste originäre Netflix-Serie. Das ist insofern richtig, als Netflix sich an der Finanzierung beteiligt hat. Entwickelt wurde die Serie zunächst von Rubicon TV AS (gehört seit 2009 zur Murdoch-Company Shine Group), früh stieg die Seven One Media aus München ein, die Rechtehandels- und Vermarktungstochter des Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1 (Sat 1, Pro Sieben, Kabel 1), schließlich Netflix.

Wunderbarer Ex-Schurke

Lilyhammer beginnt mit einer Bestattung. Frank Tagliano, ein Player der Unterwelt, lässt sich auf ein Zeugenschutzprogramm ein, muss aber gegen einen Mafiaboss aussagen. Den Ort für sein neues Leben kann Frank selbst wählen. Er will nach Norwegen, nach Lillehammer. Die kleine Stadt, erinnert er sich, habe bei den Übertragungen von den olympischen Spiele 1994 so hübsch ausgesehen. Bald stapft der amerikanische Gangster durch dicken Schnee.

Gedreht wurde die achtteilige Serie in Norwegen. Außer in Norwegen und den USA ist Lilyhammer bald in Deutschland (Verhandlungen werden gegenwärtig geführt) und Großbritannien (Abschluss mit der BBC) zu sehen. Seven One International kümmert sich um die internationale Vermarktung. Die Netflix-Manager, berichtet Seven-One-Geschäftsführer Jens Richter, mochten das Konzept der Serie so sehr, dass sie eine Ko-Finanzierung für zwei Staffeln zusagen. In Norwegen, so Richter, sei noch nie so viel Geld für eine Serie ausgegeben worden. 560.000 Euro soll eine Episode (60 Minuten) kosten, schätzt die Internet Movie Database (imdb).

In der vergangenen Woche wurde in Norwegen die Pilotfolge gezeigt. "Wir freuen uns heute Abend auf Lilyhammer", schrieb der norwegische Premierminister Jens Stoltenberg am 1. Februar an seine Facebook-Pinnwand. Beinahe eine Million der fünf Millionen Norweger schaute sich die Premiere beim staatlichen Sender NRK an. Im Vergleich zu Mad Men (AMC) oder Boardwalk Empire (HBO) macht sich Lilyhammer zwar wie eine Independent-Produktion aus. Doch die Drehbücher sind gut, man bekommt schöne Bilder, und Steven van Zandt ist wunderbar als schmieriger Ex-Schurke, der in die Kälte kam.

Weil am Originalschauplatz gedreht wurde mit norwegischen Darstellern, wird viel Norwegisch gesprochen, das in der englischen Version nicht synchronisiert, sondern untertitelt wurde. Das hätten, sagte Van Zandt, die coolen Typen von Netflix so beschlossen, und auch das ist ein Grund, warum die Serie funktioniert. Bei der Gelegenheit fällt einem ein, wie weit entfernt die Deutschen von dem Gedanken sind, einem Film, einem Stoff, den Figuren das zu lassen, was er ist, was sie sind. Und sei es, dass eine andere Sprache gesprochen wird, die man ja hören möchte wie den Klang der Stimmen.

Bei Netflix wird nun also die gesamte Serie verfügbar sein. Damit kann man Lilyhammer wie einen DVD-Kauf konsumieren: wann immer man möchte und alle Episoden unmittelbar nacheinander. Wann genau die Serie ins deutsche Fernsehen kommt, ist noch unklar. Lilyhammer ist ein Format, das auch ins Öffentlich-Rechtliche passt. Dass die Untertitel wenigstens der norwegischen Darsteller bleiben, ist kaum vorstellbar, ganz gleich, welcher deutsche Sender die Serie ins Programm nehmen sollte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: