US-amerikanische Comedy:Der Late-Night-Moderator, der von Trump am meisten profitiert

Vor Kurzem musste Stephen Colbert noch um seinen Sendeplatz fürchten. Jetzt ist seine "Late Show" die quotenstärkste von allen. Das liegt an seinem neuen Ton - mehr aber an der Spaltung der USA.

Porträt von Kathleen Hildebrand

Wenn Stephen Colbert derzeit auf die Bühne seiner "Late Show" tritt, dann tobt das Publikum anders als früher. Jedenfalls hört es sich so an, wenn man auf Youtube am folgenden Tag die Aufzeichnung ansieht. Der Jubel, das Klatschen, die Schreie: alles lauter, leidenschaftlicher, fast könnte man sagen: glückseliger. Colbert tritt mit freundlicher Lässigkeit vor die Kamera, steckt die Hände in die Hosentaschen und sagt den Satz, den er jeden Abend sagt, an jedem Wochentag: "I am your host Stephen Colbert", und geht dabei mit der Stimme nach unten, halb selbstbewusst, halb bescheiden. Danach brandet der Jubel nochmal auf.

Die Zahlen bestätigen den Eindruck, den der Jubel vermittelt. Stephen Colbert hatte am Tag der Vereidigung von Donald Trump die höchsten Einschaltquoten unter den täglichen US-amerikanischen Late-Night-Shows. Und seitdem geht das so weiter: Seit Anfang Februar stand er fünf Wochen in Folge an der Spitze. Colbert hat damit geschafft, was im vergangenen Jahr noch unmöglich schien: die fröhlich-poppige "Tonight Show" mit Jimmy Fallon zu übertrumpfen - dem Star der eskapistischen Abendunterhaltung. Insgesamt hat kein amerikanischer Komiker so sehr von der Wahl Trumps zum Präsidenten profitiert wie Stephen Colbert.

Dabei wurde noch vor einigen Monaten gemunkelt, Colbert müsse seinen Sendeplatz wegen mauer Quoten an James Corden abtreten, den Briten, der mit Stars wie Adele und Justin Bieber im Auto Karaoke singt. Was ist da passiert?

Er kritisiert Trump mit einem Grundton amüsierter Sorge

Zunächst mal ist natürlich Trump passiert. In der Wahlnacht haben sich die Voraussetzungen für Comedy in den USA sehr grundlegend verändert. Das Land ist so stark in ein konservatives und ein liberales Lager gespalten wie lange nicht. Und Stephen Colbert hat endgültig seine eigene Stimme gefunden, die perfekt auf die Bedürfnisse der liberalen Zuschauer passt. Er kritisiert Trump, indem er ihn lächerlich macht, jeden Abend aufs Neue. Aber er tut das mit einem Grundton amüsierter Sorge.

Als in seiner Show kürzlich der republikanische Nachrichtenmoderator Joe Scarborough zu Gast war und sagte, dass man seine Parteigenossen "für die nächsten 50 Jahre daran messen werde", wie sie auf Trumps Angriffe gegen Presse und Justiz reagieren, stutzte Colbert kurz und sagte dann: "Ich wünschte, ich wäre auch so optimistisch, dass es eine Zeit nach Trump geben wird."

Die fast schon apokalyptische Angst, die das liberale Lager im Griff hat seit Trump die Nuklearcodes besitzt, blitzte da kurz auf. Bedrohlich und groß. Sie kommt aus Colberts freundlichem Gesicht aber so unerwartet geistreich um die Ecke, dass sie trotzdem zum Lachen bringt. Dass er diese filetiermesserscharfe, von Ernsthaftigkeit unterfütterte Stimme gefunden hat, war längst nicht selbstverständlich.

Es ist nämlich so: Stephen Colberts Stimme war den bislang wichtigsten Teil seiner Karriere über nicht seine eigene, sondern die einer Rolle. Er wurde in den Nullerjahren als konservativer Reporter "Stephen Colbert" bekannt, die er von 1997 an in Jon Stewarts Polit-Parodie-Show "Daily Show" und später neun Jahre lang in seiner eigenen Show "The Colbert Report" spielte.

In dieser Rolle als überdreht-dümmlicher Hyperrepublikaner - Colbert beschrieb die Rolle als "Dummkopf, der sein Leben lang einen Nicht-Dummkopf gespielt hat" - hielt er 2006 die traditionelle satirische Rede beim White House Correspondents Dinner. Es wurde eine einzige Dekonstruktion des anwesenden Präsidenten George W. Bush wie auch der Medien - die im Saal beklommenes Schweigen auslöste. Es dauerte sechs Monate, bis die Pressevertreter sich von Colberts Rede erholt hatten und die New York Times sie als den "entscheidenden Moment" des Kongresswahlkampfs von 2006 bezeichnete.

Die Wende für Colbert kam in der Wahlnacht 2016

Erst als er im Herbst 2015 die "Late Show" von David Letterman übernahm, war Schluss mit dem Parodie-Colbert. Nun sollte er er selbst sein, die Anführungszeichen abschütteln und die so erfolgreiche wie schützende Rolle seines Alter Ego nach fast 20 Jahren hinter sich lassen. Colbert machte die Show politischer, als sie unter Letterman gewesen war. Aber es schien auch, als sei ihm mit der Rolle die Abenteuerlust abhanden gekommen.

Die Wende kam dann in der Wahlnacht 2016. Stephen Colbert moderierte sie live mit Experten im Studio. Man konnte also vor laufender Kamera sehen, wie sich langsam, dunkel und schwer die Erkenntnis auf ihn niedersenkte, dass nicht Hillary Clinton, sondern Trump gewinnen würde. In einem Interview sagte Colbert später, dass er und seine Autoren für diesen Wahlausgang nichts vorbreitet hatten. Keinen einzigen Scherz. Das sei Absicht gewesen, denn nicht nur war Trumps Sieg sehr unwahrscheinlich. Er wusste auch, dass man in dem Fall nichts anderes würde tun können, als zu versuchen, die Menschen zu trösten, die da in seinem Studio saßen.

"Ich kann dazu kein lustiges Gesicht machen", sagte er, als ein Bundesstaat nach dem anderen an Trump gefallen war. "Dabei ist das mein Job." Und natürlich schaffte er es dann doch: "Wir alle fühlen uns jetzt so wie Rudy Giuliani aussieht", sagte er. Aber auch: "Wir sollten uns darauf einigen, dass wir nie wieder so eine Wahl haben wollen. Gehen Sie raus, küssen Sie einen Demokraten, umarmen Sie einen Republikaner!"

In der gemütlichen Mitte ist kein Platz mehr

Seit dieser Nacht, seit seiner sichtlichen Betroffenheit und der trotzdem guten Improvisation danach, ist die "Late Show" die warme Stube verzweifelter amerikanischer Liberaler - und dank Youtube noch vieler anderer in der ganzen Welt. Ein Quell tröstlicher Gedankenschärfe in einer Zeit, in der der Präsident der Vereinigten Staaten nachts unbelegte Wuttweets verschickt und kaum ein Statement aus dem Weißen Haus ohne verworrene Vagheiten und Fehler auskommt.

Als die Republikaner arg lange brauchten, bis sie ihr Reformpapier für das Gesetz über die Krankenversicherung "Obamacare" vorlegen konnten, spielte Colbert mit dem Shakespeare- und X-Men-Schauspieler Patrick Stewart eine Szene aus Samuel Becketts "Warten auf Godot". Nach Trumps Rede vor dem Kongress vergangene Woche ging Colbert live auf Sendung. "Die weiblichen Abgeordneten der Demokraten trugen weiß, um an die Suffragetten und den Kampf um Frauenrechte zu erinnern. Die Republikaner waren weiß, um an die zu erinnern, die sie gewählt haben."

Kein anderer Late-Night-Moderator kann so klug trösten wie Colbert. Keiner bringt, bei allem Witz, eine solche Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit mit auf die Bühne. Colbert macht das Gegenteil jener "Normalisierung" des neuen US-Präsidenten, die dessen Kritiker fürchten, weil sie Augen, Ohren und Hirn einschläfern könnte für die Gefahr, die er darstellt.

Jimmy Fallon, der die Quotenführung nun abgeben musste, war der richtige für eine Präsidentschaft, mit der jenes liberale Amerika, das die Late-Night-Shows ansieht, sehr einverstanden war. Er tanzte mit Michelle Obama, er rappte mit Justin Timberlake. Als Anbiederung wurde ihm das nicht ausgelegt. Als er aber im Wahlkampf 2016 Donald Trump einlud und die Echtheit von dessen Haupthaar überprüfte, indem er ihm frech-verstohlen durch ebendieses wuschelte, war die Empörung groß. Er habe Trump verharmlost, warf man ihm vor. Das ist zwar Blödsinn - aber es passt in eine Zeit, in ein Land, in dem man sich gerade entscheiden muss, auf welcher Seite man steht. In der gemütlichen Mitte ist kein Platz mehr.

Stephen Colbert hat sich entschieden. Er versucht gar nicht erst, jene zu erreichen, die Donald Trump gut finden. Sein Spott über Trump und dessen Regierung spricht nur jene Konservativen an, die mit dessen Stil genauso wenig anfangen können wie die Liberalen. Jimmy Fallon hat sein Witzwerkzeug nicht gewechselt. Wenn er Trump veralbern will, malt er sich noch immer sein Gesicht orange an und äfft ihn nach. Doch das reicht nicht. Dafür ist die Bedrohung zu groß, die viele in Trump sehen. Stephen Colbert hat das richtige Werkzeug schon lange in den Taschen seiner gut geschnittenen Anzüge. Und seit der Wahl benutzt er es mit größtmöglicher Autorität.

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