Ulrich Meyer im Gespräch:"Wir befassen uns mit dem ganz Bösen"

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Eine Sendung über reale, abgeschlossene Fälle und aktuelle Fahndungen: Sat1-Moderator Ulrich Meyer über Polizeiarbeit, den Fall "Mirco" und das Format "Ermittlungsakte".

Christina Maria Berr

Sat1-Moderator Ulrich Meyer moderiert seit 16 Jahren die Sendung Akte . Am heutigen Mittwoch startet zudem - ebenfalls wöchentlich - das Format Ermittlungsakte . Damit will Meyer abgeschlossene Kriminalfälle beschreiben, Ermittlungsarbeit dokumentieren - und aktuelle Fälle besprechen. Ein Gespräch über journalistische Grundsätze, den Fall "Mirco" und sein neues Format.

Wie kommen Ermittler zum Täter? Ulrich Meyer zeigt in seiner neuen Sendung die Fahndungstätigkeit an bereits abgeschlossenen Fällen. (Foto: obs)

sueddeutsche.de: Sie haben bereits mit Akte 20.11 eine wöchentliche Sendung, die nach Ihren Aussagen "wider das Böse" gerichtet ist. Jetzt startet Ihr neues - ebenfalls wöchentliches - Format Ermittlungsakte - auch wider das Böse oder mitten im Bösen?

Ulrich Meyer: Ermittlungsakte befasst sich mit dem ganz, ganz Bösen. Es geht um reale, abgeschlossene Kriminalfälle, bei denen die Täter bereits verurteilt worden sind. Wir schildern mit einer Reihe von Spezialisten, wie die Beamten ermittelt haben - von einer zunächst unüberschaubaren Spurenlage bis hin zur Verurteilung des Täters. Da sind natürlich Überraschungen dabei, ganz selten Zufälle - und vor allem viel Kleinarbeit.

sueddeutsche.de: Einer der spektakulärsten - und auch besonders brutalen - Fälle ist derzeit der Fall "Mirco". In der Pressekonferenz hat aber der leitende Ermittler klargemacht, dass der Weg, wie sie auf die Spur des Täters gekommen sind, geheim bleiben wird. Wie wollen Sie Polizisten dazu bekommen, dennoch genau über solche Ermittlungsarbeiten zu sprechen?

Meyer: Ich glaube, wir haben im Fall "Mirco" deutlich herausgehört, dass es ein biologischer Ansatz war, den die Polizei da gewählt hat. Ich finde, die Bevölkerung sollte Bescheid wissen, dass so eine Fahndung nichts mit Hexerei zu tun hat, sondern mit Naturwissenschaften und sehr viel Kleinarbeit ... Sicher kann es ermittlungstaktisches Wissen geben, das wir nicht zeigen dürfen. Deshalb berichten wir über abgeschlossene Fälle, da ist die Sachlage eine völlig andere.

sueddeutsche.de: Wobei man über abgeschlossene Fälle nach der Urteilsverkündung über den Täter nur noch sehr eingeschränkt berichten darf.

Meyer: Genau aus diesem Grund lassen wir die Identität des Täters bis auf wenige biographische Daten, die zum Verständnis des Täterhandelns notwendig sind, völlig außen vor. Uns geht es ja um die Polizeiarbeit und nicht um die Täteridentifizierung.

sueddeutsche.de: In der Sendung geht es um zwei abgeschlossene Fälle - und zwei aktuelle, in denen der Täter noch gesucht wird.

Meyer: Das ist numerisch richtig, wobei die abgeschlossenen Fälle etwa 30 Minuten und die aktuellen Fälle etwa fünf Minuten umfassen werden. Letzteres ist vor allem ein Wunsch der Polizei, auf den wir natürlich gerne eingehen. Andererseits lässt uns die Polizei intensiv Einblick nehmen in die Akten; wir haben Spezialisten sprechen können, die uns zeigten, was dahintersteckt, wenn etwa ein Naturwissenschaftler aus dem Bundeskriminalamt die weltweit einzige Hundebissspurdatei angelegt hat.

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sueddeutsche.de: Wie kommen Sie zu den intensiven Kontakten zur Polizei?

Meyer: Das ist das Ergebnis jahrelanger Zusammenarbeit. Wir haben ja bereits 1997 mit Fahndungsakte ein Format für Sat1 produziert, das damals Aktenzeichen XY sehr ähnlich war. Da wurden ausschließlich nichtgelöste Fälle gezeigt. Und seit damals bearbeiten wir als Produktionsfirma das Feld "Kriminalistik".

sueddeutsche.de: Was hat die Polizei von dieser Zusammenarbeit?

Meyer: Eine Menge: Bei der Polizei waren alle Beteiligten durchaus angetan, weil sie endlich über ihre Arbeit im Detail sprechen können. Normalerweise wird ja ein Fall in großen Sprüngen erzählt, die letzten Meter - und dann das Strafmaß. Aber wie man dazu genau gekommen ist, wie man nach der Tat die falschen Spuren ausgeschlossen hat und auf die richtigen Spuren gelangt ist, das wird in der Regel nicht publik gemacht.

sueddeutsche.de: Sie verstehen sich als Journalist. Journalisten aber sollten über Geschehnisse berichten und nicht Teil der Geschehnisse werden. Wenn Sie nun mit der Polizei so eng zusammenarbeiten, ist das kein Widerspruch in sich?

Meyer: Ich sehe da gar keinen Widerspruch. Wir berichten über das, was geschehen ist, nachdem gemordet worden ist! Wir zeigen auch, wo und warum sich Sackgassen aufgetan haben und wie man da wieder herausgekommen ist. Dadurch werde ich aber nicht Teil des Ermittlungsteams der Polizei.

sueddeutsche.de: Der Vergleich - zumindest in Ihrem aktuellen Teil - zu Aktenzeichen XY drängt sich natürlich auf. Den Unterschied haben Sie so erklärt: Beim ZDF wird gefahndet, Sie ermitteln.

Meyer: Richtig, wir ermitteln über das, was an faszinierender Arbeit geleistet wird.

sueddeutsche.de: Sie ermitteln?

Meyer: Wir ermitteln, also wir berichten über die Ermittlungsarbeit. Das ist - glaub ich - eine zulässige Verkürzung.

sueddeutsche.de: Ein aktueller Fall wie "Mirco" - wäre das ein Thema für Ihre Sendung?

Meyer: Über Mirco ist so intensiv berichtet worden - und wir hatten den Eindruck, dass die Polizei durch zusätzliche Hinweise nicht in ihrer Arbeit befördert werden würde. Aber natürlich gehen wir in der ersten Sendung kurz darauf ein. Mirco ist sicherlich kein Schwerpunktfall.

sueddeutsche.de: Stephanie zu Guttenberg hat soeben in der RTL2-Sendung Tatort Internet mit der Redaktion aktiv nach Internettätern gefahndet und dabei vermeintliche Täter - unter der Vorspiegelung, dass da selbst ein Kind chatten würde - angeschrieben. Können Sie sich das in Ihrem Teil über "aktuelle Fälle" vorstellen - und wie bewerten Sie die Sendung von Stephanie zu Guttenberg?

Meyer: Wenn die Polizei in so einem Fall um Berichterstattung bitten würde, greifen wir diesen Vorschlag nach sorgfältiger Prüfung gerne auf. Wir bauen aber keine parallelen Ermittlungsstrukturen zur Polizei auf. Das ist ja unter anderem das, was Frau zu Guttenberg vorgeworfen wurde. Man kritisierte, dass sie Dinge veranstalte, die eigentlich in die Hände von Polizeibehörden gehören. Das ist ein weites und schwieriges Feld, aus dem wir uns aus sehr gutem Grund schon vor Jahren zurückgezogen haben, weil hier ein unglaublich großer Graubereich entstanden ist, in dem Journalisten nicht mehr sehr viel ausrichten können.

sueddeutsche.de: Der dritte Teil der Sendung soll ja aus einer Rubrik bestehen, die Sie "Ulrich Meyer vor Ort" nennen.

Meyer: Genau, da lasse ich mir von Spezialisten vor Ort zeigen, wie ganz spezielle Techniken, Fähigkeiten, Wissen funktionieren und nutzbar sind. Wie geht zum Beispiel die Verfolgung eines Wagens auf der Autobahn durch eine Hubschrauberstreife?

sueddeutsche.de: Da fliegen Sie dann mit dem Hubschrauber mit?

Meyer: Ja, und wir machen auch entsprechende Tests dazu. Oder, ich war bei sogenannten Mantrailern, das sind Hunde, die den Individualgeruch von Menschen über Kilometer verfolgen können.

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sueddeutsche.de: Jetzt ist ein Hubschrauberflug oder auch ein Hundeeinsatz relativ teuer. Wer zahlt das eigentlich?

Meyer: Die Polizei fliegt ja ohnehin - und wenn die uns mitnehmen, entstehen der Bundesrepublik Deutschland oder den Bundesländern keine Kosten. Die Polizei zeigt zwar gerne ihr Können, würde aber für niemanden aus der Presse auch nur einen Meter zusätzlich fliegen.

sueddeutsche.de: Ihr Sat1-Kollege Johannes B. Kerner hat soeben eine Sendung in Kabul gemacht - und ist mit der Bundeswehr dorthin geflogen. Dafür hat der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mächtig Kritik einstecken müssen.

Meyer: Da werden dann einzelne Flugstunden hochgerechnet. Aber bei solchen Berechnungen sind die sogenannten Sowiesokosten auch immer mit ins Feld zu führen. Also: Das Flugzeug wäre ja ohnehin nach Kabul aufgebrochen, egal ob da Sat1-Kollegen an Bord waren oder nicht.

sueddeutsche.de: Parallel zum Start Ihrer neuen Sendung sind Sie aus Ihrer eigenen Produktionsfirma Meta als Geschäftsführer ausgestiegen. Warum?

Meyer: Ich bin 55 Jahre alt, war 19 Jahre Geschäftsführer. Wenn ich mich jetzt nicht mehr um finanzielle und organisatorische Fragen kümmern muss, sondern mich ausschließlich mit journalistischen Fragen beschäftigen darf, ist das wirklich ein Zugewinn an Lebensqualität.

sueddeutsche.de: Und wie sehen Ihre journalistischen Projekte aus?

Meyer: Es wird auf Sat1 demnächst eine weitere wöchentliche Sendung von uns geben.

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Meyer: Das ist nicht mehr die Stunde für ein reines Talkformat. Die Konzentrationsfähigkeit der jungen Menschen ist nicht mehr so groß, dass sie sich über eine Stunde nur noch mit einem Thema beschäftigen. Das ist sehr bedauerlich.

sueddeutsche.de: Claus Strunz macht doch auf Sat1 eine Talkshow - als Nachfolgesendung zu Talk im Turm. Wäre das nichts für Sie gewesen?

Meyer: Ich bin der Magazin-Moderator des Hauses. Aber natürlich kann ich mir auch vorstellen, einmal ein Talkformat zu machen, das dennoch den Zuschaueranforderungen gewachsen ist.

Ulrich Meyer: Ermittlungsakte , mittwochs, 22.15 Uhr auf Sat1

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