Unterhaltung im Bayerischen Rundfunk:Einsatz mit Dame

Annette Siebenbürger hat mehr vor als nur den "Musikantenstadl" ins Erste zu exportieren. Die Unterhaltungschefin des Bayerischen Rundfunks plant eine regionale Talentshow und will den Klassiker "Live aus dem Alabama" weiterentwickeln.

Katharina Riehl

Als der Bayerische Rundfunk Ende der 90er Jahre seine Jugendsendung Live aus dem Alabama nach 14 Jahren beendete, war dem ein langer, leiser Abschied vorausgegangen. Die Bedeutung beim Publikum war nicht mehr die von früher; zunehmend sendete sich Live aus dem Alabama aus dem Bewusstsein vor allem der jungen Zuschauer. 1996 verschob der BR die Diskussionsrunde auch noch von ihrem angestammten Platz. Als dann im Februar 1998 das Nachfolgeformat Quer zum ersten Mal auf Sendung ging, hatte sich das Publikum eigentlich schon abgenabelt.

Heiter bis tödlich - Hubert und Staller

Exportartikel Oberland: Bayern-Krimi Hubert und Staller startet im November im ARD-Vorabend (mit v.l. Helmfried von Lüttichau, Hannes Ringlstetter, Michael Brandner, Christian Tramitz). Produziert hat ihn die Tele München Gruppe für BR und MDR.

(Foto: ARD/TMG/Katrin Krammer)

Mitte der 80er Jahre verantwortlich für die Sendung war der spätere BR-Intendant Thomas Gruber, der damals noch die Familien-Abteilung leitete. Anfang dieses Jahres nun wurde Gruber, inzwischen 68, als BR-Chef vom ehemaligen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, 50, an der Spitze des Senders abgelöst. Was die TV-Unterhaltung angeht, fallen in Grubers Amtszeit zum einen die Förderung des Kabaretts, und zum anderen die Erfindung der Bayern-Soap Dahoam is Dahoam, die bei den Zuschauern der viertgrößten ARD-Anstalt wohl gut ankommt, die Bedeutung des BR im öffentlich-rechtlichen Sendergeflecht aber nicht unbedingt ausgebaut hat.

Man darf annehmen, dass Annette Siebenbürger, seit gut einem Jahr Unterhaltungschefin des Senders, ganz im Sinne Wilhelms agiert, wenn sie nun an einem Format arbeitet, das "eine Art Weiterentwicklung der ehemaligen Sendung Live aus dem Alabama sein soll". Als Wilhelm antrat, verkündete er, den Informationsanteil seines Programms erhöhen zu wollen. "Journalistische Unterhaltung" nennt Siebenbürger das Segment, das sie "verstärkt aufsetzen und weiterentwickeln" will. Unter diese Rubrik fallen wahrscheinlich auch die gefühlt 87 Talkshows im Ersten. Es könnte aber auch etwas Spannendes dabei herauskommen.

Annette Siebenbürger, 53 Jahre alt, eine sehr schmale, konzentrierte Person, die im Gespräch sehr viel entspannter ist, als man ihr das auf den ersten Blick vielleicht zutrauen würde, hat ihr Amt von Thomas Jansing übernommen. Der war zwölf Jahre im Amt, und als der Sender die ersten Pressemitteilungen zu Programmveränderungen in die Welt schickte, da konnte man schon den Eindruck gewinnen, als wäre da jemand bereit, ein bisschen durchzulüften. Die Sendung Kanal Fatal, seit 25 Jahren im Bayerischen Fernsehen, endet in diesem Herbst nach der Jubiläumsstaffel. Dafür hat sie die wunderbare Serie Schlawiner von Paul Harather zum Sender geholt, in der eine Handvoll ziemlich exzentrischer Großstädter eigentlich nichts tun und daraus eine wirklich bezaubernde Komik entsteht. "Unterhaltungssendungen sind ein gutes Instrument, noch mehr junge Zuschauer zu gewinnen", sagt Annette Siebenbürger. In Bezug auf Schlawiner hofft man, dass sie Recht behält.

Man tut Annette Siebenbürger sicher nicht Unrecht, wenn man sagt, dass die Schlawiner unter ihren konkreten Programmänderungen das Unkonventionellste sind, was sie zur Verjüngung ihres Unterhaltungsbereichs bereits umgesetzt hat. Andere Formate wie eine bayerische Talentshow oder eine Coaching-Sendung mit der medial ohnehin schon recht präsenten Autorin Sabine Asgodom, sind mehr eine bayerische Interpretation dessen, was anderswo schon lange auf dem Markt ist. Sie sagt: "Fernsehmacher haben wie Köche letztlich die immer gleichen Zutaten, die Kunst besteht darin, wie man diese auf den entsprechenden Sendeplätzen, für die entsprechenden Zielgruppen neu zusammensetzt."

Das kann man so sehen. Man kann sich aber auch zumindest wünschen, dass das finanziell ja recht großzügig ausgestattete öffentlich-rechtliche Fernsehen - um im Bild zu bleiben - hin und wieder mal ein neues Gewürz aus dem Feinkostladen mitbringt.

Mehr als nur "Musikantenstadl"

Als Annette Siebenbürger ihren Posten beim BR antrat, kehrte sie zurück zu ihrem alten Arbeitgeber. Mit Ende 20 war sie dort als Hospitantin - nachdem sie zuvor ein paar Jahre lang die Regieassistentin Ingmar Bergmanns gewesen war. Doch sie wollte zum Fernsehen, nach dem späten Praktikum wurde sie schnell übernommen. Mit Anfang 30 wurde sie schwanger, kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes gründete sie dann ihre eigene Fernsehproduktion. Die Firma war verantwortlich für ein Sat-1-Verbrauchermagazin, für eine Weihnachtsshow mit Fritz Egner beim selben Sender; sie entwickelte ein Luft- und Raumfahrtmagazin für den Discovery Channel, konzipierte Talkformate, war maßgeblich an den Anfängen der Sendung Ottis Schlachthof beteiligt. Die Katze im Sack hat er BR also sicherlich nicht gekauft.

Annette Siebenbürger

Entspannte Reformerin: Annette Siebenbürger ist seit gut einem Jahr im Amt.

(Foto: Theresa Högner)

Den Erfolg ihrer Amtszeit beim BR, die zunächst bis Juli 2015 dauert, wird sich nicht nur an den Erfolgen im dritten Programm messen, sondern auch an dessen Einfluss im Ersten. Bislang liefert der Bayerische Rundfunk in Siebenbürgers Programmbereich vor allem den Musikantenstadl ans Erste - wobei man sich schon fragen darf, ob schunkelnde Musikanten ernsthaft das einzige sind, was Bayern zur bundesdeutschen Fernsehunterhaltung beizutragen hat.

Annette Siebenbürger kennt diese Vorbehalte selbstverständlich. Sie sagt, dass es natürlich nicht reiche, nur den Musikantenstadl in die ARD einzubringen, man arbeite auch an neuen Formen, neben einigen interessanten Ideen auch an einer Wiesn-Spielshow, die im BR läuft, aber durchaus auch Potential für ein ARD-Event haben könnte. Und: "Zu unserem Auftrag gehört es, die Programmbedürfnisse aller Gebührenzahler zu berücksichtigen, sofern die Inhalte nicht den Grundsätzen des Rundfunkstaatsvertrags widersprechen, was man bei volkstümlicher Musik nun wirklich nicht sagen kann." Das wird man so verstehen können, dass Siebenbürger zwar zum Stadl steht, aber auch erkennt, dass der BR sich dringend mit neuen Zuschauergruppen befassen sollte. Denn dass der Stadl nicht gerade die Programmbedürfnisse des urbanen Fernsehnachwuchses berücksichtigt, dürfte allen klar sein.

Was die Präsenz des BR im Ersten anbelangt, profitiert der Sender natürlich von dem wahren Feuerwerk der Regionalität, das die ARD von diesem Herbst an abzuschießen gedenkt. Das neue ARD-Konzept für den frühen Abend sieht vor, heitere Krimis aus den verschiedenen Teilen der Bundesrepublik zu zeigen. Der BR ist an mehreren Produktionen beteiligt, vor allem aber bringt er Franz Xaver Bogners preisgekrönte Serie München 7 ins Erste - die Geschichte zweier Polizisten (Andreas Giebel und Florian Karlheim), deren Dienst am Freistaat vor allem darin besteht, über den Viktualienmarkt zu spazieren.

Man kann natürlich befürchten, dass ein bisschen Münchner Eigenart der Serie verloren geht auf dem Weg ins gesamtdeutsche Vorabendprogramm - obwohl oder vielleicht gerade weil Annette Siebenbürger von der "bundesweiten Akzeptanz" spricht, die die Serie sicher finden wird. Sie sagt, dass die Einbringung in den ARD-Vorabend noch einen positiven Effekt habe: "Die gemeinsame Finanzierung ermöglicht, aus dem für die Serie im BR vorgesehenen Budget, die doppelte Folgenzahl zu produzieren". Vor allem was die Zahl der bayerischen Sendeminuten im Ersten betrifft, ist das wahrscheinlich tatsächlich eine gute Nachricht.

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