"Unsere Mütter, unsere Väter" im ZDF:Als sei alles gestern passiert

ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter"

Schauspielerin Katharina Schüttler bei den Dreharbeiten zum Film Unsere Mütter, unsere Väter.

(Foto: dpa)

Es soll anders sein als alles, was bisher im deutschen "Eventfernsehen" möglich war: "Unsere Mütter, unsere Väter" erzählt im ZDF ab Sonntag über drei Teile die Geschichte von fünf Freunden im Krieg. Das verlangt den Zuschauern viel ab - und ist genau deshalb epochal.

Von Ralf Wiegand

Nico Hofmann weiß, wie das Spielchen geht, und diesmal ist es anscheinend notwendiger als je zuvor, sehr gut darin zu sein. Aufmerksamkeit zu erzeugen in einem der Beliebigkeit ausgelieferten Medium wie dem Fernsehen für einen einzigen Film, das ist eine Kunst. Neulich lud Hofmann, 53, also einfach mal so die neue deutsche Schaupielerriege, um die sich der erfolgreichste deutsche Produzent derzeit besonders kümmert, in ein Restaurant ein. Er macht das häufiger, als Tribut an die Stars von morgen, wie er sagt. Dabei fällt ein schönes Foto für den Boulevard ab, und wenn dann gleich vier der fünf Hauptdarsteller von Hofmanns neuestem und vielleicht riskantestem Projekt am Tisch sitzen, dem Dreiteiler Unsere Mütter, unsere Väter, ist wieder eine Gelegenheit geschaffen, darüber zu reden.

Wie man Quote mache, wisse er ja, sagt Hofmann, der Dresden, Hindenburg und Rommel, Die Grenze, Die Sturmflut und Die Flucht produziert hat, zuletzt Der Minister. Aber diesmal gibt sich sogar dieser Quotenmacher unsicher, wie das Publikum mit seinem jüngsten Monumentalprojekt umgeht: "Ich verlasse mich ganz aufs ZDF, die wissen, wie man richtig das richtig vorbereitet." Tatsächlich rauscht seit zehn Tagen in jede Sendung des Zweiten eine Hinweistafel auf den Dreiteiler ins Bild, endet jeder Film mit einem Trailer, der dieses besondere Stück Fernsehgeschichte bewirbt, das von Sonntag an zu sehen ist. Denn das sind die 270 TV-Minuten angeblich: einzigartig. "Der Film unterscheidet sich von allem, was bisher im deutschen Event- oder Mehrteilerfernsehen möglich war", sagt Drehbuchautor Stefan Kolditz.

Wie viele Zuschauer werden aussteigen?

Superlative - das Epos über fünf Freunde im Krieg ist auch eine Leistungsschau des gebührenfinanzierten Fernsehens. Krieg spielen ist immer teuer, hier kostete es 15 Millionen Euro, zehn davon steuerte der Mainzer Sender bei, so viel wie noch nie für einen Fernsehfilm. 90 Tage am Stück wurde gedreht, 50 in Litauen, nur zu Ostern gab es eine Pause. Jeder Tag brachte ein neues Motiv, "es ist eine unglaublich komplexe Geschichte", sagt Volker Bruch, der Wilhelm spielt, den überzeugten Wehrmachtssoldaten, Stolz seiner Eltern. Bis der Krieg ihn knackt wie eine hohle Nuss.

Zwei Militärhistoriker und drei Historiker überprüften ständig die Details auf Stimmigkeit, ein Jahr lang wurde das Material geschnitten. Die Redaktion Zeitgeschichte hat das Projekt begleitet, neben den drei fiktionalen Teilen sendet das ZDF zwei an den Stoff angelehnte Dokus. Es gehe darum, sagt Heike Hempel, beim ZDF für Fernsehfilme verantwortlich, "Zeitgeschichte zeitgemäß zu zeigen". Öffentlich-rechtliche Aufgabe sei auch, "Kreativzentrum zu bleiben", Neues zu wagen, das nur hier möglich ist, in dieser Art, Fernsehen zu organisieren. Bezahlt von den Abgaben der Zuschauer. Schaut her, so die Botschaft, was wir damit Sinnvolles anstellen.

Und so erwacht der Krieg in seiner ganzen Monströsität, das ist gleichzeitig das Risiko des Films. Kopf- und Genickschüsse, getötete Kinder, deren Blut den Schlächtern ins Gesicht spritzt, drei Teile lang Schreie im Lazarett, die das Frontradio nicht zu übertönen vermag. 50.000 Platzpatronen! Wie viele Zuschauer werden aussteigen zwischen den Folgen, kriegsmüde? "Es geht an gewisse Grenzen, wenn man den zweiten Weltkrieg zeigt, wie er war", sagt Hempel, der doch härter gewesen sei, "als wir ihn je darstellen können".

Dann verlieren sie sich

Der Film möchte ohnehin wahnsinnig viel auf einmal, er stellt den Krieg nicht als Kulisse dar, sondern dreckig und tödlich in jeder Sekunde. Er schildert die Sehnsüchte der Vorkriegsjugend und wie diese Träume zerschossen werden wie Ballons. "Wir zeigen eine Generation im Krieg", sagt Autor Kolditz, "das ist so noch nicht gemacht worden". Das verlangt dem Publikum einiges ab. Zeitsprünge, Perspektivwechsel, originales dokumentarisches Filmmaterial, das alles musste verknotet werden, und ein bisschen Liebe kommt auch noch dazu. Ohne geht's nicht um 20.15 Uhr.

ZDF-Dreiteiler 'Unsere Mütter, unsere Väter'

Von links nach rechts: Ludwig Trepte (Viktor), Alina Levshin (Alina) und Adam Markiewicz (Stanislav) während einer Drehpause am Set von Unsere Mütter, unsere Väter.

(Foto: dpa)

Nico Hofmanns Filme sind so, "Geschichte muss Gefühl transportieren", sagt der Produzent, deshalb bekommt der Krieg auch fünf hübsche Gesichter. Der ehrgeizige Wilhelm (Volker Bruch), sein feingeistiger Bruder Friedhelm (Tom Schilling), die lebenslustige Sängerin Greta (Katharina Schüttler), der junge Jude Viktor (Ludwig Trepte) und die anfangs vom neuen Deutschland beseelte Krankenschwester Charlotte (Miriam Stein) sind Freunde im kriegslüsternen Berlin von 1939, lebenslustig, hoffnungsvoll. Den Krieg nehmen sie mehr oder weniger ernst. In einem Jahr, versprechen sie sich in ihrem Stammlokal, sehen wir uns wieder. Dann verlieren sie sich.

Die jungen Schauspieler, in deren Hände Hofmann den Erfolg dieses Mammut-Projekts legt, spielen, als sei das alles gestern passiert. Es ist die Kulisse der dreißiger Jahre in Berlin, aus der sie in den Krieg aufbrechen, aber es sind die jungen Leute von heute, mit derselben Unbeschwertheit, Naivität, ihrem Leichtsinn und ihrer Verführbarkeit. Alle um die 20 haben sie nicht geahnt, was auf sie zukommt, als vom Krieg die Rede war. Sie haben sich darauf verlassen, dass das schon alles seine Richtigkeit haben würde. Ein Jahr vielleicht, dann sähen sie sich wieder.

Unsere Mütter, unsere Väter ist ein bleischwerer Titel, und es hat eine Menge Diskussionen gegeben, ein regelrechtes Namens-Casting mit 30, 40 Vorschlägen. Aber man kann den Titel sogar gut finden. Drei Teile lang erzählt der Film die Geschichte jeder einzelnen der fünf Figuren. Sie verlieren, wenn nicht ihr Leben, so doch ihre Moral, ihre Ideale, ihre Unschuld. Sie erkennen, benutzt worden zu sein oder benutzen andere. Sie lernen zu morden und sie verlernen zu parieren. Sie lassen sich von der Macht korrumpieren wie die Sängerin Greta. Keiner von ihnen bleibt der, der er war. Aber aus dieser vom Krieg verzehrten Jugend ist keine Generation traumatisierter Rächer geworden. Sie begründete stattdessen den längsten Frieden, den dieses Land je erleben durfte. Sie wurden, trotz allem, Mütter und Väter. Man staunt darüber, nach diesem Film.

"Unsere Mütter, unsere Väter", ZDF, Sonntag, Montag, Mittwoch, jeweils um 20.15 Uhr.

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