"Und alle haben geschwiegen" im ZDF:Graue Kindheit

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Luisa (Alicia von Rittberg, unten) muss härteste Erziehungsmaßnahmen über sich ergehen lassen - eine Szene in "Und alle haben geschwiegen". (Foto: dpa)

Harte Arbeit, Schläge, Schikanen: Das Schicksal der - fiktiven - Luisa im ZDF-Film "Und alle haben geschwiegen" steht für mehr als 800.000 Kinder und Jugendliche, die nach Kriegsende bis in die Siebziger in westdeutschen Erziehungsheimen leiden mussten.

Von Monika Maier-Albang

Eine Farbe hat sich über den Film gelegt. Grau ist das Sackkleid, das Luisa anstelle ihres Minirocks anziehen muss, grau sind die Klosterwände, grau ist der Zahnputzbecher, der ihre Nummer trägt: 84. Am Anfang rebelliert sie. "Ich bin keine Nummer, ich bin Luisa Keller." Aber Widerworte werden bestraft; ein junges Mädchen, klug und eigenständig - so etwas kann nicht geduldet werden im Heim. Und was die Oberin von der Emanzipation hält, macht sie unumwunden klar: Haushalt machen, Kinder umsorgen, Mann bekochen - "das ist eure Bestimmung".

Der Weg dorthin: Arbeit in der Wäscherei, zehn Stunden am Tag, Schläge, Schikanen. Das Schicksal der - fiktiven - Luisa Keller steht in dem Film "Und alle haben geschwiegen" für mehr als 800.000 Kinder und Jugendliche, die nach Kriegsende bis in die Siebziger in westdeutschen Erziehungsheimen leiden mussten.

Regisseur Dror Zahavi hat sich an das düstere Thema gewagt: das Versagen der deutschen Nachkriegspädagogik. Er beschönigt nichts, kommt ohne Voyeurismus aus: Nicht alle Schwestern sind Unmenschen, aber das System begünstigt die, denen das Quälen Spaß bereitet. Ein sehenswerter Film.

Was die Jahre im Heim bedeutet haben, weiß man seit 2006, seit dem Buch "Schläge im Namen des Herrn" von Spiegel-Autor Peter Wensierski. Der Film geht anders unter die Haut als es geschriebene Worte vermögen. Allein wenn die gealterte Luisa (Senta Berger) Paul nach 40 Jahren wiedersieht! Nach Deutschland ist sie aus den USA zurückgekehrt, um vor dem Runden Tisch auszusagen. "Überraschend gut" nennt Wensierski den Film. Dass das ZDF ihn zur besten Sendezeit zeigt, sieht er als Schritt zur gesellschaftlichen Rehabilitation der Opfer.

Und alle haben geschwiegen, ZDF, 20.15 Uhr

© SZ vom 04.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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