Unbekannter Riese:Gemächlich ins Digitale

Neue Pläne, alte Härte: Der lange sehr verschwiegene Bauer-Verlag erklärt sich. Europas größtes Zeitschriftenhaus setzt nach wie vor klar auf Print. Eine Zusammenführung mit Online soll es nicht geben.

Von Angelika Slavik

In der obersten Etage des Verlagshauses Bauer in Hamburg liegt dicker, schwerer Teppich. Es ist die Art von Teppich, auf der man nicht einfach laufen kann. Hier muss man schreiten, würdevoll und gemächlich. Und mit gesenkter Stimme sprechen. Das hier ist kein Ort für Hibbeligkeiten.

"Wir verstehen uns ja eigentlich als Start-up." Jörg Hausendorf ist Geschäftsführer der Bauer Media Group, wie sich der Verlag seit einiger Zeit nennt. Und dass er für das 1875 gegründete Familienunternehmen nun Start-up-Dynamik ausruft, das sagt vielleicht nicht unbedingt etwas aus über die Arbeitsweise dieses Hauses - aber zumindest über das Selbstbewusstsein, mit dem man hier zu Werke geht.

Hausendorf und sein Kollege Andreas Schoo empfangen an diesem Montag Journalisten, um Auskunft zu geben: über den Geschäftsverlauf des vergangenen Jahres und, wichtiger noch, über Strategien und Pläne für die Zukunft. Das ist nicht selbstverständlich für Europas größtes Zeitschriftenhaus, das Titel wie Bravo, Closer, Neue Post und TV Movie herausgibt. Lange schien man Verschlossenheit hier als Teil der Unternehmensphilosophie zu verstehen. Erst seit 2010, als Yvonne Bauer die Leitung des Konzerns von ihrem Vater übernahm, änderte sich das schrittweise. Hausendorf sagt: Es wäre gut, wenn man das Unternehmen "imagemäßig" dorthin bringen könnte, "wo Bauer hingehört". Deshalb jetzt "unsere neue Offenheit".

Tatsächlich ist die Sache mit der öffentlichen Wahrnehmung dieses Verlags eines komplizierte Sache. Denn das Unternehmen gilt zwar als wirtschaftlich sehr erfolgreich, aber eben auch als sehr harter Arbeitgeber. Immer wieder machen Klagen von Arbeitnehmervertretern über die rüde Politik des Verlagshauses Schlagzeilen. "Wir verstehen uns ja eigentlich als Start-up" - dieser Satz bezieht sich deshalb keineswegs nur auf Dynamik und Aufbruchsgeist, den man gerne im Unternehmen hätte. Sondern auch darauf, dass sich das Unternehmen für Tarifbindung und Arbeitnehmervertreter nicht so recht erwärmen kann. Man halte eben nicht viel von einem Tarifvertrag, "der vielleicht vor 30 Jahren mal passend war", heißt es. "Wir arbeiten lieber so mit Mitarbeitern zusammen, dass sich Leistung richtig lohnt", sagt Hausendorf. Ob die Berichte stimmen, wonach Mitarbeiter bei Bauer weniger Urlaub hätten als in der Branche üblich? "Da gibt es unterschiedliche Vereinbarungen."

Vor allem aber sei man ein "Mover", sagt Hausendorf. Das sei ja wohl motivierend, wenn man bei einem Unternehmen arbeite, "das noch echte Innovationen hervorbringt". Man wolle Leute, "die nicht um Punkt fünf nach Hause gehen, sondern auch mal freiwillig bis sechs nach fünf" blieben. Außerdem, sagt sein Co-Geschäftsführer Schoo, "bieten wir sichere Arbeitsplätze, eben weil wir ein erfolgreiches Unternehmen sind. Das ist im Journalismus ja nicht selbstverständlich."

Mit Bauer'scher Härte hat das Unternehmen im vergangenen Jahr jedenfalls 2,3 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Das sind 3,6 Prozent weniger als im Jahr zuvor, aber immer noch der zweithöchste Wert seit Bestehen des Unternehmens. Die Auskunft zum Gewinn bleibt vage, er sei aber sowohl in Deutschland als auch weltweit höher ausgefallen als 2013.

Den Großteil der Einnahmen erzielt man mit Printtiteln. Insgesamt würden die Vorteile von Gedrucktem in Deutschland unterschätzt, auch von der Werbeindustrie. "Das haben wir in der Vergangenheit vielleicht auch zu wenig herausgestellt", sagt Schoo. "Das werden wir in Zukunft deutlicher machen."

"Wir verstehen uns ja eigentlich als Start-up", sagt der Verlagschef

Trotzdem hat Bauer vor allem für den Digitalbereich große Pläne. Bislang sind die Einnahmen aus dieser Sparte mit zuletzt 94 Millionen Euro im Jahr 2014 gemessen am Gesamtumsatz marginal. Dass man den Wandel bereits verschlafen habe, glaubt man in Hamburg nicht. Die digitale Revolution stehe schließlich erst am Anfang. Zudem wolle man die Sache anders angehen als die meisten anderen Verlagshäuser, wo vor allem an einer Zusammenführung von Print- und Online-Sparte gearbeitet werde. "Wir haben für uns beschlossen: Digital ist ein völlig anderes Geschäftsfeld", sagt Schoo. Es brauche sowohl auf der Seite der Verlagsmanager als auch in den Redaktionen "Menschen mit völlig unterschiedlicher Qualifikation", um den Ansprüchen des jeweiligen Mediums gerecht zu werden. Seit Anfang des Jahres hat Bauer deshalb eine eigene Digitaltochter, Bauer Xcel Media. Deren Ziel sei es, eigenständige Marken im Internet aufzubauen - und zwar weltweit. "In diesem Bereich ist unsere Konkurrenz nicht mehr Gruner + Jahr, sondern eben Huffington Post oder Buzzfeed", sagt Schoo.

Um sich alsbald mit diesen Konkurrenten messen zu können, plane man Akquisitionen, "eine oder mehrere große". Gespräche liefen bereits, man werde aber nur zu "vernünftigen Preisen" kaufen. Bauer will, könnte man sagen, gemächlich ins Digitalgeschäft schreiten.

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