Umstieg auf DAB:Digital wider Willen

Umstieg auf DAB: Mit dem Abschalten der UKW-Sender werden alte Radios nutzlos.

Mit dem Abschalten der UKW-Sender werden alte Radios nutzlos.

(Foto: Firstlight/mauritius)

Norwegen ist das erste Land in Europa, dessen nationale Radiosender nicht mehr analog senden. Den Zuhörern fällt der Abschied von UKW schwer.

Von Silke Bigalke

Kurz vor Weihnachten wurde Svein Larsen, Chef von drei lokalen Radiosendern in Oslo, zum Piraten. Denn als das analoge Radio in der Hauptstadt für immer abgestellt werden sollte, sendete Larsen einfach weiter. Für die Behörden wurde er damit zur Bedrohung für Norwegens Radiorevolution: Seit dem 13. Dezember ist Norwegen das erste Land in Europa, dessen nationale Sender nicht mehr analog, sondern nur noch digital senden.

Es ist ein Schritt, über den derzeit in mehreren Ländern, auch in Deutschland, heftig diskutiert wird.

Die Hälfte der Norweger hätte gerne darauf verzichtet. 56 Prozent seien unzufrieden mit DAB, dem digitalen Radio, ergab eine Umfrage der Tageszeitung Dagbladet im Dezember. Die hatte vor einem Jahr schon mal nachgefragt, vor der Umstellung. Damals waren 65 Prozent dagegen, der Widerstand ist nur wenig geschrumpft. Und das, obwohl die großen Anbieter - der öffentlich-rechtliche Sender NRK und die Privatsender P4 und Radio Norge - seit Jahren für DAB werben.

Ein Grund für die Umstellung: DAB ist für die Sender günstiger

Damit ihnen die Hörer in den großen Städten nicht weglaufen, mussten die Lokalsender dort ebenfalls auf digital umstellen. Svein Larsen, der auch den Norwegischen Lokalradioverbund leitet, hielt seinen Widerstand eine Woche lang durch. Dann wurden ihm die drohenden Geldstrafen zu hoch. Auf seinen alten UKW-Frequenzen im Osloer Zentrum hört man nun nur noch Rauschen. Viele Hörer hätten mit Unverständnis reagiert, sagt er. "Die Stilllegung ist Teil dieses ganzen unbeliebten Prozesses." Die nationalen Sender haben über das vergangene Jahr eine Region nach der anderen vom analogen Netz genommen. Zuletzt waren Troms und Finnmark im Norden dran, und die Inselgruppe Spitzbergen. "Sie sind einfach nicht in der Lage, den Norwegern zu erklären, warum sie das machen", klagt Larsen.

Das norwegische Parlament hat die Umstellung 2007 beschlossen. Doch die treibende Kraft dahinter war der öffentlich-rechtliche Sender NRK. Der argumentiert, dass digitales Radio den Hörern bessere Qualität und mehr Auswahl liefere. Statt bisher fünf landesweiten Sendern gibt es nun 31. Für NRK war aber wohl etwas anderes ausschlaggebend: Der Sender wollte nicht länger beide Systeme erhalten, digital und analog, zumal es in Norwegen mit seinen hohen Bergen und tiefen Fjorden aufwendig ist, in jeden Winkel zu funken. Für das digitale Radio zahlen die Sender nur ein Achtel der bisherigen Kosten, hat die Regierung ausgerechnet.

Die Hörer allerdings zahlen drauf, weil ihre alten Radios nutzlos werden. Sie müssen sich DAB-Geräte oder Adapter anschaffen, oft gleich mehrere pro Haushalt. Allein in den letzten zweieinhalb Monaten des vergangenen Jahres haben die Norweger 620 000 DAB-Radios gekauft, Zahlen der Organisation Digitalradio Norge, die den Übergang für NRK und P4 betreut. Noch im Dezember fuhren die Hälfte aller Autos ohne digitales Radio, ihre Fahrer konnten also weder Wetterberichte noch Verkehrsnachrichten der nationalen Sender hören.

Viele sind auf Lokalradios ausgewichen. Die dürfen noch bis 2022 analog senden - außerhalb der großen Städte. Landesweite Sender haben aber verloren: Ihr Anteil an der Zuhörerzeit ist innerhalb eines Jahres um sieben Prozent gesunken. Der Digitalradio-Verband argumentiert, dass dafür 1,4 Millionen Norweger täglich Sender hörten, die es ohne DAB gar nicht geben würde. Ole Jørgen Torvmark leitet Digitalradio Norge. Er sagt, man müsse den Hörern nur Zeit geben. "Nach jedem regionalen Abschalten haben wir gesehen, dass die Menschen weniger Radio gehört haben, nur damit der Anteil dann wieder anstieg." Svein Larsen sagt, seine Lokalsender hätten dank der Umstellung mehr als 30 Prozent an Hörern dazugewonnen. Er nutzt nun seine Frequenzen in der Region um Oslo herum und außerdem digitales Radio. Er habe nichts gegen DAB. Er hat aber etwas dagegen, wenn die Regierung ihm Steine in den Weg legt, um seine Konkurrenten zu schützen. Überhaupt hatte die anfangs argumentiert, dass das digitale Radio Wettbewerb schaffe. Doch nun teilen sich dieselben Anbieter die DAB-Kapazität, die auch schon den analogen Markt dominiert haben. Lars Sørgard, Chef der norwegischen Kartellbehörde, hat im Dezember einen Gastkommentar in Norwegens größter Tageszeitung, der Aftenposten, geschrieben: Er sei besorgt, dass das Digitalradio die Vielfalt eher drossele, anstatt sie zu vergrößern.

Der Lokalradioverbund hat sich bei den europäischen Wettbewerbshütern beschwert. Larsen hofft, dass er die brachliegenden UKW-Frequenzen irgendwann wieder nutzen darf.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: