TV-Vorschau: "Liebe deinen Feind":Sommer nach dem Krieg

Ein atemloses Beziehungsgeflecht: Niki Stein verbindet in seinem Nachkriegsfilm "Liebe deinen Feind" eine Liebesgeschichte mit politischem Stoff. Die Erfüllung dieses Konzepts bringt den Regisseur in eine verdammt unbequeme Situation.

A. Zons

Bei manchen Filmen, denkt man, muss sich der Drehbuchautor gefühlt haben wie zwischen Scylla und Charybdis, oder, um es etwas moderner auszudrücken, wie zwischen Creutzfeld und Jakob. Da könnte er, der Autor, eine anrührende und wahrhaftige Liebesgeschichte entwerfen. Oder aber dem Zuschauer ein spannendes politisches Thema nahebringen. Würde er sich nur auf die Liebesgeschichte konzentrieren, wäre sein Film vielleicht belanglos. Würde er nur auf den spannenden politischen Stoff vertrauen, hätte er mit Widerstand bei den Fernsehspielabteilungen der Sender zu rechnen. Eine ausweglose Lage, der sich Niki Stein (Buch und Regie) in seinem Film Liebe deinen Feind dahingehend entzog, indem er beides verband. Und genau das hat ihn in eine verdammt unbequeme Situation gebracht.

ZDF-Film 'Liebe deinen Feind'

Der britische Offizier Simon (Benjamin Sadler, l.) soll ausgerechnet gegen den unter Mordverdacht stehenden deutschen  Wehrmachtsoffizier Friedrich (Stefan Kampwirth, 2.v.l.) ermitteln, der vor ihm mit der Sanitätshelferin Gesa (Katharina Wackernagel, r.) liiert war.

(Foto: dapd)

Wenn man das Kunstwerk zerschlägt und die Einzelteile unter die Lupe legt, erkennt man zunächst etwas Positives: Ein aktuelleres und feineres Thema hätte der Autor Stein nicht finden können. Hintergrund seines im Jahr 1945 spielenden Films ist ein unauflöslicher Konflikt. Es geht um das Dilemma, in dem alle Befreier nach dem Untergang eines Unrechtsregimes stecken.

Der Blick nach Ägypten oder Tunesien zeigt ja, wie sehr auch jetzt wieder die Rebellen oder Aufständischen nach dem Sturz der Diktatur auf die alten, von der Schuld besudelten Kräfte angewiesen sind bei ihrem Versuch, ein neues funktionierendes Gemeinwesen aufzubauen. Kurz: Man braucht immer noch einige der Bösen, um mit deren Hilfe etwas Gutes zu erreichen. Überflüssig zu sagen, dass das eine schwere Bürde ist für einen neuen jungen Staat.

Als der Film Liebe deinen Feind entwickelt wurde, kündete natürlich noch nichts von den Revolutionen in der arabischen Welt. Niki Steins Film spielt im Nachkriegsjahr, in der Zeit nach dem 8. Mai 1945. Die Nazis waren besiegt, Deutschland lag danieder, ein Neuanfang des zerstörten Landes war nur möglich mit Hilfe jener kontaminierter Kräfte, die über Jahre Hitler unterstützt hatten.

Und so ist es nur konsequent, wie Stein diesen Handlungsstrang aufbaut: Ein Mensch wird getötet. Der männliche Held, ein ehemaliger deutscher Wehrmachtsoffizier (Stephan Kampwirth), gerät unter Mordverdacht. Ermittler ist ein britischer Offizier (Benjamin Sadler). Doch die Justiz ist eine deutsche Justiz, mit deutschen Richtern und deutschen Anklägern. Und die waren lange Jahre Hitlers Handlanger. Wie kann da am Ende Gerechtigkeit herauskommen?

Fehlender Rythmus

Eine spannende Frage, doch der alleine hat man nicht vertraut. Also wurde - nicht ganz überraschend - eine Liebesgeschichte dazu erfunden. Diese Liebesgeschichte mit den für die Kerngeschichte schon vorhandenen Figuren zu verzahnen, liegt nahe. Also kommt zu den beiden Männern eine dritte Hauptperson dazu: eine junge Frau. Sie liebt erst den deutschen ehemaligen Wehrmachtsoffizier. Und dann den englischen Captain. Was schließlich zu der emotional nicht uninteressanten Konstellation führt, dass der Engländer ausgerechnet gegen den unter Mordverdacht stehenden Deutschen ermittelt, der vor ihm mit der jungen Frau liiert war.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist damit der Wandel in den Gefühlen von Gesa, wie diese Frau heißt. Dieser Wandel aber hätte Raum gebraucht, anders kann man ihn nicht ernsthaft und glaubwürdig erzählen. Nötig wären Szenen der Entfremdung von dem einen Mann. Und dann Szenen der Faszination und der aufkeimenden Liebe zu dem anderen Mann. Und vor allem ein Grund, warum Gesa sich neu verliebt. Diese Szenen aber fehlen, weshalb in einem der wesentlichsten Punkte die Figuren nicht stimmen.

Selbst wenn Brad Pitt (oder sonst ein Frauenidol) der englische Captain gewesen wäre: Man würde nicht verstehen, warum Gesa in so kurzer Zeit ihre große Liebe in Zweifel zieht und ihr Herz an Captain Simon verliert. Dabei hätte es einen guten Grund gegeben: die Sehnsucht nach einem besseren Leben, nach der schönen neuen Welt nach Jahren des Kriegs. So aber muss die sympathische junge Frau etwas Unsympathisches tun, nur um das Konzept des Films zu erfüllen.

Alle anderen Schwächen ergeben sich aus dieser Schieflage, in die sich die Macher des Films ohne plausiblen Grund gebracht haben. Als wichtigste ist der fehlende Rhythmus im ersten Drittel zu nennen, wenn in kurzen, fast atemlos wirkenden Szenen das Beziehungsgeflecht entwickelt wird. Vielleicht wäre der Regisseur Stein deshalb gut beraten gewesen, sich weniger auf die Ästhetik der Nachkriegszeit zu konzentrieren und dafür mehr auf seine Figuren zu achten. So aber wirkt es fast etwas seltsam, wenn die Menschen ständig mit einer Leni-Riefenstahl-Optik (also von unten und mit verkürzter Brennweite) aufgenommen werden.

Und so sieht die Geschichte schließlich aus, wenn man die Einzelteile wieder zusammensetzt: Eine junge Frau, die Sanitätshelferin Gesa (Katharina Wackernagel) arbeitet für die zentrale Verwaltung der britischen Besatzungsarmee, die diese auf einer vom Festland abgeriegelten Halbinsel eingerichtet hat. Ihr Geliebter ist der ehemalige Wehrmachtsoffizier Friedrich, der als Kriegsgefangener in einem Lager auf dem Festland interniert ist. Er muss, wenn er Gesa sehen will, durch die kalte Nordsee schwimmen, ein gefährliches Unterfangen. Doch dann verliebt sich Gesa in Captain Simon, einen britischen Offizier. Und in der Nacht, in der Gesa Friedrich ihre Liebe zu Simon beichten will, kommt es zu einem Mord. Friedrich wird angeklagt, ihm droht die Todesstrafe. Verteidigt wird er von Simon.

Von jetzt an sollte man den Film aufmerksam betrachten, denn jetzt wird's interessant. Irgendwann sagt einer, bezogen auf die Zeit nach dem Krieg: "Es ist vorbei - und es war noch lange nicht vorbei." Das wär's doch gewesen. Nicht nur für das Land. Sondern auch für die Liebe.

Liebe deinen Feind, ZDF, 20.15 Uhr

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