TV: "Hindenburg":Ein ganz heißes Aluminium

RTL vermischt im Zweiteiler "Hindenburg" Fakten und Fiktion. Kann das gutgehen? Darsteller Maximilian Simonischek ist eine Bereicherung, aber der Katastrophensound nervt ganz schön.

Christian Mayer

Es gibt sehr kurze, aber ungeheuer beeindruckende authentische Aufnahmen eines Menschheitsdramas aus dem an Katastrophen so reichen 20. Jahrhundert. Über Lakehurst im amerikanischen Bundesstaat New Jersey schwebt ein wundersamer Koloss, leichter als Luft: Die "Hindenburg", mit 245 Metern Länge das größte je gebaute Luftschiff, ist nach einer Atlantiküberquerung am 6. März 1937 bereit zur Landung.

Hindenburg Teil 2

Der reale Hindenburg-Absturz schockiert noch heute. Die Story des von RTL verfilmten digitalen Pendants (Foto) schwächelt mitunter.

(Foto: RTL)

Unten auf dem Flugfeld stehen schon die Männer mit ihren Seilen, um den Zeppelin auf den Boden zu ziehen. Dann passiert das Ungeheuerliche: Im Heckteil des Luftschiffs bricht Feuer aus, innerhalb von Sekunden brennt die filigrane Hülle, ein Feuerball frisst die ganze Konstruktion auf, und das Gerippe sinkt vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu Boden.

Man erkennt Menschen, die dem Inferno entkommen. Passagiere und Besatzungsmitglieder rennen um ihr Leben - selbst beim zehnten Hinsehen auf YouTube stellt sich beim Betrachter noch Entsetzen ein.

Wer aus diesem Stoff einen zweiteiligen Eventfilm für RTL machen will, hat natürlich ein Problem. Einerseits ist das Drama der Hindenburg schon allzu oft erzählt worden.

Es gibt eine Fülle von Verschwörungstheorien, biografischen Erinnerungen und von Abhandlungen über die Konstruktion des Luftschiffs und den leicht entflammbaren Wasserstoff, der letztlich zum Inferno führte.

Andererseits lässt sich ein solches Ereignis nur mit größten Kunstgriffen in einen Zweiteiler packen. Die entscheidende Frage ist also: Wie füllt man die 170 Minuten vor der Explosion, wie hält man die Spannung bis zum Unvermeidbaren?

Alberne Ouvertüre

Der mit gewaltigem Aufwand inszenierte TV-Movie Hindenburg versucht es vor allem mit einem sympathischen, sehr physischen Helden. Der bisher nur als Theaterschauspieler bekannte Maximilian Simonischek spielt Marten Kröger, einen jungen Zeppelin-Ingenieur, der die Hindenburg mit konstruiert hat.

Seine eigentliche Leidenschaft ist das Fliegen. Gleich zu Beginn des Films rast er mit halsbrecherischer Unbesorgtheit im selbstgebauten Segelflugzeug auf einen Abgrund zu: Dieser Bursche überlebt jede Katastrophe, natürlich auch eine Bruchlandung im See, wo er von der Tochter eines schwerreichen Amerikaners (gespielt von der Kanadierin Lauren Lee Smith) herausgefischt und wiederbelebt wird.

Diese alberne Ouvertüre wird auch noch von lauter Gitarrenmusik begleitet, und leider wird der Klangballast nicht leichter, wenn der Film einmal Fahrt aufgenommen hat.

Als Zuschauer erwartet man nach dieser Luftnummer das Schlimmste, wird dann aber mehrfach überrascht. Sehr lange haben die Produzenten von Teamworx, Sascha Schwingel und Jürgen Schuster, an einer halbwegs plausiblen Dramaturgie gearbeitet.

Sie konfrontieren reale Figuren wie den berühmten Luftfahrtpionier und Zeppelin-Chef Hugo Eckener (Heiner Lauterbach) mit fiktiven Figuren und inszenieren eine halbwegs glaubwürdige Verschwörung.

Der amerikanische Unternehmer Edward van Zandt (das ist der Vater der Lebensretterin des jungen Konstrukteurs) soll für die Deutschen im US-Kongress die Aufhebung des Helium-Embargos durchsetzen. Er zieht im Hintergrund die Fäden, während seine Tochter und seine Ehefrau den Linienflug von Frankfurt nach Lakehurst nehmen. Im letzten Moment soll Kröger die Frauen am Einstieg hindern.

Angeblich ist eine Bombe an Bord, und die Nazis sind an den dunklen Geschäften natürlich ebenfalls beteiligt. Helium ist der Stoff, den die Deutschen gerne hätten, weil er die Sicherheit der Zeppeline gewährleisten würde - in diesem Punkt haben sich die Filmemacher an die Realität gehalten.

Hindenburg soll für RTL ein quotenträchtiger Höhepunkt im Fernsehjahr 2011 werden. Es ist mit 10,5 Millionen Euro die teuerste Produktion des Kölner Senders aller Zeiten geworden. Deshalb arbeiten sich gleich eine Reihe prominenter Schauspieler am nationalen Mythos des modernsten Zeppelins ab.

Kompromisse in Richtung "Traumschiff"-Klientel

In nahezu gleichberechtigten Nebenrollen sind Greta Scacchi, Stacey Keach, Ulrich Noethen, Christiane Paul, Justus von Dohnányi und Wotan Wilke Möring zu sehen - der Film soll sich schließlich international verkaufen.

Die eigentliche Hauptrolle aber spielt das Luftschiff selbst, das für die Dreharbeiten teilweise originalgetreu nachgebaut wurde. Man spürt hier eine Liebe zum Detail, besonders was die Einrichtung angeht - die klaren Linien des Bauhausstils sind allerdings um ein paar kreative Designideen ergänzt worden, die aus einem James-Bond-Film stammen könnten.

Nie konnte man Kontinente schicker und sanfter überfliegen als im Bauch des coolen Luxusliners. Dort ist in der RTL-Version ein Psychokrieg entbrannt. Reiche jüdische Emigranten treffen auf Nazi-Kampfflieger, ein Varietékünstler entlarvt die Lebenslügen der Passagiere. Der schwer verliebte Kröger muss dabei viele Schläge einstecken.

Maximilian Simonischek ist eine Bereicherung, selbst wenn er Blut spuckt, wirkt der hochgewachsene Schauspieler wie ein glänzend frisierter Katalogkrieger - entdeckt wurde der Sohn des berühmten österreichischen Schauspielers Peter Simonischek für RTL in einer Berliner Shakespeare-Inszenierung, er gab den Romeo, auch eine Geschichte, die böse endet.

Ob das alles reicht, um den fiktionalen Zeppelin LZ 129 flottzukriegen? Das Projekt Hindenburg hat auch nach der digitalen Bildbearbeitung einige Schwächen, aber auch starke Actionszenen.

Einige Kompromisse in Richtung Traumschiff-Klientel hätte sich die Event-Abteilung schenken sollen, auch der aufdringliche Katastrophensound nervt ganz schön. Doch das Luftschiff schwebt, es wird vom Ehrgeiz eines Senders getragen, der es endlich mal wagt, ein heißes Aluminium anzufassen.

Teil 1 an diesem Sonntag, Teil 2 kommenden Montag, RTL, jeweils 20.15 Uhr.

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