TV-Talk zu Cybermobbing:Was erlaube Facebook?

Claus Strunz, Moderator der Sat.1-Sendung EinsGegenEins

Moderator Claus Strunz: Thema abgefrühstückt, Flasche leer.

(Foto: EinsGegenEins, Sat.1)

Machen uns soziale Netzwerke asozial? Claus Strunz geht mitten in der Nacht bei Sat 1 dieser Frage nicht wirklich nach. Stattdessen verleitet er in seiner Sendung "Eins gegen Eins" halbseidene Gäste wie Georgina Fleur und Niels Ruf zu Plattitüden und verkündet reißerisch: "Hier geht es um Sex und Angst und Facebook." Tut es aber nicht.

Eine TV-Kritik von Ruth Schneeberger

"Heute geht es hier um Sex und Angst und Facebook", kündigt Claus Strunz, ehemaliger Chefredakteur der Bild am Sonntag und damit sensationserprobt, zu Beginn seiner Talkshow in der Nacht zu Mittwoch bei Sat 1 an. Zum Boulevard-Stil passt, dass die beiden Mädchen, die er zum Schluss der Sendung dazu befragen möchte, anonym auftreten. Das macht es noch spannender - und vermeintlich allgemeingültiger.

Nach der Sendung aber mit vier weiteren Gästen, die absurderweise "Eins gegen Eins" heißt, dürfen die so reißerisch angekündigten Mädchen dann nur noch ganz kurz erzählen, dass sie mit ihrer Aktion "Wir machen das Maul auf" anderen Mädchen helfen wollen, deren Nacktbilder bei Facebook unerlaubt gepostet werden. Und dass sie damit nicht berühmt werden möchten, sondern nur nützlich. Das war's dann schon mit "Sex und Angst und Facebook" - die Schlagworte sind gefallen, für mehr bleibt keine Zeit.

So oberflächlich, nahezu erkenntnislos, abgehackt und unnötig verflacht gestaltet Strunz die gesamte Sendung - immerhin 50 Minuten lang. Mit zugleich heruntergezogenen und lächelnden Mundwinkeln, was man auch erst mal schaffen muss. Ähnlich schwierig wie diese mimische Glanzleistung müsste es eigentlich sein, eine Talkshow mit dem Titel "Machen uns soziale Netzwerke asozial?", die sich fast schon von selbst moderieren müsste, von vorne bis hinten zu versemmeln. Aber Strunz (der auch schon mal die Sendung "Was erlaube Strunz?" moderierte) zeigt an diesem Abend, dass auch das möglich ist.

Erkenntnisgewinn? Strebt gegen null

Womöglich ist das alles auch nicht nur seine Schuld. Womöglich sind die 23-jährige Georgina Fleur, die als Bachelor-Kandidatin im Privatfernsehen bekannt und im Dschungelcamp gehasst wurde, und Niels Ruf, der an diesem Abend 40 wurde, als Kamikaze-Moderator bei Viva bekannt und durch sexistische und homophobe Sprüche ebenfalls verhasst wurde, auch einfach schwierige Gäste. Sie reden ohne Punkt und Komma - und vor allem so gut wie ohne Sinn. Wenn diesen beiden in der Frage des Abends strittigen Kontrahenten (die eine Opfer von Spott und Häme im Netz, der andere teilt unter anderem ebendort gerne aus) nun auch noch zwei weitere Gäste zur Seite gestellt werden, die ebenfalls nur teilweise Erhellendes zum Thema beizutragen haben, macht es das Ergebnis nicht besser.

Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär schwärmt davon, wie schön es sei, dass über die sozialen Netzwerke die Hemmschwelle sinke - nämlich die für Wähler, sie als Politikerin zu kontaktieren. Die Psychotherapeutin Franziska Kühne warnt davor, dass die Hemmschwelle sinke - nämlich die für gestörte Persönlichkeiten, ihre sozialen Störungen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Macht das Internet asozial?

Wenn dann noch ein per Video gefilmtes "Experiment" zur Entscheidungsfindung beitragen soll, das daraus besteht, dass einem Radiomoderator namens "Basty" des Berliner Senders Kiss FM vier Tage lang das Surfen in sozialen Netzwerken verboten und das Smartphone abgenommen wird und der gute Mann am Ende wenig dazu sagen kann, außer dass ihm jetzt aufgefallen sei, wie unangenehm die Menschen in der U-Bahn seien, was er sonst nicht merke, weil er immer mit dem Handy beschäftigt sei - ja, was soll man daraus nun schließen? Das Einzige, was ihm in seiner Social-Media-Abstinenz zur Ablenkung getaugt habe, sei ein Buch gewesen, beteuert der Radiomoderator.

Boulevardesk und billig

Der Trend geht also nicht mehr zum Zweitbuch, das ist vielleicht eine der Erkenntnisse des Strunz'schen Abends, eine andere lautet: Irgendwie kommt das nicht so gut mit den ganzen Showlichtern im Studio, wenn man eine Talkshow, die keine ist, als politisch verkaufen möchte, was sie auch nicht ist.

Boulevardesk, billig gemacht, Erkenntnisgewinn tendiert gegen null, vom angekündigten Thema Cybermobbing kaum eine Spur - was erlaube also Strunz, diese Sendung nun schon durch die vierte Staffel zu führen?

Es liegt wohl an genau jener Mischung, die den Abend so lapidar machte, aber gleichzeitig auch der Bild-Zeitung zu vielen Käufern verhilft: Ein Thema zum Aufreger stilisieren, das möglichst viele anspricht - und dann seicht und bedeutungslos wieder abmoderieren, so dass keiner wirklich böse ist, die Welt sich aber weiterdreht. So funktioniert "Eins gegen Eins". Macht uns das als Zuschauer nun auch ein bisschen asozial? Vielleicht.

Die Zuschauer im Saal stimmten jedenfalls am Ende der fragwürdigen Sendung ab: 39 Prozent dafür, 61 dagegen, dass soziale Netzwerke "uns" asozial machen. Trendbarometer abgehakt, Thema abgefrühstückt, Flasche leer.

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