TV-Signale:Wenn der Nachbar immer schon früher jubelt

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Bis zu 100 Sekunden dürfen zwischen dem Ereignis und dem Fernsehbild liegen, damit eine Livesendung als solche gilt. (Foto: dpa)

"Live" heißt manchmal "live plus fünf Sekunden". Denn manche TV-Signale werden schneller übertragen als andere. Aber warum ist das so?

Von Morten Luchtmann

Dass Shkrodan Mustafi mit seinem Kopfball die Deutschen gegen die Ukraine in Führung brachte, war einigen schon klar, als Toni Kroos zum Freistoß anlief. Nicht, weil Kroos' Freistöße immer den Richtigen erreichen würden. Sondern weil kurz zuvor von der Kneipe an der Ecke bereits lauter Jubel ins Wohnzimmer herüber dröhnte. Wenige Sekunden reichen aus, um das Gefühl zu zerstören, live dabei zu sein.

Bis zu 100 Sekunden dürfen zwischen dem Ereignis und dem Fernsehbild liegen, damit eine Livesendung als solche gilt. Grund für die unterschiedlichen Jubel-Zeiten sind verzögerte Fernsehsignale durch unterschiedliche Übertragungswege. Die Livebilder brauchen bei Kabel- und IPTV-Übertragung spürbar länger als bei der Satellitenübertragung. Wie viel länger genau, kann man nun sogar mit einer App messen.

Kameras zeichnen im Stadion Dribblings und Blutgrätschen auf und schicken sie an die Sendestationen von ZDF, ARD und Sat 1. Diese stellen die Fernsehbilder zusammen und liefern sie an die Satelliten- und Kabelbetreiber. Und die wiederum schicken sie dann auf die Bildschirme der Zuschauer. Hier liegt die Ursache für die verspäteten Fernsehsignale.

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Wer unbedingt ohne Spoiler vom Nachbarn in Torjubel ausbrechen will, sollte sich einen Fernseher mit Satellitenanschluss suchen. Da die Signale direkt vom Satelliten in die Empfängerschüssel übertragen werden, ist dieser Übertragungsweg am schnellsten. Zusammen mit dem neuen DVB-T2-Signal habe Satellitenfernsehen die geringste Verzögerung, dicht gefolgt von Satellitenfernsehen in HD und dem älteren DVB-T, hat die Technikseite heise online in einem Test herausgefunden. DVB-T2 wird zwar in Deutschland bisher nur in Ballungsgebieten übertragen, liefert aber Bilder in HD.

App misst, wie langsam die eigene Übertragung ist

Wer einen Kabelanschluss hat oder über das Internet schaut, macht vielleicht besser die Fenster zu: Kabelbetreiber schicken das Fernsehbild erst an Knotenpunkte, von denen es zum Empfänger weitergeleitet wird - und das dauert. Je näher der eigene Anschluss an einem Knotenpunkt ist, desto früher sieht der Empfänger den Ball im Netz zappeln. Beim heise-Test war das vier bis acht Sekunden später als beim Satellit. Analoges Kabel hat dabei noch den geringsten Verzug.

Am langsamsten ist das Internetfernsehen IPTV. Verzögerungen von bis zu einer Minute drohen, weil die digitalen Bilder auf einem Server zwischengespeichert und vom Computer noch mal gebuffert werden. Deswegen laufen vor allem Zuschauer, die die Europameisterschaft per Livestream im Netz verfolgen, Gefahr, den Spielstand schon zu kennen bevor der Torzähler ihn anzeigt.

Wer testen will, wie langsam die eigene Übertragung ist, kann dazu nun die App "Torjubel Checker" benutzen. Die App ist kostenlos und wird von der Firma HD plus angeboten, Tochterunternehmen eines Satelliten-Betreibers - der damit natürlich letztlich auch Werbung für das eigene System macht.

Sie funktioniert so ähnlich wie Shazam, die App, die Musik durch Zuhören erkennen kann: Per Knopfdruck nimmt der "Torjubel Checker" drei bis fünf Sekunden Tonsignal der Live-Übertragung auf. Dabei vergleicht sie den Tonschnipsel mit der Originalaufnahmen auf den Servern der Sendestationen und zeigt an, wie weit die eigene Sendung hinterherhinkt.

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Die App zu nutzen, ist aber wahrscheinlich erst für das nächste Spiel nach der Tempo-Messung wirklich nützlich: Dann kann man sich einen Ort und Fernseher mit geringer Verzögerung suchen. Oder man schaut gleich in einer Kneipe, in der die Stimmung so gut ist, dass man von außen sowieso nichts mehr hört.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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