TV-Sender Sixx:Freisaufende Hühner

Von wegen nur Gurkenmasken: Mit dem Frauensender Sixx hat TV-Managerin Katja Hofem-Best eine Nische besetzt, die abseits der Klischees unterhält. Für ihre "Oase für Frauen" musste sie manche Konzepte von Männern brechen. Am Ende ihrer Ideen ist sie aber noch lange nicht.

Simon Feldmer

Es gibt natürlich wichtigere Dinge als Gurkenmasken. Auch im Leben von Katja Hofem-Best. Dennoch hat die Fernsehmanagerin, als sie vor anderthalb Jahren ihren Schreibtisch in einem schmalen Büro mit gläsernen Trennwänden auf der Geschäftsführeretage des Münchner Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1 bezog, erstmal gegen Gurkenmasken gekämpft.

Cougar Town / Wer sagt es Bobby?

"Modernes Frauenentertainment" nennt Katja Hofem-Best das, was Sixx seinen Zuschauern bieten will. Seit dem Sendestart im Mai 2010 ist das zum großen Teil reichlich amerikanische Serienware mit femininem Schwerpunkt wie etwa Cougar Town mit Courtney Cox und Josh Hopkins.

(Foto: © 2009 ABC INC.)

Ihre männlichen Kollegen hatten sich das so gedacht: Ein neuer Frauensender mit Wohlfühlstimmung, passt da nicht wunderbar ein Model mit Quark und Grünzeug im Gesicht als Werbebotschafterin? Doch dann kam Hofem-Best. Sie kippte, entscheidungsfreudig wie Manager nun mal sein müssen, sechs Wochen vor dem Start des Frauensenders Sixx, die Idee und ließ ein Huhn zeichnen, das seitdem als Werbestar wirkt. Noch heute ist sie stolz auf diese Entscheidung.

Vermutlich hat Hofem-Best, die 41-jährige Sixx-Geschäftsführerin, diese Anekdote auch im Kreis ihrer "Managerinnen-Initiative Heiligendamm" schon zum Besten gegeben. Dort ist der tagtägliche Kampf mit männlich dominierten Führungsetagen das verbindende Thema. Vor kurzem haben die Managerinnen der Bundeskanzlerin einen Brief geschickt und "die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte bis Ende 2012" gefordert. Spiegel-Online-Geschäftsführerin Katharina Borchert hat unterschrieben, Unternehmensberaterinnen, die Geschäftsführerin eines Flughafens und die Sixx-Chefin.

Im Programm ihres Frauensenders würde eine Diskussion über Frauenquote und Karrierechancen nicht stattfinden. "Wenn Männer Sport 1 schauen, ist alles o.k. Nur bei Frauen verlangt man, dass sie sich selbst dann, wenn sie sich entspannen wollen, mit den Problemen des Frauseins beschäftigen", sagt Hofem-Best. Nein, mit Problemen belastet wird bei Sixx niemand, es sei denn, es geht ums Abnehmen oder das passende Outfit. Eine "Oase für Frauen" soll das Programm sein. Irgendwie ist dem Hühnersender die Gurkenmaske als großes Thema erhalten geblieben.

Auf Sixx wird seit dem Senderstart im Mai 2010 die Zielgruppe mit reichlich amerikanischer Serienware wie Desperate Housewives, Grey's Anatomy und Gossip Girl oder gefühligen Spielfilmen wie Der ewige Gärtner vom Alltag abgelenkt. Auch eine Antwort auf die Frage, wie man mit dem richtigen Outfit fünf Kilo wegmogeln könne, ist zu bekommen. Sixx-Experten raten zu dunkler Kleidung, aber auch großflächigen Mustern auf Hose oder Bluse. Ein Gespräch mit Katja Hofem-Best bekommt also nicht automatisch eine gesellschaftspolitische Dimension. In ihrem Fernsehmanagerinnenleben dreht sich zwar vieles um Quoten. Allerdings im Sinn von TV-Marktanteilen.

Hofem-Bests Job ist die Suche nach den vermeintlich letzten Lücken im Zuschauer- und Werbemarkt, nach "Zielgruppen mit einem einheitlichen Lebensgefühl". So nennt die gebürtige Aalenerin ihre Feldforschungsmethode, die zum Ziel hat, der von Finanzinvestoren gesteuerten Pro Sieben-Gruppe im TV-Markt einen unternehmenspolitisch ambitionierten Anstrich zu verpassen. In ihren Sätzen kommen häufig Wörter wie "Frames" oder "Moves" vor. Die schwäbischen Wurzeln hört man in Hofem-Bests Sätzen durch, das gibt ihnen trotz Businessenglisch etwas Bodenständiges. Im Körbchen mit Kuscheldecke vor Hofem-Bests Schreibtisch schläft Hund Tilly. "Modernes Frauenentertainment" nennt sie das, was Sixx bieten will.

Männersender, Frauensender

In den Büros nebenan haben die Geschäftsführer der Schwestersender Pro Sieben und Kabel 1 ihre Plätze. Man sitzt sich ein bisschen auf der Pelle, fast wie im TV-Markt. Die zierliche TV-Managerin mit den blonden langen Haaren berichtet, dass ihr Sender gerade nach und nach in die analogen Kabelnetze Einzug hält. 30 Millionen Haushalte, haben sie im Konzern ausgerechnet, können Sixx mittlerweile empfangen, theoretisch. Über ihrem Drehstuhl hängt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Freisaufende Hühner". Die Sixx-Chefin war gerade mit Freundinnen ein paar Tage auf Mallorca.

Nach einem Jahr ist der Spartenkanal bei 0,4 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Fernsehzuschauer angekommen. Ab einem Prozent Marktanteil kann man Werbepreise verlangen, die Geld in die Kassen spülen, so eine Faustregel von TV-Machern. 2012 soll es bei Sixx schon so weit sein, das ist zumindest der Plan. Offenbar kann man sich das bei der neben RTL größten privaten TV-Gruppe tatsächlich als relevantes Geschäftsfeld vorstellen: Neue Sender mit Marktanteilen in diesem Prozentbereich.

Der Kuchen sei weitgehend verteilt, sagt Hofem-Best, die einst für den US-Konzern Discovery den Männersender Dmax mit aufgebaut hat und als Unterhaltungschefin von RTL Big Brother nach Deutschland holte. Männersender, Frauensender, Sender für spezielle Interessen: Wenn man die Krümel zusammenkehre, werde auch wieder ein Stück Kuchen daraus, sagt die Fernsehmanagerin. So kann man das sehen.

Bei Sixx laufen vor allem Einkäufe der Muttergesellschaft. Eigenproduktionen gibt es derzeit genau drei im Programm, darunter ein Mode-Magazin, das so ähnlich schon mal bei Viva gelaufen ist, und ein Frauentratschabend mit Bunte-Prominenten. Immerhin hat Hofem-Best gerade Jamie Oliver mit seinen Kochshows in Lizenz eingekauft. Auch Reisedokus und ein Weihnachts-Spezial bringt Oliver mit. Und dennoch: Ein Großteil der Investitionen zum Aufbau des Senders fließt nicht ins Programm, sondern in den Reichweiten-Ausbau. Hofem-Best schafft es dennoch, den Eindruck zu vermitteln, als würde sie Frauen endlich einen eigenen Fernsehsender schenken.

Andreas Bartl, der Fernsehvorstand des Münchner Pro-Sieben-Konzerns, sieht in der Sixx-Chefin die Frau für die Wachstumsphantasien im Nischen-TV. Die sind nötig, denn Pro Sieben oder Kabel 1 haben ihr Zuschauerpotenzial anscheinend derzeit weitgehend ausgereizt. Oder sie schwächeln wie der Familiensender Sat 1, der im Juli auf 10,1 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der jungen Zuschauergruppe abgesackt ist. Mit dem Gewinnspielsender Neun Live wurde gleich ein ganzer Kanal beerdigt. Da kommt es gelegen, dass Hofem-Best den Werbekunden neue Geschichten erzählen kann. Ihr Bauchgefühl sage ihr, dass es sich lohne, Richtung Teenager zu denken, erzählt sie heute. Das Justin-Bieber- und Hannah-Montana-Publikum vertrage vielleicht einen eigenen Sender.

Weiter fortgeschritten sind die Planungen für einen Best-Ager-Kanal. Zielgruppe: 50 bis 65 Jahre, also öffentlich-rechtliches Kernpublikum. Vom Hartz-IV-Empfänger bis zum wohlsituierten Rentner wurden 30 Beispielbiografien durch die Marktforschung getrieben. Über Gott, die Welt und das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen hat man gesprochen. Gut gefallen hat Hofem-Best, dass ein Teilnehmer gesagt hat: "So alt kann ich gar nicht werden, dass mir Florian Silbereisen gefallen könnte." BBC-Dokus, Events, Reise- und Genussthemen sollen deshalb auf ihrem nächsten Sender laufen. Die konkrete Planung soll bis Ende des Jahres vorliegen. Hofem-Best wird sicher auch für diesen Sender ein schönes Symbol finden, das einem Mann niemals einfiele.

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