TV-Moderator:Raab hört einfach auf - sagt er

Er war Garant für kreativen und wirtschaftlichen Erfolg. Nun verabschiedet sich Stefan Raab vom Fernsehen. Pro Sieben hat damit ein dickes Problem: Wie all die Sendeplätze füllen?

Von Hans Hoff

Wenn Harald Schmidt dieser Tage gefragt wird, was er denn gerne als Berufsbezeichnung hört, sagt der 57-Jährige schon mal "Privatier mit abgeschlossener Vermögensbildung". Es ist eine Formulierung, die auch auf Stefan Raab gut passen würde. Der ist zwar neun Jahre jünger als Schmidt, kann aber auf eine viel umfangreichere Fernsehgeschichte zurückblicken.

Will man die ermessen, muss man nur mal einen Blick auf die Zahl werfen, die Pro Sieben am Mittwochabend mit Raabs Abschlusserklärung verbreitete. Exakt 2180 Mal habe der einstige Metzgerlehrling bisher die Sendung TV total in seinen 16 Jahren beim Sender moderiert. Da sind die vielen Sondershows, von Schlag den Raab über die Wok-WM bis hin zur TV total Stock Car Crash Challenge noch gar nicht eingerechnet.

"Ich habe mich entschlossen, zum Ende dieses Jahres meine Fernsehschuhe an den Nagel zu hängen." So lautete der große Satz, der das Ende einer Ära ankündigte. Raab ließ ihn verbreiten und betonte gleichzeitig, dass er im Frieden von Pro Sieben scheide. Dieses Statement war offenbar notwendig geworden, nachdem sich in den vergangenen Monaten Meldungen verdichteten, dass es zwischen Star und Sender kriselte. Man habe ihm eine mehrjährige Vertragsverlängerung angeboten, verkündete Raab. Zu welchen Konditionen dieser Vertrag verlängert werden sollte, sagte er nicht. Er habe seine Entscheidung "nach reiflicher Überlegung und mit Überzeugung getroffen", fügte er noch hinzu.

Nur die halbe Wahrheit

Liest man die Presseerklärung genau, fällt schnell auf, dass Raab zu seinen Motiven nichts sagt. Gar nichts. Er hört einfach auf. Sagt er.

Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit, denn schließlich war Raab schon früh bekannt als Teilhaber an einem verflochtenen Fernsehgeschäft, das von Raab TV bis zu Brainpool reicht. Er hat also nicht nur als Moderator Honorar kassiert, sondern konnte auch die Hand aufhalten, wenn die von ihm mitverantworteten Sendungen ein Plus erwirtschafteten.

Raab war halt schon immer dafür bekannt, überall mitzumischen. Sein Einsatz galt vielen jahrelang als Garant für kreativen und wirtschaftlichen Erfolg. Als Raab sich mit der ARD beim Eurovision Song Contest verbündete, landete Lena auf Platz eins. Als er die Verbindung löste, sank der ESC-Stern. Mit Schlag den Raab hat der Kölner die einzige wahre Show-Innovation des neuen Jahrtausends geschaffen, und als Musiker konnte er eine Zeit lang Lieder nach Belieben in die Charts transportieren. Er galt als König Midas der deutschen Fernsehunterhaltung.

Dass sich in den vergangenen Jahren lange nicht mehr alles, was Raab anfasste, in Gold verwandelte, fiel indes auf. TV total setzte noch mehr Patina an, als eh schon auf der angeranzten Kulisse lastete, und die groß aufgeplusterten Events, vom Turmspringen bis zum Parallelslalom, lösten immer seltener große Quoten geschweige denn Begeisterung aus. Selbst in der Paradedisziplin Schlag den Raab zeigte der Erfinder Schwächen. Nicht so sehr in Sachen Ehrgeiz und Schlagfertigkeit, aber es war dem Namensgeber der Show doch zunehmend anzusehen, dass die Show mehr forderte, als sein Körper zu geben bereit war.

Da Raab sich zu seinen Motiven nicht äußert, schießen natürlich die Spekulationen ins Kraut: Er habe halt begriffen, dass sein Stern den Sinkflug angetreten habe, dass seine Shows nicht mehr so recht in die Zeit passen, dass er mit seinen 48 Jahren selbst bei ARD-Rundfunkräten nicht mehr als Jüngling durchgeht. Da aber Raabs Formate allesamt eine gewisse Jugendlichkeit erfordern, tat sich da eine immer größere Spalte zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf.

Jan Böhmermann ist inzwischen der Freche und Unkonventionelle

Stefan Raab; Pro Sieben

Respekt, Herr Raab: Der Entertainer hat viel geleistet fürs Fernsehen - und vor allem für Pro Sieben.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Wie sehr die Zeit an Raab genagt hat, sieht man derzeit sehr schön, wenn man die Homepage von TV total aufruft. Da stehen Clips aus alten Zeiten bereit, die teils einen sehr jungen Stefan Raab zeigen und sofort die Erinnerung wecken an jene Zeiten, als Raab noch als frech und unkonventionell galt. Als einer, der den Schalk im Nacken hatte, dem man nicht über den Weg trauen durfte, weil man sonst Gefahr lief, Opfer seiner Streiche zu werden. Längst haben diese Funktion jüngere Kollegen übernommen. Jan Böhmermann ist inzwischen der Freche und Unkonventionelle, dem man nicht trauen sollte.

Weil Raab schon lange finanziell ausgesorgt haben dürfte, bedurfte es nur noch eines kritischen Blicks auf sinkende Quoten einerseits und die auf ständigem Sparkurs schippernde Fernsehwirtschaft andererseits, um Raab zur Aufgabe zu bewegen. Zudem dürfte auch die blätternde Kulisse im TV total-Studio eine Rolle gespielt haben. Die kann den Anforderungen einer modernen HD-Fernsehtechnik nicht mehr sehr lange standhalten. Ein teurer Umbau wäre demnächst unvermeidlich gewesen. Da kommt die Verschrottung allemal billiger.

Raab soll gerne als Hobbypilot unterwegs sein, heißt es. Er kann es sich leisten bei einem Vermögen, das auch schon mal im dreistelligen Millionenbereich verortet wird. In der bundesweit verbreiteten Radioshow "Sanft & Sorgfältig" spielt Jan Böhmermann gerne den leicht gelangweilten und überlasteten Moderator, der nach der Sendung schnell zum Flughafen muss, um mit seinem Privatflugzeug ins Ausland zu fliegen, wo er sich gerade ein Haus als Rückzugsort baue. Nie würde Böhmermann bestätigen, dass er damit auf Raab anspielt, aber wenn man eins und eins zusammenzählen kann, liegen die Assoziationen quasi auf der Straße.

Neben Heidi Klums Magermodelparade ist nicht mehr viel

Während also Raab demnächst quasi sorgenlos über den Wolken schweben kann, offenbart sich für seinen alten Sender ein großes Dilemma. Pro Sieben muss sich nun nämlich mit der Frage befassen, wie man all die Sendeplätze füllt, die frei werden. Der Sender, der zunehmend wirkt, als fülle er jede nur erdenkliche Sendeminute mit alten und neuen Folgen amerikanischer Sitcoms, könnte natürlich auch auf Raabs Plätzen The Big Bang Theory senden. Aber dann käme auch noch das letzte Stückchen Glaubwürdigkeit abhanden, würde auch der letzte Zuschauer merken, dass da neben Heidi Klums Magermodelparade nicht mehr viel ist, was nach Zukunft riecht.

Circus Halligalli allein wird es wohl kaum richten können. Und auch die Hoffnung, dass Joko & Klaas mit weiteren Shows als die Sendergesichter zu etablieren wären, ist eine, die sich der kreativen Übersichtlichkeit der Show verschließt. Selbst wenn man die ewigen Kumpels auseinanderreißen und Joko und Klaas separat vermarkten würde, wäre das kaum eine Lösung.

Wenn Raab sich nun also einreiht in die Reihe der Zurücktreter Schmidt und Jauch, sollte man indes nicht verkennen, dass damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Mit einem wie Raab ist auch weiterhin zu rechnen. Wenn er sagt, er hänge die Fernsehschuhe an den Nagel, schließt das ein Auftauchen im Internet nicht aus. Raab ist nicht der Typ, der gar nichts tut. Er wird weiter mitmischen wollen, nur halt nicht mit den Verpflichtungen, die so ein fester, mehrjähriger Vertrag mit sich bringt.

Zudem wäre er nicht der erste Prominente, der mit einem Rücktritt vom Rücktritt Schlagzeilen macht. Wenn Gottschalk mit einem Wetten, dass..?-Event liebäugelt, kann man sich auch Raab als Wiedergänger vorstellen. Möglicherweise ist die Chronologie seines angekündigten Fernsehtodes dann gar keine endgültige, möglicherweise ist sie dann nur eine übergroße Stellenanzeige. Seht her, ich bin zu haben. Man wird noch hören von Stefan Raab.

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