TV-Kritik: Wetten, dass..?:Wie Berlusconi auf Viagra

Catherine Deneuve im "Playboy", Faux-pas von Markus Lanz und Michelle Hunziker im Liebestöter: Thomas Gottschalk lässt sich trotz Japan und Libyen vom Instinkt leiten - und führt eindrucksvoll vor, wie hoch die Latte für alle möglichen Nachfolger liegt.

Rupert Sommer

Kein Wort zu Japan, keines zu Libyen, dafür einige nicht ganz geschmackssichere Herrenwitze, viel Teenie-Gekreische für Justin Bieber und Bruno Mars sowie einen dicken Kuss und ein Geschenk von Michelle Hunziker ("Ich bleibe ja bei dir - für immer", schwärmte sie): Thomas Gottschalk ließ es sich in seiner vorletzten Show als scheidender Wetten, dass ..?-Moderator gutgehen - und genoss seinen pannenfreien Heile-Welt-Abend in Augsburg.

Souverän betreut von seiner charmanten Ko-Moderatorin hätte der 60-jährige ZDF-Erfolgsgarant auch durch die Show schlafwandeln können. Stattdessen durchmaß er in den üblichen knapp drei Stunden noch einmal das gesamte familienfreundliche Gottschalk-Universum und führte eindrucksvoll vor, wie hoch die Latte für alle möglichen Nachfolger liegt. In der ersten Sendung nach seiner Ankündigung, beim großen TV-Familiendampfer von Bord zu gehen, wirkte Gottschalk entspannt wie zuletzt selten - und leitete seinen Abschied auf Raten ein. Dass ihm dies sichtlich Freude macht, merkte man in jedem aufgekratzten Moment. Jetzt folgt noch Ende April eine Sendung aus Offenbach, dann die große Mallorca-Spezialausgabe im Juni - und drei Best-of-Ausgaben im Herbst. Mit jeder Show dürfte Gottschalks Ruhm steigen.

Denn diesmal ging Wetten, dass..? in die Vollen: Unruhige Zapper, die sich nach der ausgedehnten Krisenberichterstattung samt Sondersendungen und Brennpunkten auf die Suche nach etwas Entspannung begeben hatte, durften sich beim Auftritt des gerade mal 17-jährigen Mädchen-Schwarms Justin Bieber, der zusammen mit finster konstümierten Ninja-Tänzern zu seinem Welthit "Never Say Never" große Gesten übte, fast schon auf dem falschen Sender wähnen, erinnerten die Szenen doch sehr an die Glitzerwelt von DSDS. Nur dass Gottschalks Superstar ein echter war, was die hyperventilierenden Fans im Saal lautstark bezeugten.

Ein Abend der Gegensätze: Später parlierte Gottschalk mit Catherine Deneuve über die Wertschätzung des Kunstfilms dies- und jenseits des Rheins. Auf Augenhöhe, versteht sich und wie unter guten Freunden. Die Grande Dame des französischen Kinos war bereits zum dritten Mal in der Sendung zu Gast. Nach der hochkulturellen Pflichterfüllung folgte der Moderator wieder dem Lustprinzip: Gottschalk versenkte sich vor den etwas pikierten Augen der Diva in eine 1965er Ausgabe des Playboy, in der sich die Deneuve einst entblättert hatte. Dass sein Französisch hoffnungslos ist und das Gewürzgürkchen "Cornichon" keine entfernte Sprachverwandschaft mit dem "Kaninchen" hat, an das der Bunny-Liebhaber angesichts des Titelbilds denken musste, darüber sah die Französin großmütig hinweg. Wenn's allzu peinlich zu werden droht, weiß Gottschalk ja immer noch das polyglotte Sprachgenie Hunziker an seiner Seite. Die hilft bei Schnitzern gerne weiter und lächelt vieles bezaubernd beiseite.

Als dann auch noch Udo Jürgens, der mit 76 Jahren unwiderstehlich agil wirkende Entertainer, auf das berühmte Sofa kam, war es die Zeit gekommen, unter Männern den künstlerischen Nachlass zu regeln. Gottschalk erinnerte das Publikum daran, dass der Sänger 1993 bereits den Musikpreis Echo für sein Lebenswerk verliehen bekam und nun natürlich trotzdem mit seinem neuem Album "Der ganz normale Wahnsinn" voll im Rampenlicht steht.

Gottschalk, der durch seinen Ausstiegs-Coup die eigene Legenden-Bildung geschickt wieder selbst in die Hand nahm, nachdem seine Karriere durch den Stunt-Unfall von Samuel Koch auf ihrem Tiefpunkt angelangt war, wird am 1. April in Marl mit dem Adolf-Grimme-Preis für sein Lebenswerk geehrt. Deswegen wollte er von Jürgens scherzhaft wissen, ob denn "danach noch was kommt". Die Frage musste Jürgens jedoch gar nicht beantworten. Der Ruhestand käme für Gottschalk trotz allen Kokettierens noch viel zu früh - selbst wenn ein wenig Französisch-Training kein schlechtes Pensionisten-Hobby wäre.

Sollte Gottschalks ZDF-Kollege Markus Lanz, der angeblich auf speziellen Wunsch von Michelle Hunziker in die Sendung kam, jemals im Stillen damit geliebäugelt haben, sich in die Riege der Kandidaten einzureihen, die nur darauf warten, den blonden Hünen zu beerben, dürfte er nach seinem Live-Erlebnis vermutlich nachdenklicher werden. Während Gottschalk nämlich gekonnt den lieben Onkel spielte, als sich die Fans im Publikum für Justin Bieber fast zerrissen, verpatzte Lanz gleich seinen ersten Redebeitrag. Als er sich zu Gottschalk setzte, um reichlich durchsichtig für die letzten beiden Folgen seiner ZDF-Südpol-Expedition zu werben, brachte er den Saal gegen sich auf. "Wie fertig sind diese Kinder", wollte er ernsthaft von Gottschalk wissen und spielte auf die Bieber-Euphorie der jungen Fans an. Der konterte geschickt: "Vorsicht, die werfen mit Zahnspangen", wies er Lanz zurecht.

Gottschalk selbst wusste den eher wortkargen, leicht eingeschüchterten Jungstar deutlich besser zu nehmen. Er holte Bieber jovial in die Runde und sorgte sich darum, "dass er uns nicht in die Sofaritze fällt." Dabei sparte auch Gottschalk nicht mit Häme und gestand offen ein, dass er sich Biebers aktuellen Kinofilm nicht freiwillig angesehen hatte - und trotzdem als Fan herauskam. Der junge Superstar wirkte zufrieden und ließ sich brav als Wunderkind vorführen. Onkel Thomas zuliebe löste er zügig, wenn auch nicht wirklich rekordverdächtig schnell, Rubiks Zauberwürfel.

Doch diesmal machte Gottschalk den Teenies gleich doppelte Freude. Auch Bruno Mars, der eine überzeugend abgeklärte Variante seines Charterfolgs "Grenade" einspielte, wurde aus der Wundertüte gezaubert. Und natürlich setzte erneut begeistertes Kreischen ein. Als dann sogar ein junges Mädchen auf die Bühne sprang, um den Sänger zu herzen, gab sich Gottschalk gerührt. "Würde eventuell jemand bereit sein, in meinen Armen zu zittern?", fragte er in die Zuschauerränge. Und Schwiegermütter-Herzen bebten.

Doch trotz aller Goldigkeit blitzte auch immer wieder die eher halbseidene Seite des Gottschalk-Charmes auf. Nichts Passenderes als den Vergleich mit einer "Geburt rückwärts" assoziierte er etwa spontan, als er die "Kokowääh"-Darstellerin Jasmin Gerat, die zudem zu seinem ausdrücklichen Bedauern auch noch einen Hosenanzug trug, in eine überdimensionierte Kegel-Kugeln klettern ließ.

Vom Vamp zum Hausmütterchen

Seine Aufpasserin Hunziker endgültig zum entrüsteten Aufjapsen brachte er allerdings, als er sich von ihr zum wiederholten Mal die Wettkonditionen einer Schweizer Außenwette erklären ließ. 20 starke Tessiner zogen hierbei einen Eisenbahnwagen mit Muskelkraft eine Bahnrampe hinauf. "Sieben Prozent Steigung in drei Minuten", sagte Gottschalk. "Das schafft der Berlusconi, wenn er Viagra nimmt."

TV-Kritik: Wetten, dass..?: "Ich bleibe ja bei dir - für immer": Ko-Moderatorin Michelle Hunziker schwärmt mal wieder für ihren Wetten, dass..?-Ziehvater Thomas Gottschalk.

"Ich bleibe ja bei dir - für immer": Ko-Moderatorin Michelle Hunziker schwärmt mal wieder für ihren Wetten, dass..?-Ziehvater Thomas Gottschalk.

(Foto: AFP)

Ernsthafte Kritik an seinem Stil, etwa an den gelegentlich doch recht derben Zoten, wird an Gottschalk jetzt ohnehin abprallen. Stattdessen kann er sich seiner Abschiedsbilanz rühmen: Mit den harmlosen, aber beim Publikum durchaus beliebten neuen Wettideen hat er das zuletzt konzeptionell irrlichternde Wetten, dass..? wieder auf sicheren Zukuftskurs gebracht. Diesmal wurde ein junger Mann Wettkönig, der weltweit beliebig ausgewählte Satellitenbilder sicher zuordnen konnte. Dass nicht zufällig auch Luftaufnahmen der nordafrikanischen Wüste oder aus Nordjapan dabei waren, wird man Gottschalk nachsehen.

Und doch lässt sich die beeindruckend abwechslungsreiche Bandbreite seiner Show diesmal ausgerechnet an Michelle Hunziker veranschaulichen: Wurde sie eingangs angesichts ihres ansehnlichen, durchaus gewagten Dekolletés von Gottschalk noch mit den üblichen Doppeldeutigkeiten begrüßt und vermeintlich auf ihre Rolle als Augenweide reduziert ("Schick, aber sehr züchtig", scherzte Gottschalk gönnerhaft über ihre Abendgarderobe), drehte die Co-Moderatorin im Laufe der Sendung den Spieß um. Und das ist fast wörtlich zu nehmen: Als Gottschalk ihr trotz High Heels und figurbetonten Kleides einen Handstand abnötigte, verrutschte zwar erwartungsgemäß der Rock - darunter kam aber geblümte Liebestöter-Unterwäsche zum Vorschein. Vom lasziven Vamp hin zum braven Hausmütterchen, und das über drei Stunden hinweg. Auch diese Wandlungsfähigkeit versinnbildlicht die Wetten, dass ..?-Formel.

Gottschalk hatte jedenfalls Spaß an seiner Sendung. Und der übertrug sich beim Zusehen. Volker Paul, dem introvertierten Autoverkäufer, der mit atemberaubender Ruhe fünf Bowling-Kugeln und zwei Pins aufeinander schichtete, verriet er ganz nebenbei sein Erfolgsrezept. Immerhin liebäugelt der geschickte, aber etwas schrullige Balancierer selbst mit dem Showgeschäft. Von Gottschalk konnte er also etwas lernen: Es gehe darum, so der ZDF-Mann, "Dinge vorzuführen, die die Welt nicht braucht - aber bei denen es schön ist, dass es sie gibt."

Dass Gottschalk in einer mustergültig ablaufenden Show keinerlei Worte für das triste Weltgeschehen fand, war vermutlich auch seinem schier untrüglichen Entertainer-Instinkt geschuldet: Er schützt sich nämlich so davor, die falschen zu wählen. Und macht stattdessen wieder einmal vieles richtig.

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