TV-Kritik: Unser Song für Deutschland:Super, super!

Im zweiten Halbfinale von "Unser Song für Deutschland" gibt es unerträglich viel gute Laune - und doch verrät Stefan Raab zwischendurch, was er vom Eurovision Song Contest hält.

Hans Hoff

Sie haben durchaus etwas Quälendes, die ersten beiden Shows aus der Unser Song für Deutschland-Reihe, also jenem vierstündigem Werbespot für Lenas neue CD, die an diesem Dienstag auf den Markt kommt.

Ja, ich kaufe die CD, möchte man sagen, nachdem die deutsche Eurovision-Song-Contest-Siegerin nicht nur zwölf Titel gesungen, sondern auch alle auf ihre Art gelobt hat. So fand Lena in der zweiten Show den ersten Song super, den zweiten cool, den dritten richtig gut, den vierten voll schön, der fünfte machte ihr gute Laune, und der sechste versprach ihr noch mehr Spaß. Ja, ich kaufe die CD, wenn das nur mal ein Ende hat.

Hat es aber nicht, denn am 18. Februar geht es noch mal weiter. Dann treten die sechs verblieben Lena-Lieder in der ARD gegeneinander an, und am Ende steht dann der deutsche ESC-Beitrag fest. Doch auch damit wird nicht Ruhe sein, denn dann beginnt erst die Folter mit diesem Lied und den zugehörigen Lena-Auftritten in Fernsehen und Radio, und die Tortur dauert mindestens bis zum 14. Mai, bis zum internationalen ESC-Finale in Düsseldorf.

Nun ist es ja nicht so, als wären Lena-Songs per se unerträglich. Es sind ein paar hübsche Kompositionen dabei, und der am Montag weitergewählte Titel Push Forward hat sogar ganz großes Format. Aber zu viel des Guten ist eben zu viel.

Vor allem ist zu viel Gutfinderei eine ziemlich öde Angelegenheit. Schließlich fand nicht nur Lena all ihre Sachen super. Natürlich war Lenas Produzent Stefan Raab, der mit seinem Schützling den zweiten gemeinsamen Titel Mama Told Me ins Finale brachte, von allen vokalen Darbietungen höchst angetan.

Ziemlich viel Mittelmaß

Das Publikum in den Kölner Brainpool-Studios tobte sowieso bei fast jedem Song. Nicht unbedingt aus purer Euphorie, sondern weil an den entscheidenden Stellen vor der Studiobühne Mitarbeiter mit wehenden Armen an die offenbar mit dem Kartenkauf eingegangene Klatschverpflichtung erinnerten.

Wie wohl taten da doch die Einsätze von Jurymitglied Anke Engelke, die wenigstens einen Text (Teenage Girls) völlig zu recht "beknackt" fand und bei einem anderen Lied (A Good Day) das gewisse Etwas vermisste. Sehr deutlich wurde in solchen Momenten, dass sich unter den zwölf Songs der neuen Lena-Platte ziemlich viel Mittelmaß versteckt.

Ein bisschen schien es, als hätten die Ausrichter der Fernsehshow dieses Dilemma vorab erkannt und sich dann entschlossen, mit unzähligen Lichteffekten und endlosen Kameraflügen wenigstens ein bisschen Besonderheit vorzutäuschen. Allerdings sind die Zuschauer nicht so dumm, wie die Fernsehmacher denken. Irgendwann nerven diese Flugbilder nämlich nur noch und entlarven eher die Leere, als dass sie in der Lage wären, sie zu übertünchen.

Schön wäre es auch zu erfahren, warum es für diese halbgare Popnummernrevue gleich ein Moderatorenpärchen braucht. Natürlich weiß man, dass Matthias Opdenhövel von Pro Sieben in die ESC-Kollaboration eingebracht wurde und Sabine Heinrich den ARD-Proporz sicherstellt. Allerdings agiert Heinrich auch wie Proporz. Wo Opdenhövel wenigstens hier und da mal in gewohnt lockerer Art einen kecken Wortwitz abfeuert, wirkt seine biedere Kollegin wie eine bemühte Popausgabe von Carolin Reiber.

Obwohl die penetrante Lobesfolter die Show beherrschte, war Anke Engelke nicht die Einzige, die Wahrheit sprach. Ausgerechnet dem Chef der Show entfleuchten zweimal Worte der Weisheit. Als Stefan Raab nämlich A Million and One, den dritten Siegertitel vom Montag, loben wollte, verpasste er der Veranstaltung, für die das ganze Aufsehen veranstaltet wurde, eine ordentliche Ohrfeige. "Das fällt aus dem ganzen Gewäsch heraus", sagte er und meinte damit offenbar die Titel der anderen Länder.

Sollte er tatsächlich am 14. Mai als Moderator antreten, was wohl nur geht, wenn die von ihm mitkomponierten Lieder nicht "Unser Song für Deutschland" werden, dann steht er in Düsseldorf einer Show vor, die er am Montag als das bezeichnete, was sie wohl tatsächlich im Kern auch ist: "eine Radauveranstaltung".

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