TV-Kritik: TV total Stock Car Crash Challenge:Warten auf den Werbeblock

Beim "Stock Car Crash Challenge" fahren Autos viereinhalb Stunden im Kreis - was nicht nur dem Live-Publikum in Gelsenkirchen zu langweilig wird. Das Spannendste an Stefan Raabs Dauerwerbesendung: die Werbung.

Rupert Sommer

Zum Schluss der Sendung, gegen ein Uhr nachts wohlgemerkt, war sich auch der von Berufs wegen unerschütterbare Alleswegmoderierer Matthias Opdenhövel nicht mehr ganz sicher, ob es sich überhaupt noch lohne, die letzten paar markigen Sprüche ins Mikro zu quälen. Nur noch Stefan Raab selbst wirkte wirklich wach. Anstatt länger rumzueiern, entschied sich Opdenhövel für einen Witz: Kurz ging sein Blick zur Uhr. Darauf folgte die gespielte Frage "Ist denn schon Montag?", die mehr Kritik am freudlos verbissenen Imkreisfahren der zurückliegenden über viereinhalb Stunden Stock Car Crash Challenge enthielt, als man ihm zugetraut hätte.

Die große TV total Stock Car Crash Challenge 2010

Sein Motor zündete nicht, seine Show nicht wirklich: Pro 7-Moderator Stefan Raab.

(Foto: obs)

Noch vielsagender als Opdenhövels Finalgag war allerdings ein letzter verräterischer Kameraschwenk über die Ränge der mit viel Feuerwerkszauber, Flammenwerfern und Flitterregen aufgeheizten Fußballarena in Gelsenkirchen: Die Ränge waren weit nach der Geisterstunde fast entvölkert. Endlich war der PS-Spuk vorbei. Wenigstens wurde Opdenhövel so immerhin erspart, zum wiederholten Mal alle Vorzüge des Gewinnspiel-Autos herunterzubeten.

Dauerwerbesendung mit Volkswagen-Orchester

Schon zuvor hatte er seine aufgezwungene Marktschreierrolle ein wenig auf den Arm zu nehmen gewagt, als er in der üblichen Anpreiserprosa dem Publikum sagte: "Sie können das sicher schon im Kanon mitsingen." Überhaupt, die Werbung: Es fand sich auch bei dieser Rundum-Werbeberieselung kaum ein Textilzipfelchen am Körper der Rennfahrer, das nicht merkwürdige Botschaften trug. Gleiches galt nicht nur für die Team-Namen, sondern natürlich auch für jedes noch so überflüssige Fahrwerks-Verkleidungsteil, das nach abenteuerlichen Karambolagen ohnehin unschön verformt oder zersplittert durch die Lüfte flog.

Der Werbe-Overkill wurde wieder einmal durch die dreiste Raab-Einblendung "Dauerwerbesendung" kaschiert. Wie auch bei seinen Eiskanal-, Turmspring- oder Autoball-Wettbewerben versucht Stefan Raab, allen Schleichwerbekritikern von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einmal selbst von allen Skrupeln befreit, wird dann sogar Haarsträubendes zur vermeintlichen Selbstverständlichkeit - etwa die Tatsache, dass sich Altrocker Peter Maffay, der ein komplettes Streichorchester mitgebracht hatte, vom "Philharmonic Volkswagen Orchestra" begleiten lassen durfte.

Skurriler Nebeneffekt: Weil das auf drei Rennläufe (einfaches Rundumrasen, Karambolage-Rennen, Zerstörungsrunde) und drei Hubraum-Klassen schier endlos ausgedehnte Marathon-Wettfahren zwischenzeitlich so munter dahinplätscherte wie ein Sommer-Massenstau auf der A8 Höhe Irschenberg, war das Erfrischendste an der "Dauerwerbesendung" der eigentliche Werbeblock. Hier wurde wenigstens Abwechslung geboten.

So viel Testosteron ist TV total"

Man gewöhnte sich einfach schon nach wenigen Sendestunden an den immer gleichen Rhythmus von Obdenhövel-Machosprüchen übers Frauen-Einparken und das "Touchieren von hinten", dazu das Sonya-Kraus-Gekichere, und die im Kontrast aufregend exotischen Werbeblöcke. Doch dann hielt plötzlich Meister Raab höchstpersönlich den Betrieb auf: Schon im Qualifying-Rennen am Vorabend, so wurde nochmals referiert, hatte er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert und in seiner "Königsklasse", der Rennwagen-Kategorie von 3000 Kubikzentimern, nur die schwache sechste Startposition (bei zehn Teilnehmern) herausgefahren.

Der Meister kann nichts machen

Als er dann endlich starten sollte, versagte bei Raabs mit Flammenstreifen verschönerte Ford die Benzinpumpe. Große Aufregung! Hektisch aufgescheuchte Mechaniker! Eine nahezu hyperventilierende Sonya Kraus wollte Raab klärende Worte entlocken - und erntet nur humorlos dahingeknurrte Brocken. "Da steht der Meister total drauf, wenn er nichts machen kann", versuchte Kraus die Blamage augenzwinkernd zu verharmlosen. Elton, immerhin einst Stefan Raabs Showpraktikant und im Rennen sein erbitterter Gegner, zeigte weniger Verständnis dafür, dass alle Mitstreiter auf Raab warten mussten. "Wenn seine Scheißkarre nicht fährt", polterte er, "dann soll er aufhören." Ein Zwischenruf, der Elton vermutlich viel Zuspruch einbrachte, aber von ProSieben natürlich nicht toleriert werden durfte.

Um Raab aus der Patsche zu helfen, wurde erst einmal zu den TV-Spots geschaltet. Und genau dort ergab sich das kreative Chaos, das für eine Show dieser Unverfrorenheitsklasse fast unvermeidlich scheint: Plötzlich wurde in "echte" Fernsehwerbung, einen Kino-Trailer für den kommenden Actionthriller Unstoppable, überraschenderweise ebenfalls das Raab-Signet "Dauerwerbesendung" eingeblendet.

Ja was nun, fragte man sich? Willkommen in der Pro-Sieben-Matrix, in der alles gleichzeitig Werbung und vorgespielte Werbung sein kann! Nach dem Intermezzo sprang Raabs Kiste übrigens noch an. Und im Geschwindigkeitsrennen gewann der nahezu unschlagbare Ehrgeizling, für den spontan das Wettkampf-Reglement großzügig ausgeleiert wurde. Doch der erste Triumph in der "Königsklasse" sollte nicht der einzige Sieg für Raab bleiben. Am wildesten trieb er es in der finalen "Rodeo-Runde", in der alle guten Sitten fallen gelassen wurden und es nur mehr darum ging, andere Autos zu "zerstören".

Gnadenlose Chrash-Strategie

"So viel Aggressivität, so viel Testosteron, das ist TV total", brachte Sonya Kraus den enthemmten Kampfgeist ihres Mentors auf den Punkt. Im Rennen aller noch verbliebenen bewegungsfähigen Fahrzeuge ging es einzig und allein darum, als letzter noch weiterzutuckern - und das zur Not auf bloßer Felge oder mit komplett "zerstörten" Radaufhängungen und der fahrerischen Eleganz einer Watschelente. Um den Prozess zu beschleunigen, entschieden sich die etwas rustikaleren Gewinnertypen, darunter neben Raab sein Teamkollege und DTM-Tourenwagen-Champion Timo Schneider sowie Fernsehkoch Steffen Henssler, für die gnadenlose Crash-Strategie.

Gnadenlose Chrash-Strategie

Etwas weniger hitzköpfige Naturen - wie Elton - versuchten dagegen, möglichst heilen Blechs durch den Parcours zu kommen. Genau dabei prallten Welten aufeinander: Als nämlich Raab seinen langjährigen Schützling und ehemaligen Punching-Ball Elton fies in die Ecke trieb, um ihn mehrfach mit aller Wucht frontal anzufahren, dreht der Mann, der eigentlich Alexander Duszat heißt und künftig als 1, 2 oder 3-Moderator beim ZDF Kinder öffentlich-rechtlich bespaßen soll, komplett durch: Nachdem er das Rennen aufgeben musste, kletterte er wutentbrannt aus seinem ramponierten Wagen, spurtete trotz dick gepolsterten Renn-Overalls auf Stefan Raabs Wagen zu, brüllte den Cheffe durchs Seitenfenster an und hüpfte ihm wutentbrannt auf der Kühlerhaube herum.

"Ich war halt wütend"

Eine Szene, wie man sie sonst nur aus abgekarteten Catcher-Kämpfen kennt - die hier aber erschreckend realistisch wirkte. "Ich war halt wütend", versucht Elton sich selbst später zu erklären. Zusammen mit seinem Teamkollegen Scheider gelang es Raab nach gefühlten Ewigkeiten übrigens, den Wagen von Max Mutzke zu "stellen" - und das letzte Rennen des Abends als Mannschaftssieger zu gewinnen.

An die entfesselte Fahrerleistung der haushoch überlegenen "No Angeles"-Sängerin Lucy Diakovska, die in der kleinen 1500-Kubik-Klasse, zuvor schon weitaus souveränere Siege herausgefahren hatte, kamen beide nicht mehr heran. Die gebürtige Bulgarin erwies sich als würdige Nachfolgerin der Kinderfilmheldin Luzie, der Schrecken der Straße. Als Totalausfall des Abends mussten Statistiker dagegen den einstigen Herzblatt-Moderator Christian Clerici abhaken: Er war zuvor drei Mal in Folge siegreich, blieb diesmal aber antriebsschwach.

Fazit: Wer jemals Ärger in der Werkstatt hatte, konnte mit Neid verfolgen, dass es offenbar bei entsprechendem Teamgeist in der Mechanikermannschaft durchaus möglich ist, eine defekte Benzinpumpe innerhalb von nur drei Minuten auszutauschen. Gleichzeitig blieb viel Gelegenheit, um über die äußerst zähe Viskosität der Zeit im Allgemeinen zu philosophieren. Königsklasse hin oder her.

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