TV-Kritik: Traumschiff "Panama":Fernseh-Schizophrenie zu Wasser

Mit dem Traumschiff können überbezahlte Fernsehkünstler günstig Urlaub machen - der Drehort ist wichtiger als das Drehbuch.

Hans Hoff

Es gibt ein paar Dinge, die gehören zu Weihnachten und dem Jahreswechsel wie die Bescherung und die alljährliche Wiederholung der Sissi-Trilogie. So wäre Weihnachten wohl kaum gültig, würde das ZDF nicht an den Feiertagen stets eine neue Traumschiff-Folge rauspusten und dann im neuen Jahr direkt noch eine weitere nachlegen. Das Traumschiff ist Fernsehen in perfekt ritualisierter Form. Es ist dabei nicht wichtig, was kommt, es ist vor allem wichtig, dass es kommt.

traumschiff harald schmidt

Traute Runde mit wehmütigen Abschiedsgefühlen (von links): Heide Keller, Horst Naumann, Inka Bause, Harald Schmidt.

(Foto: ZDF/Dirk Bartling)

Jahrelang haben sich Fernsehkritiker abgearbeitet an der schwülstigen Trivialität neuer Traumschiff-Folgen und dabei vergessen, dass es völlig wurscht ist, was die üblichen Verdächtigen da veranstalten. Längst hat auch der letzte kapiert, dass auf dem immer in seichten Gewässern dümpelnden Unterhaltungsdampfer am Anfang drei bis vier Probleme aufgebauscht werden, die dann im Laufe der Sendezeit ihrer unvermeidlichen Auflösung entgegenschwimmen.

Sie müssen dabei genau wie die MS Deutschland andauernd durch die einst von James Last angerichtete Geigensauce pflügen, die bei objektiver Betrachtung sicherlich durchaus als gemeingefährlicher Ohrenkleister durchginge, die aber dank jahrelanger Übung als Sirene einer zur Klassik neigenden Weichspülzeremonie wahrgenommen wird.

Die neueste Folge spielte in Panama, und natürlich gab es zwischendrin auch mal wieder ein paar folkloristische Tanzeinlagen, die von zwei, drei mehr oder minder putzigen Tieraufnahmen flankiert wurden. Putzig fielen natürlich auch wie üblich die Hauptstränge des Drehbuchs aus. In einem ging es um den Abschied des lang gedienten Schiffsarztes Doc Schröder, dessen Darsteller nun schon 85 Jahre zählt, in einem anderen um ein Schwesternpaar, das im Rekordtempo den Liebhaber wechselte, und im dritten Handlungsstrang musste Wayne Carpendale als Erster Offizier vor den Machenschaften eines panamesischen Polizisten gerettet werden.

Als hätte er noch nie auf einer Bühne gestanden

In einer Nebenrolle kam zusätzlich die RTL-Bauernverkupplerin Inka Bause als bordeigene Fitnesstrainerin, Trösterin und Augenklimperin vom Dienst zum Zuge. Ergänzt wurde ihr Tun von Harald Schmidt, der offiziell fürs Unterhaltungsprogramm an Bord verantwortlich zeichnet, der aber von Traumschiff-Produzent Wolfgang Rademann ganz offensichtlich nur verpflichtet wurde, um zu beweisen, dass man auch mit jahrelanger Bühnenerfahrung immer noch perfekt den schauspielernden Dilettanten geben kann. Besonders zum Tragen kam solches Talent bei Schmidts Versuch, gemeinsam mit Bause eine Blues-Brothers-Nummer zum Besten zu geben. Mit schwarzem Anzug, Hut und Sonnenbrille tanzten sie derart hampelig, dass Generationen von Betriebsfest-Laienkünstlern auf der Stelle rehabilitiert wurden.

Genau für so etwas ist das Traumschiff gut. Es zeigt den Menschen draußen, dass man nicht wirklich etwas können muss, um Erfolg zu haben. Man muss nur immer da sein und behaupten, man habe was drauf. So signalisieren die Akteure deutlich, dass sie sich mit den Zuschauern in ihrem Unvermögen verbunden fühlen. Künstlerische Demokratie herrscht halt da, wo es ganz unten gemeinsam wehtut.

Ganz unten und zugleich ganz oben

Harald Schmidt lässt ja schon lange keinen Zweifel daran, was er von seinen Schiffs-Engagements hält. "Drehort geht vor Drehbuch", hat er verkündet und damit deutlich gemacht, dass es nun wirklich nicht darauf ankommt, was hinterher Sendung wird.

Vor allem ist das Traumschiff eine Möglichkeit für ohnehin überbezahlte Fernsehkünstler mal so richtig günstig Urlaub zu machen. Meist hält sich das Verhältnis von Dreh- zu Seetagen im durchaus übersichtlichen Bereich. Da logiert man schon mal drei Wochen kostenfrei an Bord und muss dann an drei, vier Drehtagen Sätze in die Kamera sagen, für die man sich daheim nicht nur unglaublich schämen würde, für die man sogar in jedem Boulevardtheater, das ein bisschen auf sich hält, sofort den Stuhl vor die Tür gesetzt bekäme.

Beim Traumschiff ist alles anders. Da gibt es sogar noch Geld, wenn man Sätze sagt wie "Ich wünschte, du hättest mich gekannt, als die Zeit noch mein Freund war", oder "Für Dinge, die einem wichtig sind, ist es nie zu spät." Solche Dialoge holzschnittartig zu nennen, würde die wackeren Handwerker beleidigen, die aus Bäumen ganze Skulpturen fertigen.

Das Traumschiff schafft so die gelebte Fernseh-Schizophrenie in ihrer wohl schönsten Form. Wer dort auftritt ist ganz unten und ganz oben zugleich. Er entblößt sich künstlerisch, wird aber regelmäßig belohnt mit Mörderquoten. In der Tat sieht man den Schauspielern diesen Spagat an. Sie changieren beinahe perfekt zwischen dem Gesichtsausdruck "scheißegal" und dem triumphierenden Dafür-gibt-es-auch-noch-Geld-Blick.

Spagat und Selbstironie

Natürlich wissen Produzent Rademann und das ZDF um diesen Kurs, der stets in zwei Richtungen gleichzeitig führt, und inzwischen ist gelegentlich sogar so etwas wie Selbstironie zu spüren. "Uääääh, ist das kitschig", durfte diesmal eine Darstellerin sagen und dabei klingen, als suche auch ihr Mageninhalt nach alternativen Ausbruchsmöglichkeiten.

Die Botschaft der Verantwortlichen ist deutlich: Wir wissen, dass wir da einen ziemlichen Mist produzieren, signalisieren sie. Wir wissen auch, dass wir ohne das mit einem kleinen Schriftzug am Bildschirmrand kenntlich gemachte Product Placement solche Namen wie Harald Schmidt und Inka Bause niemals auf die Besetzungsliste bekämen. Wir wissen auch, dass große Fernsehkunst anders geht. Aber wir sind nicht Schuld. Schuld sind die Zuschauer, die sich das immer wieder anschauen.

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