TV-Kritik: Talkshows über Guttenberg:Fall eines Superstars

Es ist eine Affäre, die es in sich hat: Karl-Theodor zu Guttenberg und die Plagiate in seiner Doktorarbeit. Die Talker der Nation sind dankbar.

Birgit Kruse und Moritz Baumstieger

Die Anspannung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Kein smartes Lächeln, Karl-Theodor zu Guttenberg legt die Stirn in Falten. Blättert in einem Aktenordner. Sein Blick wirkt angespannt, müde. Es ist Mittwoch im Bundestag, Aktuelle Stunde. Es geht um ihn. Wieder einmal. Um seine Glaubwürdigkeit, seine politische Zukunft. Zu diesem Zeitpunkt liegt hinter dem 39-Jährigen ein medialer Spießrutenlauf.

Bundestag - Guttenberg

Die Universität Bayreuth hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seinen akademischen Grad aberkannt. In vielen Talkshows wurde über die Plagiatsvorwürfe gegen den CSU-Politiker diskutiert, darunter "Menschen bei Maischberger" und "Hart aber fair".

(Foto: dpa)

Seit die Süddeutsche Zeitung am 12. Februar die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg veröffentlichte, beherrscht das Thema die Schlagzeilen - und nun auch die Tagesordnung im Bundestag.

Viele kommen zu Wort, ein paar Unterstützer und viele Kritiker. Einer von Letzteren ist Thomas Oppermann. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD bezeichnet den CSU-Liebling als "akademischen Hochstapler und Lügner".

Wenige Stunden später wird Oppermann noch einmal nachlegen. Im ARD-Studio bei Hart aber fair. In diesen Tagen sind die Talkshows die wirklichen Arenen.

Egal wer auf welchem Sender talkt - das Thema ist das gleiche: Guttenberg und die Plagiatsvorwürfe.

Sonntag - Anne Will: "Alles nur geklaut?"

Den Aufschlag hat am Sonntag Anne Will gemacht. Unter dem Motto "Doktor Guttenberg - alles nur geklaut" debattiert ihre illustre Runde unter noch recht vagen Vorzeichen.

Zu diesem Zeitpunkt verzichtet Guttenberg zwar schon auf die Führung seines Doktorgrades. Plagiatsvorwürfe weist er jedoch "mit allem Nachdruck" von sich, auf die Fragen nach einem möglichen Rücktritt antwortet er mit "Unsinn".

Unterstützung erhält er in dieser Runde von der CSU-Europaabgeordneten und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Guttenberg sei ein guter Politiker und arbeite mehr als 100 Stunden in der Woche.

Dass andere Politiker das auch tun, spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Es kommt auf die Botschaft an. Und die ist klar: Demontiert nicht einen guten Politiker, nur, weil er vielleicht kein guter Wissenschaftler war.

Trennen ist hier also die Devise - um ja die Beliebtheit nicht zu beschädigen?

Guttenberg weiß um seine Popularität - auf die kann er bauen. Trotz Abschreib-Affäre. Und veröffentlichte Meinung hat eben nicht immer was mit öffentlicher Meinung zu tun.

Das muss auch Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges anerkennen: "Die wollen sich diesen Hoffnungsträger nicht wegnehmen lassen."

Montag:

Stimmt. Die Zustimmung für Guttenberg in der Bevölkerung ist ungebrochen. 57 Prozent der von Emnid Befragten halten den Selbstverteidigungsminister nicht für einen Schwindler. Auf die Will-Umfrage im Internet, ob die Affäre Guttenberg das Amt kosten wird, antworten mehr als 69 Prozent der Nutzer mit nein. Und auf Facebook hat Guttenberg am Montag bereits 130.000 Unterstützer.

Dienstag:

Doch die Stichelei der Mandatsträger geht weiter. Am Dienstag in der Nacht landet eine Maschine auf dem Flughafen Nürnberg, an Bord: Drei Särge, in ihnen die Leichen der in Afghanistan getöteten Soldaten. Der Verteidigungsminister hofft zu dem Zeitpunkt, dass sich der politische Sturm um ihn legen wird. Einige Stunden zuvor hat er sich in Hessen als "oberfränkische Wettertanne" bezeichnet, die so etwas aushalte.

Die Wettertanne teilte mit, ihren Doktortitel dauerhaft abzugeben, aber auch zu dem "Blödsinn" zu stehen, den sie geschrieben habe. Und die Kanzlerin steht wie auch sonst hinter ihrem Minister. Die Plagiatsjäger zählen derweil die Seiten, die der Minister abgeschrieben hat, seine Fans die Unterstützer, die auf Facebook Flagge gegen die "Hetzjagd" auf KT zeigen: 24.400 sind es nun. In einer Dimap-Umfrage äußern sich 73 Prozent der Deutschen positiv über Guttenbergs politische Arbeit.

Zugeben, Mund abwischen, weitermachen

Und doch hat sich etwas geändert, als am Abend Guttenberg-Freunde und -Gegner beim televisionären Jour-fixe zusammenkommen. In Menschen bei Maischberger lautet das Motto "Der Schummelbaron - Frechheit siegt?". Auch bei der Pro-Guttenberg-Fraktion hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Plagiatsvorwürfe gegen Guttenbergs Arbeit nicht so "abstrus" sind, wie der Minister noch am Freitag bekannte. Ihre Losung ist jetzt: "Der Schummelbaron - politisches Format siegt". Zugeben, Mund abwischen, weitermachen.

Nur der CSU-Bundestagsveteran Norbert Geiß gibt den letzten Mann beim Rückzugsgefecht: Die wissenschaftliche Ethik sei ja "im Prinzip gewahrt", der Minister habe die Texte, die abgeschrieben wurden, in der Arbeit ja ab und zu erwähnt. Doch selbst der Historiker Arnulf Baring, der keinesfalls als linker Hetzer durchgeht, bezeichnet die Arbeit Guttenbergs als "totale Pleite".

Auch Anna von Bayern, dem Minister als dessen Biographin sehr nahe, betont immer wieder, dass "wir uns ja alle einig sind", dass die Arbeit und und KTs Umgang mit der Affäre ein "Super-GAU" wären, der ihm inzwischen peinlich sei. So umgarnt sie die anderen Gäste, die Grünen-Gründerin Jutta Ditfurth (gebürtig von Ditfurth), den Kabarettisten Werner Schneyder und die Spiegel-Journalistin Ulrike Demmer. Aber sonst hält sie sich an die Strategie, die der Freiherr am Abend vorher selbst ausgegeben hat. Fehler bei der Arbeit: Ja, nun gut. Doch das hat doch wirklich nichts mit der Politik zu tun. Damit könnte er durchkommen, mutmaßt die Runde.

Doch gerade um politische Konsequenzen der Affäre und einen möglichen Rücktritt geht es ein paar Programmplätze weiter, in einer anderen TV-Sendung.

Für die CSU wäre ein Rücktritt von Guttenberg "ein ganz massiver politischer Unfall", gesteht der ehemalige Ministerpräsident Günther Beckstein in der Münchner Runde im Bayerischen Fernsehen. Er wirkt sichtlich betroffen von der Affäre. Umso unbeholfener wirkt der Rettungsversuch, dem sich schon andere Unionspolitiker bedient haben: Die Trennung zwischen dem Politiker und dem Privatmann, der wissenschaftlich geschlampt hat. Das politische Talent hätte mit der Wehrreform bislang hervorragende Arbeit geleistet, ein Umdenken in den eigenen Reihen hätte stattgefunden. Inzwischen prüft die Uni Bayreuth den Fall Guttenberg, die LMU München warnt in einem offenen Brief vor den verheerenden Folgen der Plagiatsaffäre für die Wissenschaft.

Und befragte Bürger betonen immer wieder seine Ehrlichkeit, seine Aufrichtigkeit, seine Authentizität. Sie lieben ihn eben.

Hatte Guttenberg eine freie Wahl zu bleiben?

Schützt Popularität vor Strafe? Das dürfe nicht sein, findet Klara Obermüller. Sie schreibt für die NZZ am Sonntag und hat 88 Zeilen ihres Artikels in der Doktorarbeit von Guttenberg wiedergefunden. Ohne Quellenangabe und Gänsefüßchen. Man dürfe wissenschaftliche Unredlichkeit nicht mit politischen Erfolgen aufrechnen, mahnt sie. Doch genau das geschieht. Immer öfter. Immer offensiver.

Mittwoch:

Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung bringt es bei Hart aber fair dann auf den Punkt: FDP-Chef Guido Westerwelle hätte man in einem vergleichbaren Fall sicherlich nichts verziehen.

Doch die zentrale Frage ist inzwischen eine andere. Die Universität Bayreuth hat Guttenberg den Doktorgrad aberkannt, trotzdem war ein Rücktritt schon einmal wahrscheinlicher.

Das Karussell hat sich weitergedreht: Plasberg fragt nun: "Der Fall des Superstars - wer glaubt noch den Politikern?" Geantwortet wird jedoch auch in dieser Sendung wieder nach dem gewohnten Muster.

Die Opposition in Gestalt von Thomas Oppermann wirft ihm "systematischen Betrug in großem Stil" vor. Der CSU-General Alexander Dobrindt wiederholt, was er im Bundestag schon zur Ehrenrettung des Ministers vorgebracht hat: Rufmord, Kampagne. Guttenberg habe sich entschuldig und einen "aufrichtigen Umgang mit einem Fehler" gezeigt. Das würden die Menschen honorieren.

Tun sie auch. Die Umfragen sind ungebrochen gut. "Offenbar steht unter dem Strich der allermeisten: Er soll bleiben", resümiert Bild-Journalist Nikolaus Blome. Seine Zeitung hatte am Morgen dazu aufgerufen, über Guttenberg abzustimmen. Das Ergebnis: erwartbar. 87 Prozent der Leser wollten Guttenberg als Minister behalten. Und auch eine Infratest-Umfrage vom Vortag liefert ein eindeutiges Ergebnis. 73 Prozent der Befragten wollen Guttenberg im Amt behalten, sie sind mit seiner Arbeit zufrieden. Und fragt man nur die SPD-Anhänger, überrascht das Ergebnis besonders: Während die Politiker seinen Rücktritt fordern, finden 71 Prozent der Sozialdemokraten nichts an Guttenbergs Arbeit auszusetzen. Das gefällt Oppermann sichtlich wenig.

Veröffentlichte Meinung ist eben nicht die öffentliche Meinung. Dennoch bleibt die Frage: Hatte Guttenberg überhaupt eine freie Wahl zu bleiben? Maybrit Illner wird sich an diesem Abend auf jeden Fall mit der Frage beschäftigen, ob Guttenberg eine zweite Chance verdient hat.

Angesichts der Umfragewerte - aber vor allem angesichts des Superwahjahres, in dem die Union von seiner Populariät profitieren will, scheint die Antwort naheliegend. Oder?

Er wäre "frei genug gewesen, hinzulegen", glaubt Blome bei Plasberg. Doch das Blatt kann sich wenden. Vielleicht. "Wir stehen zu Karl-Theodor zu Guttenberg", sagt Blome. Und schiebt nach: "Im Moment zumindest."

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