Rückkehr von RTL-Kuppelshow:"Ich Bachelor. Du Jane?"

Kuppelshows boomen. Nun hat RTL den "Bachelor" aus der Versenkung zurückgeholt. Wieder sollte ein Junggeselle unter zwanzig Bewerberinnen eine Herzensdame casten. Doch diesmal hat er die Rechnung ohne die Kandidatinnen gemacht.

Antje Hildebrandt

Der erste Eindruck ist der entscheidende. Und schaut man sich den Tarzan an, der jetzt im Auftrag von RTL das Rad der Emanzipation zurückdrehen soll - in jene Zeit, da die jungen Frauen noch Jane hießen und standesgemäß kollabierten, wenn sie ein lendenbeschürzter Gentleman zum Lift auf der Liane einlud, dann geht es einem wie die "Bachelor"-Kandidatin Sissi aus Rosenheim. Man ertappt sich bei dem Ausruf: "Oh, der ist ja blond!"

Rückkehr von RTL-Kuppelshow: Von RTL mit 20 "hot chicks" in eine Villa in Kapstadt gesperrt: der friesisch-herbe "Image-Manager" Paul.

Von RTL mit 20 "hot chicks" in eine Villa in Kapstadt gesperrt: der friesisch-herbe "Image-Manager" Paul.

(Foto: RTL / Stefan Gregorowius)

Er heißt Paul, ist 30 Jahre alt, friesisch herber Vier-Tage-Bart, Augen, so blau wie ein wolkenloser Himmel nach einer Sturmflut, gewellte David-Beckham-Gedächtnisfrisur, Grinsegrübchen. Man weiß nicht genau, wo RTL diesen Katalog-Boy aus der Abteilung Fit for Fun aufgegabelt hat. Paul sieht aus wie ein Neffe von Dieter Bohlen, den der Sender vom Fleck weg vom Fünfmeterbrett im Freibad von Hamburg-Harburg gecastet und in einen Boss-Anzug gesteckt hat.

Der alleinstehende "Image-Manager" (RTL) hat ein Los gezogen, von dem man noch nicht genau weiß, ob es ein Sechser im Lotto ist oder der berühmte Schnipsel mit dem Aufdruck "Leider nein".

RTL hat ihn zusammen mit zwanzig Single-Frauen im paarungsreifen Alter in eine Villa an der Steilküste von Kapstadt gesperrt. In diesem Reizklima soll der "Hamburger Jung" (Paul über Paul) vor laufender Kamera etwas tun, das sonst nur Heidi Klum tut.

Er soll die "hot chicks" (O-Ton: Paul) daraufhin testen, ob sie unfallfrei auf High Heels die Klippe hochkommen, den Small Talk und auch sonst alle Tricks beherrschen, seinen Testosteron-Spiegel vor drastischen Abstürzen zu bewahren. Wer die Probe besteht, bekommt jedoch kein Foto, sondern eine Rose - und am Ende eben Paul.

Der Bachelor, so hat RTL diese Partneranbahnung für Fortgeschrittene genannt. 2003 hatte sich der Sender schon einmal auf dieses glatte Parkett gewagt und die Grenzen des guten Geschmacks ausgelotet, damals allerdings noch an der Côte d'Azur. Ein betongrinsender Banker namens Marcel durfte/musste unter 25 Kandidatinnen diejenige auswählen, die nicht vor der Aussicht zurückschreckte, ihm bis zur Rente die Haare gelen zu dürfen.

Das Ende dieser Auslese ist bekannt. Zickenkrieg, Zellulite, zerbrochenes Porzellan. Nach vielen Irrungen und Wirrungen entschied sich der Banker für Julia, eine arbeitslose Schornsteinfegerin aus Berlin-Pankow. Die Liaison sollte das Ende der Staffel jedoch nur knapp überleben, worauf die RTL-Pressestelle dichtete: "So schnell die Liebe zwischen dem Traumpaar entbrannte, so schnell ist sie auch wieder erkaltet."

Während Julia wenigstens vorübergehend ein Gnadenbrot als 9live-Moderatorin fristete, verschwand Marcel auf Nimmerwiedersehen vom Bildschirm. Später erfuhr man, dass er Rat in der Praxis eines Schweizer Medienpsychologen suchte. Wochenlang hatte er den Boulevard mit schlüpfrigen Schlagzeilen versorgt. Die bunten Blätter dankten es ihm, indem sie ihn als "seelenloses Psychowrack" abstempelten.

Katalogboy mit Hobbies Fußball und Fitness

Ob sein Nachfolger Paul weiß, was da auf ihn zukommen könnte? Nach der ersten Folge drängt sich der Eindruck auf: Eher nicht. Man mag es kaum glauben, aber neben diesem durchaus tageslichttauglichen Katalogboy mit den Hobbies Fußball und Fitness erschien Tarzan als standhaftere Alternative.

"Ich Tarzan. Du Jane?" Gut, ein bisschen mehr Niveau hatten die Dialoge zur Begrüßung schon. Als PR-, Hotel- oder Eventmanagerinnen, so suggerierten es die Einspielfilme, waren sie beruflich angekommen. Paul beglückwünschte sie abwechselnd zu ihren knappen Kleidchen, zu ihren "braunen Rehaugen" oder ihren "rassigen Haaren".

Doch noch bevor man sich die Frage stellen konnte, was diese Frauen dazu trieb, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen, hatte Paul schon das erste Mal die gebleachten Zähne gebleckt. Seine Sätze waren kürzer und die Blicke tiefer geworden. Und man wusste: Sein Gefasel von inneren Werten war nur Blabla.

Verrat an Emanzipation?

Er erliegt den Versprechen in chinesischen Glückskeksen und der Macht der Verführung. Mit Paul und den Frauen ist es wie mit der Maus und dem Käse. Es ist eine Erkenntnis, die auch emanzipierte Zuschauerinnen wieder mit diesem Format versöhnen dürfte.

RTL habe die Ideale der Emanzipation für das Remake einer Kuppelshow verraten, die dem Zeitgeist schon 2003 hinterherhinkte? Von wegen! Es sind die Frauen, die ihr Spielchen mit ihm treiben - und die oft genannte Regel zu bestätigen scheinen, dass der Mann ausgesucht wird, ohne dass er es merkt.

Marta, Jinjin oder Sissi aus Rosenheim müssen sich also nicht grämen, wenn sie das Rennen um Paul am Ende verlieren. Ein Job beim Perfekten Promi-Dinner oder in der Ranking-Show Die peinlichsten TV-Momente 2012 dürfte auch für ausgeschiedene Kandidatinnen drin sein.

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