TV-Kritik: Ottis Schlachthof:Und er singt!

Familientreffen im Schlachthof, politische Satire Fehlanzeige. Und doch ganz groß: Ottfried Fischer betritt in seiner "Schlachthof"-Sendung selbst die Bühne - und singt. Im atonal bissigen "Stille Nacht" schießt er gegen den Papst.

Carolin Gasteiger

"Wenn Großes geboren wird, müssen selbst Denkmäler aufstehen". Treffender hätte Ottfried Fischer das Motto des Abends im Münchner Wirtshaus zum Schlachthof nicht formulieren können. Betritt der Meister in der jüngsten Ausgabe von "Ottis Schlachthof" doch selbst die Bühne, um sein neuestes Programm zu präsentieren. Wer im Publikum dabei mit wortgewaltigen Attacken gegen die politische Führung oder die Banker rechnet: weit gefehlt! Fischer singt, begleitet von der Band "Die Heimatlosen". Dabei wirkt der Kabarettist spitzbübisch und gelöst wie selten.

Fischers Kabarettprogramm feiert Premiere

Nun singt er auch noch: Ottfried Fischer stand am Freitagabend zusammen mit der Band "Die Heimatlosen" auf der Bühne.

(Foto: dpa)

Aber von Anfang an: Schon das Gäste-Aufgebot ließ vermuten, dass Ottfried Fischers jüngster Schlachthof zum Stelldichein alter Bekannter und ein kabarettistisches Familientreffen werden würde. Monika Gruber, Michael Altinger (von Fischer "höchstpersönlich entdeckt") und Michi Marchner vertreten die bayerische Fraktion, flankiert von den Nordlichtern Sebastian Pufpaff und Christoph Brüske. Auch wenn sie nie im Schlachthof zu Gast waren, erinnert Ottfried Fischer zu Beginn der Sendung an zwei jüngst verstorbene Kollegen, das österreichische Multitalent Georg Kreisler und den Wiener Liedermacher Ludwig Hirsch und sagt: "Ein Kabarettist hat auch im Sterben eine Pointe verdient".

Was folgt, ist Otti at his best. Als gelungener Verschnitt von Franz-Josef-Strauß wettert er mit unverkennbar hochgezogenen Schultern und Doppelkinn gegen die CSU. Bisweilen hatte man ihn schon abwesender in seiner Sendung erlebt. Dieses Mal beweist Fischer jedoch auf charmante Weise, wer der Hausherr ist.

Als Publikumsliebling Monika Gruber frenetischen Applaus dafür erntet, dass sie wort- und stimmgewaltig gegen die Sagrotan-Globuli-Ritalin-Eltern unserer Tage zu Felde zieht, ist man einen Moment versucht zu glauben, sie könnte Fischer die Show stehlen. Doch als der Jubel im Saal schier kein Ende nehmen will, bleibt Fischer gelassen: "Mir ist das recht, es fällt ja auf mich zurück".

Kult-Koloss mit Hüftschwung

Politische Satire, wie man sie aus dem Schlachthof kennt, ist kaum Thema. Vielmehr haben Fischers Gäste in ihren Nummern andere Sorgen: Michael Altinger wettert gegen moderne Super-Ich-könnte-noch-Model-sein-Mamis, Michi Marchners Probleme-mit-dem-Altwerden-Nummer wirkt auch nicht gerade neu und Sebastian Pufpaff kommt mit moderner Handytechnologie nicht klar.

Einzig Christoph Brüske wagt sich neben dem Gastgeber auf politisches Terrain und seziert eine Minderheit, der man sich in der Adventszeit besonders annehmen solle: die FDP. Aber auch sein Ansatz, ein Leben ohne F, ohne D und ohne P, wirkt eher erheiternd als bissig. Als sich an "Ottis Stammtisch" endlich eine politische Debatte zu entspinnen scheint, geht der Hausherr harsch dazwischen, um für die BR-eigene Mediathek zu werben. Schade.

Fast könnte man angesicht der zwischendurch ein wenig gehetzt wirkenden Gesprächspassagen meinen, der Meister fiebere seinem eigenen Auftritt so sehr entgegen, dass ein näheres Eingehen auf seine Gäste kaum möglich ist. Aber Schwamm drüber.

Dann naht Großes: Fischer erhebt sich mit bedeutungsschwangerer Miene vom Stuhl und kündigt "Weltblechmusik" an. Tatsächlich hat der Kabarettist mit der Band "Die Heimatlosen" ein hochdekoriertes Ensemble an Weltmusikern engagiert. Der Münchner Trompeten-Professor Claus Reichstaller, der Passauer Tubabläser Leopold Gmelch, Komponist Christian Ludwig Mayer und den Leiter einer Percussion School in Panama, César Granados, verleihen dem Schlachthof an diesem Abend exotisches Flair - und verdammt gute, karibisch-rythmische Musik.

Und dann singt er tatsächlich! Zunächst hangelt sich Fischer noch ein wenig durch traditionell bayerische "Gstanzln", taut aber von Strophe und Strophe mehr auf und überrascht Gäste und Publikum sogar mit spontanen Tanzeinlagen. Mit frechem Schwung, herrlich selbstironisch wiegt der Kult-Koloss die Hüften und dreht die eine oder andere "Pirouette". Und schließlich schmettert Fischer ein "Stille Nacht", wie es selten interpretiert wurde. Musikalisch atonal, textlich bissig schießt Fischer gegen den Papst - "Ratzi", mit Hütchen im Haar und Prada-Schühchen. Das also kommt dabei heraus, wenn ein Denkmal selbst aufsteht. Mehr davon.

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