TV-Kritik:Nordisch by Nature

Vadder, Kutter, Sohn

Plötzlich Papa: (Knud) Prahl, der sich an das Alleinsein gewöhnt hatte, muss sich um Lenny (Jonas Nay) kümmern.

(Foto: Georges Pauly/ARD Degeto)

Der Schauspieler Axel Prahl und der Regisseur Lars Jessen arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Ihr neuer Film läuft jetzt im Ersten.

Von David Denk

Die erste Rolle, die der Regisseur Lars Jessen dem Schauspieler Axel Prahl vor zehn Jahren im Berliner Künstlerlokal Diener angeboten hat, wollte der nicht haben. Prahl wollte gegen seinen Typ besetzt werden und die andere, die unsympathische Hauptfigur in Jessens komödiantischem Roadmovie Die Schimmelreiter spielen. Prahl bekam seinen Willen und Jessen in Prahl einen Verbündeten, mit dem er seitdem den Kinofilm Dorfpunks, drei Münster-Tatorte und die Heimatkomödie Vadder, Kutter, Sohn gedreht hat, die an diesem Freitag im Ersten zu sehen ist - und erfreulich kitschfrei geraten ist. Viel passiert nicht, aber das kurzweilig. Dank lebensnaher Figuren, lakonischer Dialoge und melancholischer Einschläge (wozu die Musik von Element of Crime-Gitarrist Jakob Ilja viel beiträgt) ist der Film längst nicht so flach wie die Gegend, in der er spielt.

Prahl verkörpert darin den knorrigen Krabbenfischer-Lebenskünstler Knud, dessen beschaulich-eingespieltes Leben auf einem Dithmarscher Dorf durcheinandergerät, als sein vor Jahren in die Großstadt abgewanderter Sohn Lenny (Jonas Nay) plötzlich wieder vor ihm steht. Die Figuren haben sich entfremdet - im Gegensatz zu ihren Darstellern, die sich beim Dreh angefreundet haben. "Jonas war gleich wie ein Verwandter, den man noch nie gesehen hat", sagt Prahl, "unprätenziös, uneitel, guter Mutterwitz" und obendrein noch Musiker wie er selbst. Nicht unwichtig, denn ein Filmset ist ein soziales Gefüge wie jeder Arbeitsplatz. Jessen sagt: "Axel und ich sind beide Menschen, die Kraft nicht aus dem Dissens schöpfen, sondern aus der Gemeinschaft." Schauspieler mit Kinski-Allüren liegen ihm nicht so: "Ich mag es nicht, getestet zu werden."

Prahl, 1960 geboren in Eutin, und Jessen, 1969 geboren in Kiel, verbindet auch ihre norddeutsche Herkunft. Auch große Teile des Ensembles von Vadder, Kutter, Sohn stammen von dort - kein Zufall, sondern Arbeitserleichterung. Jessen ist es sehr wichtig, dass seine Schauspieler "authentisch im Sprach- und Kulturraum agieren können", geerdet wirken wie ihre Figuren. Das sei eine besondere Gabe von Prahl. Dialekte lassen sich zur Not imitieren, beim Humorverständnis geht das nicht. Und das ist ja die Gretchenfrage in Jessens stark regional verorteten Filmen: Was ist lustig und was nicht? Gerhard Polt würde für einen neuen Film wohl kaum Jessen engagieren. Und umgekehrt.

Seine Aufgabe begreift Jessen darin, eine angstfreie Atmosphäre am Set zu schaffen, in der jeder sich trauen kann und soll, Ideen einzubringen und in der Scheitern mehr als geduldet ist: "Am spannendsten wird das Filmemachen, wenn etwas schiefgeht und gerade durch das Abweichen vom Plan etwas unerwartet Stimmiges entsteht." Was - auch angesichts immer kürzerer Drehzeiten - voraussetzt, einen Plan zu haben, von dem man hie und da abweichen kann. In der Bereitschaft dazu bescheinigt Prahl Jessen eine "große Souveränität". Am Ende müsse nur eine Entscheidung stehen, sagt Jessen, und: "Ich muss noch nicht mal selber gute Ideen haben, ich muss nur die besten erkennen." Oder wie es Prahl formuliert: "Ich glaube, ein guter Regisseur löst sich am Ende im Gesamtkunstwerk auf."

Vadder, Kutter, Sohn, Das Erste, 20.15 Uhr.

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