TV-Kritik:Johnny schaut

Eine Braut kommt selten allein

Sophia (Michelle Barthel) ist ein ziemliches Luder, aber Johnny (Paul „Sido“ Würdig) trotzdem bald sehr verliebt.

(Foto: Andreas Höfer/rbb)

Der Rapper Sido in einem erstaunlich irren ARD-Film über die unvernünftige Liebe in einer Plattenbauwohnung.

Von Claudia Tieschky

Nein, der rappt nicht, der will nur spielen: Paul Würdig, bekannter als Sido, geht einem richtig zu Herzen als tapsiger, grundguter Melancholiker Johnny in der Komödie Eine Braut kommt selten allein. Johnny schweigt eine Menge, ein Schweigen wie ein Achselzucken, was soll er schon sagen, Ehe halt irgendwie kaputtgegangen und er sehnsüchtig allein geblieben, Burn-out, Hartz IV. Eigentlich sitzt Johnny am liebsten in einem lädierten Liegestuhl, so ziemlich die einzige Möblierung in seiner Berliner Plattenbauwohnung, und schaut.

Aber das erfährt man erst nach und nach, weil davor in einem Wahnsinnstempo erzählt wird, wie Johnny dann in diese haarsträubende Geschichte gerät, die ihm eine viel zu junge ausgerissene Roma-Braut ins Haus und ins Bett bringt. Ein ziemliches Luder, das ihm alles Mögliche vormacht und das er trotzdem vom Fleck weg ganz still und fürchterlich liebt. Bald zieht, eben weil Johnny nicht viel sagt und vor allem nicht Nein, auch noch ihre Großfamilie ein. Wege aus der Depression.

Nach ein paar Minuten hat einen dieser RBB-Film (Buch: Laila Stieler, Regie: Buket Alakus) am Wickel, wegen seiner sehr coolen, nicht mal besonders ruckelfreien Direktheit. Manche Szenen wirken wie Doku, gelegentlich wie Scripted Reality, aber kein Zweifel, an alldem wurde heftig geschraubt. Die unerbittliche Logik, mit der sich die wilde Braut Sophia (Michelle Barthel) in Johnnys Wohnung umschaut und zum wunden Punkt kommt: Wo sind deine Möbel? Hat dich deine Frau verlassen?

Wann hat man das schon, einen öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm, bei dem man gerade am Anfang nicht im Durchhaltemodus ist: Okay, bisschen peinlich gerade, vielleicht wird's ja noch. Hier wird's - immer irrer. Das hat viel damit zu tun, dass Sophia und Johnny in der S-Bahn von allen und am Ende im Chor Ratschläge bekommen, wie das geht mit dem Asyl, weshalb Sophia die Bahn mit Kopftuch verlässt und jetzt aus Aleppo kommt. Johnny wird wider Willen Oberhaupt des Clans, dann entwickeln sich die Dinge sehr dramatisch.

Die Geschichte ist eine Parabel über die unvernünftige Liebe

Jetzt mal zu was Ernstem. Eine Braut kommt selten allein nimmt einen deshalb so ein, weil der Film eben so gar nicht mit Stereotypen arbeitet. Trotzdem beschleicht einen zwischendurch das blöde Gefühl, dass die laute Roma-Truppe eine Menge Klischees in diesen Film transportiert - das Klauen, das freiwillige (!) Betteln, gegen das Johnny vorsichtig protestiert, das stets Singbereite. Die Macherinnen sagen dagegen: Der Film nehme "Klischees und verschlissene Denkschemata aufs Korn. Damit sprechen wir automatisch über das, was uns trennt - und nicht nur über das, was uns verbindet". Und die Regisseurin Buket Alakus erklärt, es seien bewusst Schauspieler mit Sinti/Roma-Herkunft gecastet worden. Und ja, es stimmt eben auch, dass jenseits von Klischee und Klamauk da immer noch etwas mehr mitschwingt - Herkunft, Geschichte, Würde. Und was jetzt, Johnny? Schwierig.

Zum Schluss im Film immerhin ist alles einfach, weil er eben auch eine Parabel über die unvernünftige Liebe ist, die einem so nah kommen kann wie sonst nur der eigene Liegestuhl und es dann bunt treibt.

Eine Braut kommt selten allein, ARD, 20.15 Uhr.

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