TV-Kritik: Hart aber fair:Politik auf dem Pavianhügel

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"Wir wollen die Grünen ja nicht an Irrationalität übertreffen": In der Talkrunde bei Frank Plasberg gibt sich FDP-Generalsekretär Lindner kämpferisch, bezeichnet die grüne Konkurrenz als "neues trojanisches Pferd" der deutschen Politik - und wirkt dabei auch ein bisschen verzweifelt.

Caroline Ischinger

Es ist ein etwas verkrampftes Lachen, das FDP-Generalsekretär Christian Lindner gleich zu Beginn von Hart aber fair in die Kameras zeigt: Es folgt auf die Frage von Moderator Frank Plasberg, wie es denn bei ihm beruflich so laufe - an einem Tag, an dem der Fehlstart bei der Erneuerung der FDP-Spitze die Schlagzeilen bestimmt und FDP-Übervater Hans-Dietrich Genscher seiner Partei die schwerste Krise ihrer Geschichte bescheinigt. "Na, wir haben eine schwere Zeit", sagt auch Lindner.

Frank Plasbergs Runde am Mittwoch: "Guido von Bord, Boygroup an Deck - Wer steuert Schwarz-Gelb aus der Krise?" Am Ende gewann das gelb-grüne Duell an Fahrt. (Foto: dpa)

Aber er will keines von den Bambis sein - wie die neue, junge Garde um Philipp Rösler nun gerne genannt wird. Stattdessen gibt er sich kämpferisch: "Deutschland braucht eine liberale Partei!", erklärt Lindner. Und zeigt doch damit erst recht, wie schlimm es um die FDP steht.

Die Wähler nämlich scheinen derzeit gar nicht zu wissen, warum sie eine liberale Partei brauchen. Nach dem doppelten Wahldebakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stürzen die Liberalen weiter ins Umfrage-Tief: Laut Forsa-Wahltrend des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL halten derzeit nur noch drei Prozent der Wähler die FDP für wählenswert. Für den Bundestag würde das nicht reichen. Die Grünen hingegen feiern einen Erfolg nach dem anderen, laufen in der Umfrage mit 28 Prozent sogar der SPD den Rang ab und könnten in einer grün-roten Koalition den Bundeskanzler stellen.

"Guido von Bord, Boygroup an Deck - Wer steuert Schwarz-Gelb aus der Krise?" lautet der Titel von Plasbergs Sendung. Bevor sich die Runde endlich dem Kontrast zwischen gelbem Tauchgang und grünem Höhenflug zuwendet, diskutiert sie lang und breit, wie die FDP in die Krise kam und wie sie wieder rauskommen kann.

Wird Philipp Rösler, der "nette Herr aus Hannover", die nötige Durchsetzungskraft mitbringen? Während Schauspieler und FDP-Anhänger Sky du Mont gewohnt pathetisch mehr Geduld bei der Erneuerung einfordert, ist Hans-Ulrich Jörges, Journalist und Mitglied der Stern-Chefredaktion, skeptisch: Im politischen Betrieb gebe es keine Freundschaften, erklärt er nüchtern. Der neuen, jungen FDP-Führung fehle die nötige Härte und Authorität. Politik sei doch kein "Pavianhügel", empört sich Lindner.

Bezeichnenderweise hält sich die einzige Frau der Runde bei dieser Macht-Debatte zurück: Erst als Jörges die Psyche von Westerwelle zu analysieren versucht, greift die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, ein. Ob man denn nicht mal über die inhaltlichen Fehler der Liberalen reden könne? Stichwort: Libyen-Krise. Lindner schiebt den schwarzen Peter zurück: Auch bei den Grünen gebe es zum Thema UN-Mandat unterschiedliche Auffassungen, das seien "schwierige Abwägungsprozesse".

Sowieso, hebt der Generalsekretär an, konzentriere sich die politische Diskussion zu oft auf schwarz und weiß statt auf die "Grautöne" dazwischen. "Grüne Töne" hört man Höhn da nur kichern.

Mit "Grautönen" wird die FDP wohl nicht aus ihrer Krise kommen. Im Gegenteil: Die Partei muss mehr denn je Farbe bekennen, für einen echten Neuanfang ihr programmatisches Profil schärfen. Die größte Gefahr für die schwarz-gelbe Koalition: Dass ihr das bürgerliche Lager davonrennt. So wie Alexander Kolb, der in Bayern von der CSU zu den Grünen wechselte. Er darf in der Hart-aber-fair-Runde von seinem Läuterungsprozess berichten. Vor allem das Atommoratorium habe die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung beschädigt. Besonders litt dabei die FDP - Wirtschaftsminister Rainer Brüderle soll die Atomkehrtwende vor Industrievertretern als Wahlkampfmanöver dargestellt haben.

Bei Hart aber fair setzt Generalsekretär Lindner erneut zur Verteidigung an. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima-1 habe man nicht zur Tagesordnung übergehen können, sagt er. Lindner selbst hatte vorgeschlagen, die älteren Atommeiler über die Dauer des Moratoriums hinaus stillzulegen. "Machen Sie das jetzt?", bohrt Bärbel Höhn nach. Er habe eine Vereinbarung mit den Atomkonzernen vorgeschlagen, nach der die alten Kraftwerke früher vom Netz und die neueren dafür länger laufen könnten, erläutert Lindner - eine solche Vereinbarung sei aber durch die Klagen der Konzerne gegen das Moratorium obsolet.

Nun nimmt das grün-gelbe Duell an Fahrt auf: "Ganz so doll ist es ja mit ihrem Ausstieg dann doch nicht", kommentiert die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende trocken. Lindner wettert zurück: "Wir wollen Sie ja auch nicht in Ihrer Irrationalität übertreffen."

Irrationalität hin oder her, die Grünen steuern in diesen Umfrage-Tagen Richtung Kanzleramt, während die FDP es nicht mal in den Bundestag schafft. Bleibt also die Frage: Was kann die FDP von den Grünen lernen? Die Grünen seien die einzige Partei mit einem "klar erkennbaren Kern" (der Energiewende), die viele "Suchende und Verzweifelte" mit ihrer Glaubwürdigkeit überzeugen, urteilt Jörges.

Christian Linder wirkt selbst ein wenig verzweifelt, als er sich dem "spannenden Phänomen" der bürgerlichen Grünen-Wähler widmet. Die Grünen seien das "trojanische Pferd der deutschen Politik", kommentiert der FDP-Generalsekretär am Ende der Sendung: Die Wähler seien bürgerlich, die Partei gehöre hingegen zur alten Linken. Immerhin: Die Griechen gewannen mit dem falschen Pferd den Kampf um Troja.

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