TV-Kritik: Hart aber fair:Gefahr, Gefahr, der Henkel hilft

Wie schön, dass er wieder da ist: Bei den Henkel-Festspielen, dritter Teil, redet der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel über den Euro, räumt Schuld ein und gleich wieder aus - und träumt ein bisschen von der D-Mark.

Hans von der Hagen

Da der Fernsehzuschauer hier wirklich durcheinanderkommen kann, zunächst eine behutsame Einordnung: An diesem Mittwochabend wurde in der ARD bei Frank Plasbergs Hart aber fair über den "Kampf um den Euro" diskutiert; das schloss die bange Frage ein: "Kann Deutschland ganz Europa retten?"

Neues Buch von Hans-Olaf Henkel

Der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel: Mahner in der dunkelgrauen Euro-Welt.

(Foto: dpa)

Maybrit Illner hingegen sorgte sich am vorvergangenen Donnerstag in ihrer ZDF-Sendung unter der Überschrift "Deutschland, Zahlmeister Europas" illnerisch-atemlos, ob "unser Geld" jetzt "kaputtgeht". Sandra Maischberger wiederum ließ kurz darauf in der ARD diskutieren: "Ist Deutschland wirklich in Gefahr", dachte dabei allerdings eher an "die Sarrazin-Debatte".

Wer mag sich angesichts dieses Furors noch wundern, dass selbst das Elterngeld in Deutschland keinen mehr ermutigen kann, Kinder in diese dunkelgraue, tief verschuldete Welt des Euros zu setzen.

Dabei gäbe es einen Grund, nicht zu verzweifeln. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner dieser Fernsehsendungen: Hans-Olaf Henkel, der frühere Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). In allen drei Fernsehshows war er zugegen und die schiere Macht der Wiederholung lässt die Deutschen seinen Argumenten leicht folgen, ja, ihn als Vertrauten wahrnehmen. Es ist, als würde er neben dem Zuschauer auf dem Sofa sitzen und die Welt erklären.

Ermutigend ist das vor allem deshalb, weil bis unmittelbar vor Erscheinen seines aktuellen Buches Rettet unser Geld - Deutschland wird ausverkauft von Henkel eigentlich kaum mehr die Rede war - sein Vorgängerwerk Die Abwracker ist ja nun auch schon einige Zeit auf dem Markt. Wenn Henkel jetzt also erneut omnipräsent ist, nötigt das einem Respekt ab: die Verlags- und Werbemaschinerie scheint immer noch tadellos zu funktionieren, Autoren werden in Talkshows platziert. So schlecht kann es um Deutschland also nicht stehen.

Dabei verfolgt Henkel neuerdings eine ganz eigenwillige Strategie: Er gibt sich zerknirscht: Diese Euro-Geschichte sei eine fatale Fehleinschätzung gewesen, sagt er. Insgesamt, aber auch seinerseits. "Ich war für den Euro, ich habe mich enthusiastisch für ihn eingesetzt", bekennt er bei Hart aber fair. Mittlerweile zeige sich: Das war Unfug.

Dummerweise hat er diese Sätze zuletzt so oft gesagt, dass sie schon unter die Wahrnehmungsschwelle zu rutschen drohen. Außerdem ist Henkel klug genug, gleich die öffentliche Entschuldigung wieder zu entschuldigen: Wenn die Politik alles so gemacht hätte, wie sie es ursprünglich versprochen habe, hätte er natürlich recht behalten.

Also: Fehler ja, aber die anderen waren schuld. Und der Euro selbst auch, denn mit dieser Währung kamen "einige südliche Länder" plötzlich an die niedrigen "deutschen Zinsen" - und haben Kredite aufgenommen.

Im Grunde hätte Plasberg die Sendung schon an dieser Stelle ohne nennenswerte Verluste beenden können, aber es galt noch weitere 70 von insgesamt 75 Minuten Sendezeit zu füllen - und die anderen Gäste zu Wort kommen zu lassen.

Die Lizenz zum Schludern

Zwar waren zwei der Diskutanten, CDU-Mann Armin Laschet und SPD-Vertreter Rudolf Dreßler, offenbar in letzter Minute für zwei schneebedingt verhinderte Gäste eingesprungen, doch die anderen - Joachim Llambi, Halbspanier, Tänzer und Börsenmakler, Susanne Schmidt, Bankerin und Helmut-Schmidt-Tochter, und Max Otte, Buchautor und Wirtschaftsprofessor, warteten auf ihre Auftritte.

Wie praktisch, dass zum Euro jeder etwas zu sagen hat. Llambi will es dann "auch nicht ganz so stehen lassen", dass die Südländer - Plasberg nennt sie "Hallodri-Länder" - eine "Lizenz zum Schludern" erhalten hätten. Vor allem die Finanzkrise sei schuld an den Problemen der Länder, nicht die "andere Mentalität" im Süden. Da sollte man "ein bisschen vorsichtig sein, das nicht zu sehr auf den Euro zu schieben".

Diesen Gefallen tun ihm die übrigen Gäste. Laschet hält sich mit der Schuldfrage des Euro nicht weiter auf, sondern untersucht lieber das Versagen Henkels. Könne es nicht sein, das dieser jetzt schon wieder falsch liege? Harter Nord-Euro, weicher Süd-Euro, habe Henkel die Konsequenzen dieser hervorgeholten Idee überhaupt bedacht? Außerdem seien es nicht die Südländer, sondern Deutschland und Frankreich gewesen, die die ersten blauen Briefe wegen Verstoßes gegen die Maastricht-Kriterien bekommen hätten.

Schmidt weiß, dass es das strukturelle Problem in der Währungsunion von Anfang an gegeben habe, und Otte freut sich tapfer, dass er mit seinen Crash-Vorhersagen "leider recht" behalten habe.

Immerhin schrieb er ja schon 2006: "Wenn ich die Zeichen richtig verstehe, die uns die Weltwirtschaft derzeit überall hinterlässt, dann muss es krachen - und zwar mit einer gewaltigen Wucht". Und schon 1998 sagte er: "Der Euro wird kommen und gehen." Für solche Sätze hat er damals wohl keinen Verlag in Deutschland gefunden - heute bekommt er dafür Applaus beim Hart-aber-fair-Publikum.

Überhaupt, die frühen Mahner haben es Plasberg angetan: "Irre ist, wie genau sie getroffen haben", schwärmt der Moderator - und erwähnt gleich noch einen: Den Schriftsteller Frederick Forsyth, der dem früheren Kanzler Helmut Kohl schon 1997 geraten habe, die D-Mark zu behalten. Und Forsyth wusste auch, wer die Hauptleittragenden sein werden: die Deutschen, "die bezahlen werden, wieder einmal".

Da wird Plasberg ganz aufgeregt: Die Deutschen zahlten tatsächlich, doch die Stimmung wende sich in Europa trotzdem gegen sie. Dann rechnet er noch vor, dass die Deutschen ihre Mark zurückbekommen könnten - für schlappe 944 Millionen Euro, also 1,85 Milliarden Mark. Außerdem müssten die Nachbarstaaten zustimmen oder Deutschland gleich ganz aus der EU austreten, was allerdings bei der gezeigten Ablehnung auch kein Problem mehr sein sollte.

Für Henkel ist die Mark allerdings nur die drittbeste Lösung; vorteilhafter wäre der Nord-/Süd-Euro, wobei er Nord/Süd nicht unbedingt geographisch verstanden haben will. Und am allerbesten dann doch wieder der Euro, "wenn die Politiker die ursprünglichen Versprechen einhielten". Aber das hatte Henkel ja schon eingangs gesagt.

An diesem Donnerstag geht es übrigens weiter: Maybrit Illner fragt in ihrer Sendung: "Weiche Währung, harte Zeiten - ist der Euro in Gefahr?" Henkel ist allerdings nicht dabei. Es könnte also gefährlich werden - diesmal wirklich.

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