Harald Schmidt bei Sat 1:Solo für Onkel

Der Einstieg mit einer Günther-Jauch-Parodie war perfekt, am Ende schien ihm sein Senderumfeld dann doch etwas peinlich zu sein: Der neue Harald Schmidt auf Sat 1 ist der alte, nur dünner - und offenbar besser gelaunt. Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Nun haben die Geister wieder etwas, woran sie sich scheiden können: den Comeback-Auftritt von Harald Schmidt bei Sat 1. Wie hat er sich gemacht, ist die neue Show so gut wie die Anfänge seines Late-Night-Talks vor 16 Jahren auf demselben Sender, oder ist sein ehemals so ätzend zynischer wie glänzend beißender Humor im Öffentlich-Rechtlichen verlorengegangen?

Harald Schmidt mit Auftaktshow bei Sat.1

Harald Schmidt bei seiner Auftaktshow in Sat.1: Der Chef-Zyniker der Nation hat sichtbar abgespeckt, wirkt erholt, gutgelaunt und voller Elan.

(Foto: dpa)

Von Begeisterung über die angeblich hochkarätige Rückkehr des "Dirty Harry" über leichtere Lobeshymnen bis zu Kritik am "alten Wein in alten Schläuchen" beeilten sich die Kritiker noch in der Nacht direkt nach der Sendung im Netz zu urteilen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Schmidt hat am Dienstagabend nach drei Monaten Late-Night-Pause und nach acht Jahren Sat-1-Pause eine gute Show geliefert, aber längst nicht sein Bestes gegeben.

Der Einstieg war ein Treffer, aber er hatte auch ein leichtes Opfer: Günther Jauchs eher misslungenen Talkshow-Neustart vom Sonntag zu parodieren, war eine Lacher-Garantie. Die "Ich-bin-happy-am-Mittwoch"-Anne-Will-Konkurrenz dazu grün vor Neid und speiend aufs Sofa zu setzen, kein Muss, aber immer noch ganz lustig. Beides zielte auch gegen seinen frisch verlassenen Arbeitgeber, die ARD.

Dazu hatte der Chef-Zyniker der Nation sichtbar abgespeckt, wirkte erholt, gutgelaunt und voller Elan. Dass er allerdings in bester Dieter-Thomas-Heck-Manier die offenbar irgendwie verplante Sendezeit mit einer eher schrägen Gesangseinlage überbrücken musste, verlieh ihm zwar Entertainer-Retro-Schick, der Sendung aber etwas Staubiges.

Fast wie Pofalla

Es folgten eher lahme Gags über Schuldnerberater Peter Zwegat auf griechischen Münzen und Guttenbergs Doktorspiele in Amerika, bevor als Sidekick Olli Dittrich vorbeischaute und im Anzug wohl unbeabsichtigt in Art und Optik an Bundeskanzleramtschef Ronald Pofalla erinnerte. Die beiden Spaßmacher verloren sich in einem Wettbewerb um schlechte Witze und Erinnerungen an Rudi Carrell - immerhin aber zeigte Schmidt abseits der vorgeschriebenen Lachnummern den schon seit längerem vermissten Wortwitz und elegant zwischengeschobene Späßchen. Schön, dass er wieder da ist.

Sehnlich erwartet und dann doch ein wenig uninspiriert war Stargast Hape Kerkeling, der das Spiel, um den heißen Brei herum und bloß nicht über seine mögliche Gottschalk-Nachfolge bei "Wetten, dass ...?!" zu reden, aber vergnüglich zelebrierte. Am Ende hatte der geneigte Zuschauer erfahren, dass der Komiker eine neue Sendung im ZDF, ein Musical in Düsseldorf und eine Einladung zu Tietjen und Hirschhausen im NDR habe, sonst aber "noch ein paar Termine frei".

Die deutsche Comeback-Band "Guano Apes", deren Leadsängerin Sandra Nasic inzwischen wie eine Mischung aus ARD-Moderatorin Gabi Bauer und Chansonsängerin Ute Lemper wirkt, passte insofern ganz gut zum Abend, als auch sie wie ihr Gastgeber ihre beste Zeit zur Jahrtausendwende hatte. Der Unterschied ist nur: Schmidt ist seitdem nicht von der Bildfläche verschwunden.

Jetzt könnte es wieder besser werden

Am Ende bleibt zu wünschen, dass Deutschlands immer noch bester Entertainer in seinem 55. Lebensjahr womöglich wieder zurück zu alter Form findet - denn ein scharfzüngigerer, respektloserer, zeitgleich so dekadent bildungsbürgerlicher wie massentauglicher TV-Humorist ist bei weitem nicht in Sicht. Der einzig vergleichbare Mann, Stefan Raab, ist zwar auf seine Weise genauso populär, wird einem Harald Schmidt aber intellektuell niemals das "deutsche Wasser" reichen können.

Der Anfang zum Anknüpfen an womöglich sogar alte "Schmidteinander"-Zeiten ist gemacht. Jetzt könnte es wieder besser werden. Zwischen zwei dicken Werbeblöcken, zwei Gästen und einer Band blieb am ersten Abend noch wenig Zeit für viel Spaß oder gar echte politische Satire, und auch der Nachwuchs aus der ARD (wie Kathrin Bauerfeind oder Klaas Heufer-Umlauf) war nicht dabei. Aber was nicht war, kann ja noch werden. Und am liebsten hätte Harald Schmidt sowieso noch den Donnerstagabend auf Sat 1 dazu - wenn da nicht schon der Kerner säße.

Für die heutige Sendung am Mittwochabend, wieder um 23.15 Uhr auf Sat 1, kündigte Schmidt am Dienstag jedenfalls schon mal an: "Mann, haben wir geiles Material für morgen gespart." Wenn er trotz Tiefstapler-Gag-Gefahr mit diesem Schwung weitermacht, muss man sich um die Sendung zumindest keine größeren Sorgen machen.

Nur ganz am Ende, als er die nachfolgende Reportage zu präsentieren hatte, die den klingenden Namen "Drunter und drüber - Stellungswechsel im Pornoland" trug, da wirkte Harald Schmidt dann doch ein wenig kleinlaut und als ob er sich erst wieder daran gewöhnen müsse, dass vor und nach ihm jetzt wieder Halbseidenes läuft. Doch selbst das kann noch zur Win-Win-Situation werden: Sat 1 hat wieder so etwas wie Klasse - und Harald Schmidt darf endlich wieder der definitive Klassenprimus sein.

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