TV-Kritik:Glaubensfragen und Selbstkritik

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In ihrer ARD-Talkshow hat Sandra Maischberger am Mittwochabend mit ihren Gästen Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zeiten europaweit steigenden Drucks auf die Sender diskutiert.

Von Claudia Tieschky

Die Bürger in der Schweiz stimmen diesen Sonntag darüber ab, ob sie ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen wollen, beziehungsweise seine Finanzierung. Der Schreck darüber, dass das wirklich passieren könnte, bringt derzeit auch unerwartete Solidarisierungen. Zum Beispiel von Roger Schawinski, der in der Schweiz immerhin einmal den Privatfunk erfand. Oder vom Kabarettisten Emil Steinberger, der in der ARD-Sendung Maischberger am Mittwochabend zugeschaltet war und derart für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, kurz SRG, warb, dass die Moderatorin einwarf, sie sei verwundert, dass Steinberger sich "für ein bürokratisches Monster" einsetze. Aber nein, das sei doch kein Monster, erklärte ihr Steinberger.

Da ahnte man: Von der öffentlich-rechtlichen Selbsterforschung im eigenen Programm - grundsätzlich schon mal schwierig - zur schlichten Solidarisierung mit den eigenen Interessen ist es nicht weit. Zumal mit dem ehemaligen Premiere-Chef und einstigen Pro-Sieben-Gründer Georg Kofler und der AfD-Politikerin Beatrix von Storch sozusagen nur eineinhalb Fundamentalkritiker mitdiskutierten - Kofler ist immerhin bei Gerd Bacher im ORF sozialisiert worden. Dazu hatte Maischberger WDR-Intendant Tom Buhrow, Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay und Thomas Gottschalk geladen. Der brachte Gott sei Dank Unterhaltungswert in die Runde, lästerte über öffentlich-rechtliche Aufsichtsgremien, "die keine Ahnung von Fernsehen haben", witzelte aber auch auf eigene Kosten, die Debatte über die Höhe von Moderatorengagen sei "so alt wie ich".

"Wozu brauchen wir noch ARD und ZDF?", fragte Maischberger angesichts der Schweizer No-Billag-Abstimmung (benannt nach der Billag AG, die die Gebühren erhebt). Es gibt weitere Anlässe, die Angriffe der FPÖ auf den österreichischen ORF etwa (Kasten ), oder die Präsidentenkritik am französischen Fernsehen, der regierungskontrollierte Rundfunk in Polen und natürlich auch die deutsche Debatte um ARD und ZDF. Vorgeglüht wurde schon in den Tagesthemen in eigener Sache mit einem Erklärstück und einem Kommentar von WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich - über die Notwendigkeit der Öffentlich-Rechtlichen für die demokratische Gesellschaft, verbunden mit dem Aufruf zur Selbstkritik. Das war ein Glaubensbekenntnis, und von Mikich in Richtung der Kritiker mit der nur halbironischen Fußnote versehen, kein Chef und kein Lobbyist habe ihr diesen Text vorgesagt.

Der Druck von Gegnern der Abgabe und politischen Parteien ist tatsächlich europaweit ein so auffälliges Phänomen, dass es eine Berichterstattung rechtfertigt. Man kann aber auch der Meinung sein, dass es grundsätzlich in die Abteilung Propaganda fällt, wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihren gebührenfinanzierten Programmplatz in eigener Sache nutzen. Zumal dann in dem eingebetteten Halbstundenbeitrag des Weltspiegel die No-Billag-Initiatoren kaum ernsthaft zu Wort kamen. Stattdessen verdichtete sich alles immer mehr zu einem Ganz-oder-gar-nicht-Szenario, und zwar zu einem schrecklichen: Ohne Öffentlich-Rechtliche könne die rätoromanische Sprache untergehen, drohe der Verlust des unabhängigen Journalismus und überhaupt der Meinungsfreiheit.

Ergebnis des Abends: Die ARD hat begonnen, sich ihrem zahlenden Publikum zu erklären

Dass die Diskussion dann immer wieder einen ganz ordentlichen Eindruck hinterließ, hatte mit Sandra Maischberger zu tun. Die moderierte so wenig pro domo, dass einem wieder einfiel, dass sie ihren Talk ja einst im Privatfernsehen begonnen hat. Die Sendezeit wurde überzogen, dafür kamen fast alle wesentlichen Kritikpunkte an ARD und ZDF zur Sprache, die objektivierbaren und die stimmungsmäßigen. Dass der faire Wettbewerb von den Öffentlich-Rechtlichen behindert werde, meinte Kofler. Auch Zweifel an der Objektivität der Berichte zur Flüchtlingskrise und über den Krim-Konflikt fanden in die Diskussion. Man habe nach bestem Gewissen berichtet, sagte Pinar Atalay, aber vielleicht habe man sich in der neuen Situation auch erst sortieren müssen. Es werde parteiisch informiert, fand Beatrix von Storch, die Sender lieferten Denkmuster gleich mit; und ein Regierungssprecher könne schnell Intendant werden. "Warum verdient der WDR-Intendant mehr als die Kanzlerin?", fragte Maischberger ihren Chef Buhrow. Sie bekam darauf eine ebenso maue Antwort ("ein Gehalt, das festgelegt ist", "ich habe weniger als das, was vorher war") wie später von Georg Kofler auf ihre Frage, ob es wirklich billiger als 17,50 Euro sei, sich Serien bei Netflix, Sport bei Sky und Musik bei iTunes zu kaufen, also nur das zu konsumieren, was man wirklich nutze - Hauptwunsch der Abgabengegner. Am Ende keine Einigkeit, sondern unendlich viele Streitthemen auf dem Tisch. Ergebnis des Abends: Die ARD hat damit begonnen, sich ihrem zahlenden Publikum zu erklären.

Einen Rat hatte Gottschalk noch: Er empfahl weniger Quotendenken und mehr Arroganz im Sinn von "Wir sind die Öffentlich-Rechtlichen und wir haben einen Auftrag". An diesem Abend immerhin war das Gebührenfernsehen ganz bei sich. Es ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass im Privatfernsehen demnächst diskutiert wird, wer RTL oder Pro Sieben noch braucht.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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