TV-Kritik: Germany's Next Topmodel:Cindy-rella und der Ritter

Thomas Gottschalk tritt als edler Musketier auf und Cindy Crawford hält ihm als gute Modelfee das Händchen. Allerdings nur virtuell. Heidi? War auch dabei.

Rupert Sommer

Ein floral bestickter Ärmel schiebt sich ins Bild. Es klopft. Pauline öffnet vorsichtig die Tür. Eine üppig gelockte Gestalt betritt die Modelvilla in den Hügeln über Los Angeles. "Erinnerst du dich noch", fragt der Mann mit sanfter Stimme, "ich bin Onkel Thomas aus Amerika."

Heidi Klum, Foto:;dpa

Hatte diesmal Moderatorenkollege Thomas Gottschalk und Laufsteglegende Cindy Crawford in ihre Show geladen: Heidi Klum.

(Foto: Foto: dpa)

Wahrlich märchenhaft lief die Wetteinlösung von Thomas Gottschalk in der Privatsender-Modelshow von Heidi Klum ab. Denn eigentlich gibt es den edlen Ritter nur noch in Gute-Nacht-Geschichten, der sich schützend vor ein bedrängtes Edelfräulein stellt und ihr mit ruhigen männlichen Worten beisteht.

Bei Germany's Next Topmodel tauchte nun ein weißblonder Ritter auf, um Burgfräulein Pauline aus ihrer Modelnot zu helfen.

Tipps von Thommy

Die Schöne war in einer Wetten, dass..?-Sendung im Januar in Friedrichshafen von Heidi Klum für die Topmodel-Sendung auserwählt worden. Moderator Gottschalk versprach damals, bei den Nachwuchsmodels vorbeizuschauen, sollte es Pauline in die Top Ten schaffen. Mittlerweile sind nur noch acht Laufstegprinzessinnen im Wettbewerb - und der Besuch von TV-Ritter Gottschalk kam für die bislang glücklose Pauline genau zur richtigen Zeit.

Denn anders als die ehrgeizige Hanna, die beim Buhlen um einen Werbe-Job mit Regisseur Marco Kreutzpaintner (Krabat) am erfolgreichsten flirtete, oder die engelsgleiche Leyla, die später für ein Fotoshooting am Strand herausgeputzt wurde, hatte Pauline wieder einmal keinen Goldtaler in ihrem Kleidchen aufgefangen.

Und dabei sind doch die "Jobs" genau das, was zählt. Wichtig ist, dass in der rauen Modelwelt die Kasse klingelt: Heidi Klum, deren Geschäftstüchtigkeit in den Genen zu liegen scheint, hatte dafür gleich die passende Handbewegung parat: Pinkepinke makes the world go round.

"Ich bin immer auf Sendung"

Wie gut also, dass es in höchster Not den Thommy gibt: Der hatte fürs Aufbaugespräch mit Pauline ("nachdem ich Dich in dieses Schlammassel reingeschmissen habe") auch einige Weisheiten mitgebracht. "Ich bin so wie ich bin", heißt die Zauberformel, die er seinem aufmerksamen Schützling zum Beherzigen vorbetete.

Die Parallele zwischen Paulines Modelträumen und seiner eigenen Fernsehpraxis lagen für Gottschalk auf der Hand. "Ich stell mich dahin, und mache etwas, was die Welt nicht braucht. Das ist bei Dir genauso", sagte er. Gleichzeitig revidierte er seine Prognose aus dem Januar. Jetzt sagte er Pauline einen Platz unter den letzten fünf Topmodel-Kandidatinnen voraus.

"Ich bin immer auf Sendung", beschwor Gottschalk weiter seine Pauline, "ob ich nun zehn Millionen Zuschauer habe oder nur einen, der da jetzt sitzt." Wichtig sei nur, dass man seine Aufgaben ohne Verbissenheit erledige. Dann klappt's auch mit den "Werbefritzen", verriet Onkel Tom.

Pauline strahlte und Thomas entschwebte mit gewichtig klingenden Worten. "Merkt Euch Pauline", sagte er in die ProSieben-Kameras und schob als Begründung für sein Model-Mädchen-Wissen hinterher: "Ich habe Heidi Klum entdeckt, das darf man nicht vergessen."

Tatsächlich trat der spätere Weltstar 1992 in Gottschalks damaliger RTL-Late-Night-Show erstmalig ins Rampenlicht. Heidi herself revanchierte sich artig und bestätigte für die etwas jüngeren ProSieben-Fans: "Von Thomas kann man einiges lernen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob sich Thommys Tipps für Pauline auszahlten.

"Es ist traurig, dass Du die ewige Zweite bist"

Doch duldete Herrscherin Heidi wirklich einen Nebenbuhler wie Thommy in ihrem Reich? Hatte Pauline Thomas' Weisheiten richtig verstanden oder hatte der ihr trügerische Flausen in den Kopf gesetzt? Und würde sich das Show-Schicksal wenden, und Pauline trotz oder gerade wegen der Hilfe eines ZDF-Märchenonkels grausam aus dem High-Heel-Paradies vertrieben?

Ausgerechnet dem sonst milden Juror "Q" hatte Heidi Klum die Rolle des Giftspritzers zugedacht. Er sprach Freundlichkeiten aus - um dann doch Pauline empfindlich zu verletzen. "Es ist traurig, dass Du die ewige Zweite bist", stänkerte er.

Musste Pauline für Gottschalks Dreistigkeit büßen?

Muss man unter Verfolgungswahn leiden, um hier einen Seitenhieb auf die rührigen ZDF-Kollegen herauszuhören? Wer anders als der Gottschalk-Sender könnte darunter leiden, eben nur "das Zweite" zu sein?

Ob Klum sich also doch geärgert hatte, dass ihr der Show-Onkel im trügerischen Gewand einer Wette in das ureigenste Geschäft (siehe "Pinkepinke") hineingepfuscht hatte, als er ihr unverhofft noch ein Mädchen mit auf die Reise gab? Musste Pauline für Gottschalks Dreistigkeit büßen?

Und doch: Wie alle guten Märchen, hatte auch ihre Geschichte - wenigstens diesmal - ein Happy End. Die 19-Jährige vom Bodensee bekam ihr heißbegehrtes Foto. Aus dem Model-Reich verstoßen wurde stattdessen die schöne, aber glücklose Viktoria.

Rundherum um dieses in Märchenform gekleidete Schattenboxen zwischen Altherren-Unterhaltung Marke ZDF und dem We love to entertain you von ProSieben bot die Show diesmal durchaus kurzweiliges Amüsement.

Beinahe ließen sich die Mädels nämlich von pfundigen Schönheiten die Show stehlen: Beim von Kristian Schuller mit schnarrender Stimme orchestrierten Vaudeville-Shooting zogen zwei Elefanten alle Blicke auf sich.

Cindy, die Makellose, spricht zu den Mädchen

Für den abschließenden "Live-Catwalk", der letzten Stolperdisziplin vor der Bekanntgabe der Gewinnerinnen hatte Heidi Klum sich außerdem einen persönlichen Wunsch erfüllt - mit Cindy Crawford lud sie etwas gönnerhaft eine Topmodel-Kollegin als Co-Jurorin ein. Immerhin konnte die Strahlende mit dem berühmten Schönheitsfleck zur ihren (und Heidis) besten Zeiten durchaus die größere Weltkarriere vorweisen.

Nachdem Gottschalk im Modelhaus von den Mädchen mit quietschigen Kommentaren wie "Du bist cooler als Katie Perry" empfangen wurde, mussten sich die jungen Mädchen also auf eine zweite nostalgische Zeitreise einlassen. Bei Kandidatin Laura mischte sich jedenfalls etwas Verwunderung in die Bewunderung: "Oh mein Gott", schnappte sie nach Luft, "Cindy Crawford spricht zu mir."

Anders Pauline: Die hatte da den generationenübergreifenden Respekt schon längst verinnerlicht. Erleichtert über ihr Weiterkommen gab sie brav zu Protokoll: "Thomas muss ganz stolz auf mich sein." Falls es mit der ProSieben-Karriere und den "Werbefritzen" doch nicht klappt, gibt's für sie zum Glück ja noch den netten Onkel vom ZDF.

Und der glaubt an Pauline: "Die ist nicht darauf angewiesen, den Rest ihres Lebens Model zu bleiben", sagte er. "Sie kann es auch als Diplomingenieurin, Tierärztin, Krankenschwester, eventuell sogar als Hotel-Direktorin schaffen." Was für ein tröstliches Märchen.

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