TV-Kritik: Die Super Nanny:"Du bist nicht lieb!"

Kerngeschäft Problemfamilie: Die Super Nanny ist wieder aktiv - doch so ganz allein kann sie die Welt auch nicht retten.

Katharina Riehl

Man versteht ja eigentlich nicht, warum die SPD diesen letztjährigen Bundestagswahlkampf nicht für sich entscheiden konnte. Da hatten doch die Sozialdemokraten im vergangenen Juli eine Frau an Bord geholt, der es sonst stets gelingt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Eine Frau, die etwas von guten Quoten versteht und weiß, wie man in einem Haufen zerstrittener Gören für Ruhe sorgt.

Die Frau hieß Katharina "Katia" Saalfrank, im Hauptberuf Super Nanny beim Privatsender RTL, eine Art Mary Poppins, nur ohne Zaubertasche und Flugregenschirm. Im mittlerweile sechsten Jahr berät sie dort vom Leben geplagte Familien in Sachen Kindererziehung.

Saalfrank sollte für die Familienpolitik der Partei werben, die Probleme dieser Großfamilie konnte sie aber dann doch nicht lösen, weshalb sie sich jetzt wieder auf ihr Kerngeschäft besinnt: Zum Auftakt der neuen Staffel ist Katia Saalfrank am Mittwochabend zu Besuch bei Kristin und Thomas in Belleben, Sachsen-Anhalt. Die beiden haben zweijährige Drillinge, die tatsächlich auf die Namen Justin, Jamie und Chayenne hören.

Reiß dich zusammen!

Kristin und Thomas sind mit den drei Kleinkindern völlig überfordert, die Kamera hält gleich ein paar Minuten drauf, als Kristin ihre Kinder ordentlich zusammenbrüllt: "Du bist nicht lieb!", schreit sie und "Reiß dich zusammen!". Dann erklärt sie noch, dass sie ihre Kinder nur dann haut, wenn sie eine Windel anhaben. Eines der drei ziemlich süßen Kinder schaut dazu mit großen, weinenden Augen über dem Schnuller in die Kamera. Auftritt Super Nanny.

Was jetzt kommt, ist bekannt. Frau Saalfrank läuft mit bedenklich wiegendem Kopf den Wohnungsflur auf und ab, während die Eltern weiter ihre Kinder anplärren; die freundliche Stimme aus dem Off erklärt, Katia Saalfrank habe feststellen können, dass Gewalt und Strafen den Alltag dieser Familie bestimmen: Es ist schließlich eine pädagogische Sendung, da soll auch jeder alles verstehen. Katia Saalfrank stellt überraschenderweise fest, dass die jungen Eltern mit ihrer Situation völlig überfordert sind und malt ein großes Plakat, auf dem sie erklärt, was Kinder im Leben für Bedürfnisse haben. Später sitzt sie dann in einem abgedunkelten Raum und haucht ihre Analysen konspirativ in die Kamera.

Das Perfide an der Super Nanny ist ja seit jeher, dass man nicht umhin kann zu glauben, dass die Familien, in deren Küchen sie ihren Flip-Chart aufbaut, ein wenig Unterstützung durchaus gebrauchen können: Als Kirsten und Thomas erfahren, dass ein Zweijähriger einfach nicht kapiert, warum man ihm eine knallen darf, er aber trotzdem nicht den eigenen nervigen Bruder vermöbeln soll, sind sie sichtlich überrascht. Und die Darstellung ist gerade deshalb perfide, weil man natürlich trotzdem weiß, dass es sich bei RTL nicht primär eine Vereinigung von Menschenfreunden handelt, die mit ihrer Sendung bedürftigen Familien die nötige Hilfe zukommen lassen will.

Und so ist der spannendste Teil dieser Folge vielleicht der, in dem Katia Saalfrank mit den jungen Eltern zum Jugendamt geht, um dort für sie pädagogische Unterstützung für den Alltag zu beantragen - und das völlig ohne RTL.

Das ist deswegen spannend, weil nicht so getan wird, als wären nach einer Runde heulen in den Armen der Nanny Saalfrank und einem Ausflug auf den Spielplatz alle Probleme gelöst. Vor allem aber, weil klar wird, dass es durchaus andere Methoden gibt, sich und seiner Familie helfen zu lassen, als eine Heerschar Kameraleute in die eigene Wohnung zu bitten, und sich und sein verkorkstes Familienleben eine Stunde lang vor der Fernsehnation auszubreiten. Ganz allein kann Katia Saalfrank die Welt eben doch nicht retten. Nicht die Welt, und nicht die SPD.

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