TV-Kritik: 2010 - Das Quiz:Gut, dass es vorbei ist

Das Jahr ist gelaufen. Doch am vorletzten Showabend fährt die ARD alte und neue öffentlich-rechtliche Gesichter auf, die sich im Showtanzen, munteren Zitate-Raten und Wettwitzeln messen müssen.

Rupert Sommer

Durchatmen und Schampus kaltstellen: Das Jahr ist gelaufen, die Quotenkämpfe ausgestanden. Das Hauen und Stechen um die attraktivsten Talk- und Show-Sendeplätze ebenso, für die ARD-Teamchef Volker Herres zuletzt tief in die Tasche gegriffen und neue Leistungskader zugekauft hat. Am vorletzten Fernsehabend, bevor Andy Borg die Treuesten der Unterhaltungstreuen Richtung 2011 hinüberschunkelt, drehte sich in Frank Plasbergs liebenswert kurzweiligem, wenn auch überlangen Rückschau-Ratespiel 2010 - Das Quiz noch einmal alles um "das liebe Geld".

Das Quiz - 2010

Kai Pflaume sprang bei den Action-Elementen für Günther Jauch ein - der hatte Rücken.

(Foto: NDR/Klaus Görgen)

Wobei tatsächlich eher "das Liebe" im Vordergrund stand: Die vier Promigäste spenden auch diesmal ihre im Showtanzen, Popkultur-Plaudern, munterem Zitate-Raten und Wettwitzeln erschwitzten Euros für wohltätige Zwecke. Mit 23.000 Euro wird Tatort-Quotenkönig Jan-Josef Liefers zwei Kinderhilfsstiftungen die dicksten Schecks überreichen, weil er sich, wie schon im Vorjahr, am pfiffigsten schlug. Diesmal verwies er seine Mit-Kandidaten Günther Jauch, die Kabarettistin und NDR-Moderatorin Ina Müller (Inas Nacht) und den in derlei Tingeltangeln unvermeidlichen Eurovisions-Wunderteen Lena Meyer-Landrut auf die Plätze.

"Same procedure as every year", nuschelt da nonchalant der an der ARD-Unterhaltung gestählte Vielfernseher. Und als solcher dürfte er von Beginn weg die kesse Norddeutsche Müller ins Herz geschlossen haben, die sich über die bereitgestellten Wassergläser am Buzzer-Pult mokierte. Wie die blonde Entertainerin - in diesem Fall tatsächlich frisch von der Leber weg - eingestand, bemüht sie sich im Privaten, wenigstens jeweils drei Tage in Folge nichts zu trinken. Sobald Plasberg seine Show abgespult haben würde, was ihm diesmal unverkrampft und mit verschmitzt-familienfreundlichem Peter-Hahne-Lächeln gelang, sei für sie dann aber auch wirklich Feierabend "Danach können wir ja saufen", kündigte Ina Müller schon zu Beginn der Show an - und machte sich und die anderen leitmotivisch locker.

Auch Günther Jauch waren die bereitgestellten Erfrischungsgläser eine Eingangsbemerkung wert. Mit staubtrockener Miene bedankte er sich bei Gastgeber Plasberg fürs Wasser - und drehte demonstrativ sein leeres Glas in die Kamera. Eine kleine Panne der Show-Verantwortlichen, die umso mehr überraschte, da Jauch im Laufe der Sendung wiederholt Extrawürste gebraten bekam und von den Requisiteuren liebevoll umgarnt wurde. Und zudem war der umtriebige Show- und Talk-Master, der ab der zweiten Jahreshälfte seine künftige ARD-Kollegin Anne Will vom Sonntagsplauderplatz verdrängen wird, mit seiner Fernsehfirma i&u selbst Produzent der Plasberg-Quizshow.

Nur Wasser wollte dem Chef offenbar diesmal niemand einschenken. Stattdessen bekam Jauch mehr als einmal sein Fett weg. Dass ihn nämlich der Mittwochstalker und Nebenbei-Unterhalter Plasberg als den "großen alten Mann der ARD" titulierte, war angesichts Jauchs etwas indisponierten Auftritts weder hart noch besonders unfair. Milde lächelten Mit-Kandidaten und Showmaster über die immer neuen Ausflüchte des bei 2010 - Das Quiz erstaunlich altväterlich wirkenden Noch-RTL-Moderators hinweg. "Ich hab' Rücken", gab Günther Jauch in bewährter Horst-Schlämmer-Manier entschuldigend zu Protokoll - und kniff so bei gleich mehreren der von i&u eingefädelten 'Action'-Elementen des Abends.

"Schonen Sie sich", riet ihm Plasberg und fügte fürs Publikum ebenso augenzwinkernd wie patronisierend an: "Wir brauchen ihn noch in der ARD." Kurzerhand ließ er einen Großvater-Ohrensessel hereintragen, auf dem Jauch, der mit Plasberg künftig um die besten Gäste und heißesten Themen wetteifern wird, Platz nehmen und ausspannen durfte. "Es geht insgesamt dahin", witzelte Jauch über den eigenen Verfall. "Ausgebrannt", lautete seine schonungslos offene Selbst-Diagnose. Seit wann ARD-Programmdirektor Herres das wohl weiß?

Erst das Wasser, dann das Vergnügen

Doch zum Glück gibt's im Ersten auch noch verlässliche Hoffnungsträger: Als "Körper-Double" für Jauch holte Plasberg nämlich einen Mann in seine Sendung, der dem durch und durch von Erwartbarkeit bedrohten Rückschau-Abend doch noch Glanz verlieh - und positive Vorerwartungen für ein neues ARD-Jahr weckte: Kai Pflaume. Der Nur-die-Liebe-zählt-Mann kann nämlich ganz offensichtlich deutlich mehr, als Schwiegermütter in Wallung zu versetzen. Als mehr oder minder spontan engagierten Senioren-Zivi - sein Show-Partner und Pflegefall Jauch führt ihn nicht ganz zufällig auch in der Riege der i&u-Moderatoren - machte Pflaume nicht nur beim Ganzkörper-Schlittern über eine Eislauffläche, sondern auch beim beherzten Tango-Tanzen oder beim finalen Todessprung in einen nachgebauten isländischen Aschewolken-Vulkan Bella Figura.

Außerdem bewies er genau die Schlagfertigkeit, von der selbst Plasberg etwas lernen kann. Pluspunkt: Aus der Notlage, für Jauch die Kastanien aus dem Feuer holen zu müssen, entwickelte Kai Pflaume kurzerhand eine vielversprechenden ARD-Unterhaltungsidee. "Da machen wir eine Show draus", kündigte er an. Arbeitstitel: "Vertritt den Jauch". Dass er dabei geschäftstüchtig bleibt, darf man seiner Privatsender-Sozialisation zuschreiben. "Ich lege gesteigerten Wert darauf", sagte Pflaume, als er stellvertretend seinen Kopf hinhalten musste, "dass nicht ich bei der ARD arbeite - und das Geld Jauch bekommt."

Dass die Chemie zwischen den beiden Noch-Privat-TV-Sympathieträgern trotz aller Frotzelei einfach stimmt, wurde später selten so deutlich wie bei Plasbergs Schneeballspiel. Dazu wurde dann der hüftsteife Jauch - wie die deutlich kregleren Mitkandidaten - in überdimensionierte, plüschig wirkende Schneemann-Kostüme gehievt. Weil Jauch die Anatomie der weißen Eisriesen irritierte, geriet er mit Familienvater Pflaume in eine angeregte Diskussion, die Plasberg kaum bändigen konnte. "Bevor wir klären, wo Jauch seine Puschel hat und wie Kai Pflaume ihn findet, legen wir lieber los", mahnte er. Später flogen 700 Schneebälle aus dem Publikum, die Lena, Jan-Josef, Ina und Puschel-Günther mit vollem Körpereinsatz auffangen mussten, was den RTL-Mann glatt plättete. "Man kommt nicht mehr hoch", stöhnte Jauch altersschwach. Und Kai Pflaume sekundierte kokett. "Aber dafür gibt's doch Medikamente, Herr Jauch", scherzte er doppel-beherzt.

Nach diversen launigen Erinnerungsspielchen, in denen die trüben und tragischen Moment des Jahres wohlweislich außen vor blieben, war zum Finale endlich der Moment gekommen, in dem das Jahr doch recht alt wirkte. Lena, die der ARD im nächsten Jahr lieb und teuer sein wird, absolvierte noch einmal ihren Satellite-Siegersong und ließ sich Mut für ihr Eurovisions-Heimspiel im Mai machen. "Ich rechne erst mal mit gar nichts", sagt sie über ihre Vorerwartungen. Doch Plasberg ließ nicht locker. "Und dann?", wollte er wissen. "Mal gucken", sagte Lena und blieb so verspannt wie zuletzt immer öfter.

Das Titelverteidigen dürfte Jan-Josef Liefers im nächsten Jahr deutlich weniger Kopfschmerzen bereiten. Am Ende seiner zweiten Jahresquizsendung war er jedenfalls so aus dem Häuschen, dass er nicht nur Ina Müller und Lena, sondern auch Frank Plasberg ein Küsschen auf die Backe drückte. Und das rührte selbst den sonst so beherrschten Rheinländer. "Dass ich das noch erleben darf", schwärmte Plasberg leicht konsterniert. "Mein Jahr ist gelaufen." Gut so. Auf zu Neuem. Kai Pflaume, übernehmen Sie!

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