TV-Kritik: Beckmann:"Frauen sind nicht Sex-, sondern Putzobjekt"

Beckmanns Talk über die Fallen des Frauseins bot eine streitlustige Bascha Mika - und die Erkenntnis, dass Merkel nicht die Frauenquote, sondern Ursula von der Leyen torpediert.

Ruth Schneeberger

"Feige, schwach und zu bequem - scheitern Frauen an sich selbst?" - das war die Frage bei Reinhold Beckmann am Montagabend. Nicht, dass sich der kuscheligste der öffentlich-rechtlichen, nächtlichen Talk-Moderatoren diese provokante These hätte selbst ausdenken müssen, um abendliche Frauenquote für die ARD zu generieren.

Scheidende 'taz'-Chefin Mika sorgt sich um die Zukunft des Blattes

Bascha Mika war von 1999 bis 2009 Chefredakteurin der taz. Als Studiogast der ARD-Talkshow Beckmann diskutierte sie am Montagabend über das Thema "Scheitern Frauen an sich selbst?".

(Foto: Roland Magunia/ddp)

Es traf sich gut, dass mitten in die neu entflammte Diskussion um Frauenquoten in deutschen Führungsetagen die ehemalige taz-Chefredakteurin Bascha Mika jüngst ein Buch geworfen hat, dass die Ansicht vertritt, Frauen seien an ihrer beruflichen Benachteiligung in hohem Maße selber schuld. Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug hat die 57-Jährige es genannt - und Bascha Mika freute sich sichtlich, dass sie ihr Buch an diesem Abend so ausführlich und werbewirksam im TV besprechen konnte.

Hausmütterchen aus Konfliktscheu

Widerspruch war wenig zu erwarten, obwohl außer Beckmann nur Frauen anwesend waren. Doris Schröder-Köpf jedenfalls, Ex-Journalistin, Altkanzlergattin und seit neuestem eine der wenigen weiblichen Aufsichtsräte in einem Großkonzern, fand sich in vielen Beschreibungen weiblichen Versagens wieder.

"In dem Bereich, wo sie ganz viel selbst entscheiden können, nämlich im privaten Bereich, sind Frauen feige", so Bascha Mika, weil sie "in einer Liebesbeziehung ganz schnell zurückstecken, die Bedürfnisse der Männer zu ihren eigenen machen, sich von ihnen die Hausarbeit aufdrücken lassen und ganz viel ihrer Zeit in eine unproduktive Arbeit stecken, die auch gesellschaftlich keine Anerkennung hat." Dass viele Frauen, die sich Hausarbeit eigentlich mit den Männern teilen wollten, sie am Ende selber übernähmen, habe "etwas mit Konfliktscheu zu tun", so Mika.

Natürlich erkenne sie sich in dieser Beschreibung wieder, so Doris Schröder-Köpf, denn das angestrebte selbstbestimmte Leben einer Frau ändere sich in Deutschland mit der Geburt des ersten Kindes. Sie selbst habe außerdem "zweimal attraktive Jobs und schöne Wohnungen aufgegeben, um Männern ins Unbekannte zu folgen", zum Beispiel ihre Anstellung beim Münchner Nachrichtenmagazin Focus, weil sie einen gewissen Herrn Schröder kennengelernt hatte, der sich damals anschickte, Bundeskanzler zu werden.

"Ich bereue nichts", sagt die 47-jährige Gattin des Ex-Kanzlers, "aber wenn meine 20-jährige Tochter das heute machte, würde ich sie schon fragen: Mensch, Mädchen, hast du dir das gut überlegt?" Sie würde weiblichem Nachwuchs raten: "Überlege dir, ob du mit 40 oder 50 alleine da sein willst. Nicht jeder hat das Glück, Unterhalt zu bekommen, oder dass Vermögen da ist. Man muss sich heute anders verhalten als vor 20, 30 Jahren."

Schlechte Karten trotz guter Eigenschaften

Ausgerechnet die älteste Diskussionsteilnehmerin, Gertrud Höhler, musste ihre Geschlechtsgenossinnen daran erinnern, dass diese Diskussion uralt sei und längst überholt. Die 70-jährige CDU-nahe Unternehmensberaterin, ehemalige Lyrikprofessorin und Helmut-Kohl-Beraterin hatte auch nicht gleich eine Erklärung parat, warum ausgerechnet Kohls Mädchen Angela Merkel als mächtigste Frau der Welt gegen die Frauenquote in ihrem Land sei, das in Sachen beruflicher Gleichberechtigung als Entwicklungsland gilt: "Ich kann mich nicht ganz in die Kanzlerin hineinversetzen", so Höhler. Dass die Bundeskanzlerin sich nun mehrfach gegen eine Frauenquote ausgesprochen habe, sei aber gewiss "auch ein gewisses Machtspiel", um Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen zu bremsen.

Höhler sprach sich dennoch im Gegensatz zu ihren Gesprächspartnerinnen gegen die Frauenquote aus: "Frauen sind sensibel, zweifeln an sich selbst und reden darüber. Lauter gute Eigenschaften - mit denen Frauen im Beruf schlechte Karten haben", so Höhler. "Die Frau weiß nicht, dass sie Männer ermutigen muss, sie zu fördern." Im Übrigen hätten Frauen zu Recht die Idee, dass Karriere knechtet. "Sie drängen sich nicht so nach diesen Jobs, was ich ehrenhaft finde - und dann beschweren sie sich."

Die Faszination traditioneller Rollenbilder

Da musste Bascha Mika heftig widersprechen - und nun wendete sich das Blatt. Die Buchautorin, die mit ihrer Streitschrift wissentlich beim eigenen Geschlecht aneckt, nahm es nun in Schutz - und es war an Höhler, von nun an zu offenbaren, dass sie die Frauen für rückständig hält. Wer geeignet sei, dem würden Männer Tür und Tor öffnen, weil sie froh seien um die weibliche Sichtweise in ihrem Unternehmen. Das hieße ja im Umkehrschluss, so Bascha Mika, dass eine Frau, wenn sie nur gut genug sei, auch ganz oben ankomme - "aber das stimmt nicht. Sonst hätten wir in den Aufsichtsräten nicht diese lächerliche Anzahl von Frauen, die wir haben."

Dass die Faszination traditioneller Rollenbilder ungebrochen ist, diese These Bascha Mikas bestätigte Werbepsychologin Ines Imdahl per Einspielfilm: Eine Durchsicht Tausender deutscher Werbungen aus den fünfziger Jahren bis heute habe ergeben, dass die Frauen im Bild der Werbung nicht, wie angenommen, zunehmend zum Sexobjekt gemacht würden - im Gegenteil: "Sie sind vielmehr Putzobjekt. Das unterscheidet sich fast gar nicht von den fünfziger Jahren."

Lernen von früheren Frauengenerationen

In die Diskussion um alte Rollenbilder brachte Beckmann zum Schluss zielsicher noch ein wenig Werbung unter, und zwar für den Kinofilm Dschungelkind, der unter Regie von Roland Suso Richter am 17. Februar in deutsche Lichtspielhäuser kommt und auf dem gleichnamigen Erfolgsroman der Autorin Sabine Kuegler fußt. Sie hat als Kind mit ihrer deutschen Familie zu Forschungszwecken jahrelang im indonesischen Urwald gelebt.

Ihre Mutter wird im Film von Nadja Uhl verkörpert, die für die Dreharbeiten frisch entbunden mit zwei Kindern und ihrem Mann in den Dschungel reiste - und ausgerechnet die Schauspielerin konnte am Ende vielleicht den meisten Erkenntnisgewinn, zumindest aber die ungeschminkteste Wahrheit zu der Debatte beisteuern: "Nach dieser Diskussion glaube ich schon, dass ich mutig bin, obwohl ich nie darüber nachgedacht habe. Des Rätsels Lösung ist ganz einfach: Ich lebe das nach, was mir vorgelebt wurde, von meiner Oma und meiner Mutter."

Die 38-Jährige ist in der DDR aufgewachsen: "Gewisse Rollen sind mir gar nicht bekannt, meine Mutter war alleinerziehend und konnte sehr gut alleine leben. Sie hat sich für einen Mann entschieden, den sie liebte." Ihrem eigenen Mann sei diese strikte Rollentrennung auch fremd - er habe während der Dreharbeiten im Dschungel das Kind getragen und das Haus geputzt - der Stamm der Faya habe sich darüber sehr gewundert. Dort seien Frauen- und Männerwelt komplett getrennt.

"Dschungelkind" Sabine Kuegler wusste zu ergänzen, dass die Urwald-Stämme, in denen Frauen mehr zu sagen hätten, besser gestellt seien als rein patriarchalische Stämme.

Vielleicht sollte Angela Merkel demnächst Urlaub im Dschungel machen, bevor sie noch einmal über die Frauenquote nachdenkt - es muss ja nicht gleich bei RTL sein.

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