TV-Kritik: Beckmann:Es waren einmal drei Bayern in Hamburg ...

Lesezeit: 3 min

Bei "Beckmann" sollte Ottfried Fischer neben Claudia Roth und Markus Söder die seltsamen Bayern erklären. Das konnte nur schiefgehen.

Katharina Riehl

Natürlich ist es schwer, als gebürtig münchnerischer Zuschauer mit letzter Sicherheit zu bewerten, wie sehr den Bewohner eines fernen Bundeslandes wie Hessen oder sogar Niedersachsen die Lederhose um die Waden ihrer bayerischen Mitbürger interessiert.

Kabarettist Ottfried Fischer (Bild) war zu Gast bei Reinhold Beckmann und sollte die "Bayern, das unbekannte Wesen" erklären. (Foto: dapd)

In dieser Unkenntnis ist man dann immer mal wieder verwundert, wenn ein gesamtdeutsches, öffentlich-rechtliches TV-Anstaltswesen in Hamburg drei Menschen plus Moderator in ein Studio setzt, um (völlig ohne konkreten Anlass wie das seltsame Oktoberfest oder eine weniger seltsame Dreiviertelmehrheit der CSU bei Landtagswahlen) ihrem Publikum den Bayern zu erklären.

"Deutschland, deine Bayern!" hieß die ARD-Sendung von Reinhold Beckmann am Montagabend, um seinen Tisch saßen der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU), die Grünen-Chefin Claudia Roth und der Kabarettist Ottfried Fischer. Ein Franke, ein Niederbayer, eine Schwäbin. Beantwortet werden sollte neben der allgemeinen Abhandlung zum Bayern an sich die Frage: "Wie steht es derzeit um das Verhältnis zwischen CDU und der bayerischen Schwesterpartei?"

Ja, auch darüber wurde bestimmt mindestens drei Minuten gesprochen.

Zunächst aber forderte Volkskundler Beckmann seinen Gast Ottfried Fischer (der praktischerweise gerade ein Buch zum Thema verfasst hat) auf, die "fremde Spezies der Bayern" zu erklären, oder auch den "Bayern, das unbekannte Wesen". Fischer erzählt also etwas von Vereinen und Individualismus, Söder, springt ihm mit den Ausdrücken Laptop und Lederhose zur Seite, Claudia Roth mag am Bayern das Anarchische - und schon sind all die lustigen Ausdrücke, die einem Niedersachsen auch vor der Sendung zum Schlagwort Bayern eingefallen wären, beisammen.

Bemerkenswert sind an diesem Fernsehabend ein paar Dinge - der Inhalt des Gesprächs gehört nicht dazu. Vor allem ließ sich gut beobachten, wie sehr eine Talkshow von einer originellen oder aktuellen Fragestellung lebt, und wie wenig am Ende dabei herauskommt, wenn sie fehlt. Was soll man bei einem solchen Thema anderes erwarten, als dass Claudia Roth allen Ernstes erklärt, dass es in Bayern ja nicht "den Bayern" gebe, sondern Oberbayern, Unterfranken und Schwaben?

Solche Einblicke bekommt der Normalbürger ja nur selten.

Und weil das Wissen aller Herrschaften aus dem Heimat- und Sachkundeunterricht (ja, so heißt das in Bayern) bald erschöpft ist, sind es dann genau Sendungen zu Themen wie diesem, in denen die Gäste einfach mal alles loswerden, was sie in den vergangen Wochen immer ans Publikum hatten bringen wollen. Claudia Roth stellt also eine "Maximaldistanz" der CDU zu den Grünen fest (aufgrund von AKW-Laufzeitverlängerung und Kopfpauschale) und verteidigt sich für ihre Teilnahme an den Protesten in Gorleben (das war keine Ranschmeißerei).

CSU-Mann Söder wiederum wirft den Grünen vor, den Atomausstieg beschlossen zu haben, ohne eine Lösung für die Endlager zu liefern, und beteuert, dass die CSU zu alter Kraft zurückfinden wird, wenn man endlich die Freien Wähler zurück ins Boot hole. Ottfried Fischer erzählt ein paar dazu passende Pointen aus seinem Kabarettprogramm. Er wirkt teils ein wenig verloren.

Nicht weniger bemerkenswert an der Sendung als die Inhaltsflaute ist die Sendetechnik: Zumindest ein Minimum an tagesaktueller Anbindung sollte die Sendung mit einer Liveschalte zur CDU nach Karlsruhe suggerieren, wo die Schwesterpartei der Laptop-Lederhosen-Fraktion sich gerade auf ihrem Parteitag Mut zuspricht.

In Karlsruhe stehen also der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus und der Chef des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, bereit, ihre Eindrücke zu übermitteln. Nur, dass sich leider kein Ton übermittelt - und wenn dann nur mit großer Zeitverzögerung, weshalb der Ministerpräsident seinen Platz schon wieder verlässt, bevor er überhaupt richtig ins Bild kommt und Prantl nur mehrmals zu- und wieder weggeschaltet wird. "Das ist eine witzige Sendung", findet Frau Roth.

Vielleicht muss man dabei gewesen sein.

Viel mehr, das soll kurz gesagt sein, passiert dann nicht mehr, obwohl noch viel geredet wird: über den bayerischen Nockherberg natürlich und das Derblecken; darüber welche Medien jemals am gemeinsten zu Roth (die taz) und Söder (das SZ-Magazin) gewesen seien. Ottfried Fischer hätte hierzu sicher auch einiges zu sagen, schließlich fand erst vor wenigen Wochen ein Prozess unter anderem gegen einen ehemaligen Bild-Reporter statt, der Fischer mit einem Sexvideo zu einem Interview genötigt haben soll. Er sagt aber nichts.

Und, zum Schluss, es geht ja um Bayern, und sonst war der thematische Rundumschlag ja auch komplett, erklären sie alle, wie sie es mit der Kirche halten: Ottfried: gern katholisch; Claudia: gespalten; Markus: überzeugt protestantisch.

Den Glauben an eine gute Sendung hat man da aber schon lange verloren.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: