TV-Kritik: Bauer sucht Frau:Sind wir nicht alle ein bisschen babala?

Wenn zwei sich trauen, freut sich RTL: Der fromme Milchbauer Josef heiratet seine Narumol. Mit dabei: Eine sülzende Moderatorin und eine pinkelnde Ziege.

Hans Hoff

Kurz vor Schluss pinkelt Narumol auf die Bühne und sorgt für ein bisschen Chaos bei dem als Traumhochzeit ausgegebenen Bauernauftrieb. Aber glücklicherweise ist es nicht die echte Narumol, sondern nur eine kleine verunsicherte Ziege, die dem Milchbauern Josef und seiner thailändischen Frau zur Hochzeit überreicht wurde. Das Tier fühlt sich ganz offenbar wie die Braut, nach der es benannt wurde. Narumol, der Mensch, hatte sich kurz vorher zu ihrer Konfusion bekannt: "Ich bin babala."

So hat man es gern bei RTL, ein bisschen babala. Mit Lust weidet man sich am kleinen Malheur unsicherer Menschen, an ihren vielen Unzulänglichkeiten, seien sie nun optischer oder sprachlicher Natur. Alles ist gut, wenn es nur von Unzulänglichkeit erzählt und damit in das Menschenzoo-Format Bauer sucht Frau passt. Das gibt selbst dem durchschnittlichen RTL-Zuschauer die Chance, unter vielen ungelenken Menschen, die da ausgestellt werden, für sich den ungelenksten zu wählen und sich ein bisschen erhaben zu fühlen.

Vor über einem Jahr hat Narumol in der RTL-Reihe Bauer sucht Frau ihren heutigen Gatten kennen gelernt, den Milchbauern Josef, dessen Existenz allerdings nur gültig erscheint, wenn ihm die als Moderatorin missverstandene Trivialsatz-Quelle Inka Bause die Auszeichnung "der fromme" voranstellen kann. Glatte fünfmal schafft sie das in einer Stunde und deutet damit eine der wichtigsten Bauer-sucht Frau-Regeln an. Menschen ohne Eigenschaften sind in diesem Format kaum vorgesehen. Der Ziegenwirt ist "der lustige", der Holzbauer "der herzliche" und Josef eben "der fromme". Narumol ist allerdings meistens nur die Thailänderin, notfalls mal "die 44-jährige".

Aber nun hat sie sich entschlossen, ihren frommen Milchbauern zu heiraten und liefert RTL damit einen Anlass für ein Spin-Off der erfolgreichen Kuppelshow. Die stinknormale Hochzeit zweier Menschen, die aus vielerlei traurigen Gründen jahrelang keinen Partner gefunden haben, wird nun aufgeblasen zu einer Groschenroman-Operette, bei der auch andere Darsteller der Bauer-sucht Frau-Folgen zusammengekarrt und mit grauenhaften Klischees überschmiert werden.

"Es ist ja nur einmal Hochzeit im Leben, und da soll man sich auch glücklich fühlen", sagt Josef irgendwann nachdenklich und sieht dabei ein bisschen aus wie ein Dackel, den man am Straßenrand vergessen hat. Ja, er soll sich unbedingt glücklich fühlen. Den Druck merkt man ihm an. Die von RTL wollen das so. Das weiß er.

Sagen die Protagonisten gerade keinen Satz, aus dem der Kitsch trieft, gießt Inka Bause Schmieriges aus dem Off nach. "Nach Jahrzehnten der Einsamkeit hat Josef eine Frau gefunden", sülzt sie derartig penetrant, dass man für einen Moment sogar die Musiksoße vergisst, die permanent die Hauptdarsteller umfliesst und derartig platt ausgewählt ist, was aber einer weiteren Regel entspricht.

Nichts andeuten, immer direkt auf die Zwölf. Da wird beim Frühstück Hot Love eingespielt, vor der Brautkleidprobe Pretty Woman, und irgendwann ist dann auch noch Somethin' Stupid fällig.

Eine weitere Bauer-sucht Frau-Regel besagt, dass es nicht reicht, wenn man etwas sehr deutlich sieht. Offenbar muss es der RTL-Zuschauer auch beschrieben bekommen. Wenn also jemand ganz offenbar zwei Metallrohre für einen Fahnenmast zusammensteckt, sagt er: "Jetzt müssen wir mal gucken, dass wir das zusammenstecken." Dann ist alles klar.

Dass ein gutes Drittel dieser Dokusoap untertitelt präsentiert wird, ist dem bayerischen Dialekt von Bauer Josef geschuldet und dem eher unzureichenden Deutsch der Braut. Aber irgendwann wird es selbst ihr zu viel.

"Ich brauche Hochdeutsch", jammert sie da, und für einen Moment ist wieder die Erinnerung da an ihre berühmten Verhaspler, die RTL so gerne ausschlachtet. Auch zum Beginn der Hochzeitsfolge haben sie wieder ihren Seufzer eingespielt, bei dem sie sagt, sie sei "fick und fertig". Toll und irre witzig finden die das bei RTL, wenn man Leuten, die noch nicht so gut Deutsch können, vorführt, dass sie noch nicht so gut Deutsch können.

Stefan Raab kommentiert solche Privatfernsehergüsse, gegen die das Öl im Golf von Mexiko gelegentlich wie eine Heilquelle wirkt, gerne mit einer klaren Ansage. "Dafür kommt man in die Hölle", sagt er dann. Aber wahrscheinlich fürchten die bei RTL selbst das nicht - und überlegen schon mal, welchen Bauern man dort durch den Kakao ziehen kann.

Alles ganz nach dem neuen RTL-Slogan: "Sind wir nicht alle ein bisschen babala?"

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