TV-Kritik: ARD-Jahresrückblick 2010:Viel Brennpunkt, wenig Feuer

Tom Buhrow präsentiert den Jahresrückblick der ARD vom Stuttgarter Weihnachtsmarkt - und bleibt dabei, was er nun mal ist: ein Nachrichtenmann.

Katharina Riehl

Man darf wohl davon ausgehen, dass die Sendung aufgezeichnet war. Denn warum Tom Buhrow und sein Jahresrückblick erst zehn Minuten später auf Sendung gingen als geplant, konnte der Moderator nicht mehr erklären. Der extreme Wintereinbruch in Europa war kein Thema im ARD-Jahresrückblick 2010, obwohl ihm das Erste nach der Tagesschau um 20:15 Uhr sogar einen Brennpunkt gewidmet hatte.

Tom Buhrow lobt deutsche Tugenden

Mehr Nachrichtenmann als Unterhalter: Tom Buhrow.

(Foto: dpa)

Der Brennpunkt im Ersten ist ja so eine Art Relevanz-Orden. Der öffentlich-rechtliche Sender verleiht ihn jenen Themen, die er für zu bedeutend hält, als dass sie in einem Dreiminüter innerhalb der Nachrichten fertig erzählt werden könnten. Und man darf davon ausgehen, dass ein großer Teil der Themen, über die Tom Buhrow ein paar Tage vor Weihnachten in seinem Jahresrückblick plaudert, auch einmal einen solchen Brennpunkt gewidmet bekommen haben.

In den vergangenen Wochen haben schon Günther Jauch und Thomas Gottschalk bei ihren (Noch-)Heimatsendern RTL und ZDF das vergangene Jahr Revue passieren lassen. Am Montagabend also lief Tagesthemen-Mann Tom Buhrow in eine winterlich Jacke gepackt über den Stuttgarter (ja, klar, der Bahnhof!) Weihnachtsmarkt, um ebenfalls ein bisschen in Erinnerungen zu kramen.

Nun wäre es wahrscheinlich unfair, Tom Buhrow vorzuwerfen, dass er kein Moderator einer Unterhaltungsshow ist. Während Jauch stundenlang mit Millionengewinnern und Gesangswettbewerbsjurorinnen auf seiner Couch parlierte, und Gottschalk mit "KT" zu Guttenberg und Michael Schumacher plauderte, bleibt Buhrow von Anfang bis Ende der Sendung, was er nun mal ist: ein Nachrichtenmann.

Davon abgesehen, dass der Moderator in diesem Fall über den schneebedeckten Boden schlendert, anstatt die Füße unter den Studiotisch zu strecken, und die gezeigten Nachrichten irgendwie von gestern sind, sieht es aus wie immer, wenn Buhrow "Guten Abend, meine Damen und Herren" sagt. Einspielfilme zeigen Bilder der großen Ereignisse des Jahres (Sebastian Vettel, Eurokrise, die Aschewolke, Vuvuzelas).

Öffentlich-rechtliches Bilderradio

Eine Stimme erklärt, was wir auf den Bildern sehen, die Hintergrundmusik, was wir von den Bildern halten sollen. Öffentlich-rechtliches Bilderradio. Schön ist das zum Beispiel beim Beitrag zu Thilo Sarrazin zu beobachten, bei dem die Melodie bedrohlich klingt, wenn Sarrazin trotz seiner höchst umstrittenen Vererbungstheorien begeisterten Fans eine Ausgabe von Deutschland schafft sich ab signiert.

Der ein oder andere Film setzt lustige Stopptricks ein, zum Beispiel um zu zeigen, dass die Menschen in diesem Jahr gerne und gegen alles demonstriert haben. Die Schilder gegen die Atomenergie und die gegen den Bahnhof: alles irgendwie das gleiche, eine neue bürgerliche Protestkultur. Man kennt das aus den ARD-Brennpunkten.

Bei all dieser gewohnten Nachrichtenroutine wirkt es da fast ein wenig seltsam, als Buhrow an zwei Stellen plötzlich doch einen Gast auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt in Empfang nimmt. Es kommen ein kleines Mädchen und sein Vater, die beide das Erdbeben in Haiti überlebt haben. Ein paar Sätze dürfen die beiden dazu sagen, wie sie aus purem Glück in den entscheidenden Minuten nicht in dem einstürzenden Supermarkt waren. Hauptsächlich wirken sie aber ein wenig verloren mit Tom Buhrow im Schnee, der dann auch ziemlich schnell den nächsten Beitrag zur Lage in Haiti anmoderiert. Mit dem lässt sich einfacher zurückblicken.

Der zweite Gast an diesem Abend in Stuttgart ist der Schlichter Heiner Geißler. Auch er hat eine dicke Jacke angezogen, ansonsten tut er ebenfalls, was er immer tut: Erklärt, dass in Stuttgart dank seiner Schlichtung Frieden eingekehrt sei und man nun endlich auf Augenhöhe diskutiere. Man kennt Geißlers Ausführungen aus den ARD-Brennpunkten, viel Neues fällt Buhrow dazu nicht ein. Und man kennt sie aus den politischen Talkshows, von denen es im kommenden Jahr in der ARD noch ein wenig mehr geben wird. Tom Buhrow wird keine davon moderieren. Für solche Fälle holt das Erste schließlich Günther Jauch.

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