TV-Film "Mobbing" auf Arte:An einem kalten Ort

Tobias Moretti im TV-Film "Mobbing" bei Arte

Nachdem die Situation bei der Arbeit eskaliert, ist bei Jo (Tobias Moretti) und Anja (Susanne Wolff) von der einstigen Familienidylle nichts mehr zu spüren.

(Foto: BR/CWP Film/Alexander Fischer)

Frau, Kinder, Haus, Geld, Sex - alles ist ganz schrecklich reizend in Jo Rühlers Leben, dazu glitzert eine milde Wintersonne. Bis eine neue Chefin, angeblich "die perfekte Chefin", alles umwirft. Arte zeigt am Freitagabend ein eindrucksvolles Fernsehspiel zum Thema Mobbing.

Von Bernd Graff

Das Kulturreferat ist ein kalter Ort. Jedenfalls das hier. Jo Rühler ist dort tätig, er hat eine ganz reizende Frau, zwei ganz reizende Kinder, ein ganz reizendes Haus und ein ganz reizendes Auskommen. Dazu glitzert eine milde Wintersonne. Es gibt guten Sex im Ehebett, anschließend darf auch mal geraucht werden. Dann quäkt das Baby niedlich, es ist eine Freude, dem Vati beim Babyschuckeln zuzusehen. Mama Anja ist jedenfalls ganz hin und weg.

Eine kluge kleine Lust zu leben. Und da alles so reizend plätschert - zu David Bowies Heroes! - und man auch noch die wirklich netten Freunde der Rühlers kennengelernt hat, meint man, das Idyll ist doch machbar, Herr Nachbar!

Nachdem dieses Vorabendsorglosfamilienpanorama ausgerollt ist, tritt Rühlers neue Vorgesetzte ihren Job an. Dr. Elke Schulz ist, so hört man, "engagiert, visionär, organisationsstark: die perfekte Chefin". Ab da geht es jedoch wie in Hans Falladas Kleiner Mann - was nun? vor allem bergab. Das Wetter wird auch schlechter.

Tobias Moretti ist der zunehmend gereizter werdende Jo Rühler. Er macht das moretti-gut. Susanne Wolff aber, die seine anfangs blasse Staune-Frau spielt, wächst im Lauf des Films über sich hinaus. Denn die neue Chefin, man sieht sie nie, baut das Kulturreferat nach Gutdünken um. Jo, störrisch und borniert, gerät in ihre Schusslinie und versucht anfangs noch, dagegen zu halten. Vergeblich. Er wird gefeuert.

Jo gibt sich auf, wird krank, trinkt, wird unverschämt und verletzend zu seiner Frau. Dabei hat Anja ihm gute Ratschläge gegeben, wie er diplomatisch mit seiner schwierigen Situation umgehen soll. Doch Jo verliert den Halt, verschließt sich, wird wehleidig, kämpft ehrpusselig vor dem Arbeitsgericht. Seine letzte Schlacht.

Überforderung und Angst fressen seine Seele auf - gezeigt wird dies aber aus der Perspektive der selbst fast zerbrechenden Anja. Susanne Wolff macht das, wenn man Co-Patiententum und Depression so nennen darf, großartig. Während ihr Jo immer destruktiver wird, nimmt sie das zerrinnende Familienleben in die Hand und kämpft.

Das Fernsehspiel Mobbing basiert auf dem gleichnamigen Roman von Annette Pehnt. Selten wurde ein so ätzendes Thema so gut fürs Fernsehen umgesetzt. Anschauen!

Mobbing, Arte, 20.15 Uhr.

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