TV-Experiment:Fremdes Spiel

Irritation als Prinzip: Steven Soderberghs App-Serie "Mosaic". Hierzulande bleibt eine Ahnung vom Reiz.

Von Nicolas Freund

TV-Experiment: Sharon Stone hat als Kinderbuchautorin Olivia Lake ein Faible fürs Doppeldeutige.

Sharon Stone hat als Kinderbuchautorin Olivia Lake ein Faible fürs Doppeldeutige.

(Foto: Sky Atlantic)

Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz der Fernsehserie: Alles wird streng nacheinander erzählt. Nicht so, wie es sich zugetragen hat, sondern so, wie es einmal von Cuttern und Drehbuchautoren festgelegt wurde. Verpasst man beim Teekochen einen Dialog, wird es schon schwierig, der Handlung noch zu folgen. Beim Streaming kann man zwar stoppen und die Szene noch mal ansehen - aber eröffnen nicht gerade die digitalen Plattformen auch ganz andere Möglichkeiten?

Der Regisseur Steven Soderbergh hat das mit Mosaic ausprobiert: eine Serie, die sich in mehreren Varianten ansehen lässt. Sharon Stone spielt darin die frustrierte und einsame Kinderbuchautorin Olivia Lake. Deren größter Erfolg war ein Buch über einen Jäger und einen Bären, die beide ihre Familien vor dem jeweils anderen beschützen möchten, und das sich, wie die Serie selbst, in mehreren Varianten lesen lässt: In der einen wird der Jäger gut dargestellt und der Bär bedrohlich, in der anderen ist es umgekehrt. Lake lebt auf einem gigantischen Anwesen in Utah, zusammen mit dem jungen Joel, der gerne ein berühmter Kinderbuchillustrator wäre. Ein zwielichtiger Unternehmensberater, dessen superschlaue Schwester, ein netter Dorfpolizist, mexikanische Angestellte, die Freundin von Joel und sehr reiche Nachbarn kommen auch vor, und nach einer Silvesternacht, in der etwas zu viele Wahrheiten ausgesprochen wurden, stehen viele dieser Menschen plötzlich unter Mordverdacht.

Fast dokumentarisch zeigt Soderbergh die Figuren immer an einer Schwelle: Der Zuschauer erlebt eine Person, die sich gleich wieder verändert, das freundliche Gesicht war nur Fassade. Oder er sieht, wie sie eine irritierende SMS über jemanden tippt, mit dem sie sich gerade unterhält.

In den USA wurde Mosaic als App veröffentlicht. In der konnten die Zuschauer nach jeder halben Stunde entscheiden, aus der Perspektive welcher Figur sie weiter sehen möchten. Dazu gab es Briefe, Sprachnachrichten und Websites. In Deutschland wird Mosaic als sechsteilige Serie ausgestrahlt, die aus dem Material der interaktiven Variante zusammengeschnitten wurde. Das funktioniert schon alleine wegen dem unaufgeregt klugen Filmstil Soderberghs. Man fragt sich aber die ganze Zeit, wo vielleicht in der interaktiven Version eine Abzweigung möglich gewesen wäre. Der Reiz, den die App haben muss, ist da - nur auskosten kann man ihn nicht.

Spuren der Varianten finden sich noch, wenn eine Szene zweimal vorkommt, dann aber aus verschiedenen Perspektiven weitererzählt wird. Das alles ist so, wie jemandem beim Computerspielen zuzusehen. Es gilt eben noch das Gesetz der streng linear erzählten Serie.

Mosaic, bei Sky Ticket, Go und Sky on Demand, sowie von 14. Februar an mittwochs, 20.50 Uhr, in Doppelfolgen bei Sky Atlantic.

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