TV-Event: ARD-Adventsessen:Auf den Schlips kommt es an

Was für ein Abend: Es sind nur die Wichtigsten der Wichtigen geladen zum ARD-Adventsessen. Kai Pflaume versucht, mit einer Krawatte zu beeindrucken, Veronica Ferres tauscht Handy-Nummern und Frank Plasberg plaudert über seine Bezahlung.

Rupert Sommer

"Wie auf einem Klassentreffen" ist der häufigste Ausdruck, der fällt, wenn ARD-Programmdirektor Volker Herres seine Schauspieler, Produzenten und ausgewählte Redakteure zum traditionellen Adventsessen bei gebratener Seezunge und Bio-Rind zartrosa in München versammelt.

Es ist ein Abend, an dem verdiente Erste-Liga-Stars wie Veronica Ferres und Gesine Cukrowski entspannt Handy-Nummern austauschen. Nur ein Neuzugang störte den Klassenfrieden: Das hektischste Blitzlichtgewitter zog Kai Pflaume auf sich - und das mit einer provokant gewählten Krawatte. "Ich habe noch nie Sachen aus dem Sender-Fundus getragen", verteidigt der neue Privat-TV-Hoffnungsträger Pflaume, der mit seiner ersten Hauptabendsendung am 27. Januar zum festen ARD-Ensemble zählen wird, seine dunkelblau-silbergrau gestreiften Binder. Der spiegelt exakt die ARD-Programmfarben wider und macht und sich vor der Fototapete der Pressefotografen besonders gut. "Das wird auch bei der ARD so sein", beschwichtigt der sichtlich gut gelaunte Noch-SAT.1-Moderator.

Sein Gastspiel auf dem traditionellen Weihnachtsempfang der ARD, zu dem nur die Wichtigsten der Wichtigen geladen sind, gefällt ihm gut. "Die Krawatte habe ich schon länger", beteuert Pflaume mehr oder weniger glaubhaft. "Auf jeden Fall schon bevor ich wusste, dass das Erste ein neuer Auftraggeber wird."

Künftig soll der Nur die Liebe zählt-Herz-Schmerzensmann am Vorabend die Lücke füllen, die Jörg Pilawa nach seinem Weggang zum ZDF ließ. Die letzte Staffel für seine SAT.1-Vorabendschmonzette wird derzeit gedreht und im Frühjahr parallel zu seinem Einsatz im Ersten ausgestrahlt. Danach wird man sehen, wie es mit dem Privat-Engagement weitergeht.

Dass er jedenfalls gut zur ARD passt, wo er als Herzblatt-Kandidat bei Rudi Carrell schon einmal alle Blicke auf sich zog, ist er fest überzeugt. "Ich war auch beim Privatfernsehen eher ein öffentlich-rechtlicher Moderator", sagt Pflaume und meint damit unter anderem, dass man lernen müsse, auch einmal "Nein zu sagen". Jetzt freut er sich darauf, bei der ARD "schöne Familienunterhaltung zu machen" - zunächst am Vorabend, künftig mehr. "Ich denke immer langfristig", sagt Pflaume.

Kommissar Stubbe kommt ins Rentenalter

Von der guten Laune anstecken lässt sich auch Wolfgang Stumph, der als Kommissar Stubbe in der gleichnamigen ZDF-Reihe eigentlich ein verdientes Gesicht der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz ist. Da er aber in 50er-Zyklen denkt und daher nur noch drei Jahre lang als ZDF-Kommissar vor der Kamera stehen möchte, buhlt er ebenso wie so mancher Jungdarsteller um die Gunst der ARD-Auftraggeber. "Wenn ein Pferd erfolgreich ist, darf man es nicht tot reiten", sagt er über seinen Krimi-Vertrag mit den Mainzern. "Stubbe geht als Kommissar nicht weiter", sagt Stumph. "Ich lege meine Filme immer sehr lebensecht an", so der Volksschauspieler, "das heißt, dass er irgendwann in Rente gehen muss, auch wenn ich das ZDF damit vor den Kopf stoße."

Wenn Stubbe, von dem am 11. Dezember ein neuer Krimi ins Fernsehen kommt und am 8. Januar das 40. Krimijubiläum gefeiert wird, so weitermacht, hat Stumph in drei Jahren ausgedient - jedenfalls beim ZDF. Einstweilen dreht er neben den Krimis auch noch Komödiantisches, darunter den ZDF-Film Treue Hände, lange Finger über die Abwicklung der DDR, bei der Thomas Brussig am Drehbuch mitschrieb. "Endlich erzählen sich mal Ost- und Westdeutsche gegenseitig ihre Geschichte", freut sich Stumph, "und sind gezwungen, einander zuzuhören."

Alles in allem friedlich

Während der ZDF-Mann offen mit den Verdienstmöglichkeiten bei der Konkurrenz kokettieren kann, ist sich Gregor Weber, der im SWR-Tatort aus Saarbrücken den etwas spießigen Kollegen von Bayern-Kommissar Maximilian Brückner spielt, seiner Sonderrolle auf dem ARD-Adventsessen bewusst. "Ich habe nur wenig Kontakt mit der Branche", sagt Weber bescheiden, "weil ich ja nur den Tatort drehe." Dass er auf der Münchner Vorweihnachtstunde mit dem Kölner Kollegen Klaus J. Behrendt und dem Berliner Ermittler Dominic Raacke harte Konkurrenz hat, stört den gelernten Koch wenig. "Mit Raacke saß ich sogar schon mal an einem Tisch", sagt Weber. "Das ist alles in allem friedlich abgelaufen. Ich folge gerne der höflichen Einladung, es gibt ja auch gutes Essen."

ARD-'Adventsessen 2010' mit prominenten Gästen

Prominente Gäste beim ARD-'Adventsessen 2010': Schauspielerin Veronica Ferres und Produzent Oliver Berben am Seezungen-Buffet.

(Foto: dpa)

An einem Wettschießen zwischen den Ermittlern will er gar nicht teilnehmen. "Die Quoten sind ja unerheblich", so der Tatort-Star Weber selbstbewusst. "Andere weinen ja, wenn sie nur sechs Millionen Zuschauer haben." Mit einem Anflug von Demut blickt auch Michaela May auf das Schaulaufen im Münchner Gründerzeit-Forum, wo normalerweise Top-Banker ihre Bankette feiern. "Es ist eine Anerkennung vom Sender", sagt sie über die Einladung an die ARD-Schauspieler, "und es ist eine Möglichkeit, sich zu bedanken."

Seit ihrem durch den Rückzug von Kollegen Edgar Selge erzwungenen Ausstieg beim Münchner ARD-Polizeiruf 110 hat sich Michaela May 2010 zuletzt vor allem in Degeto-Produktionen getummelt - etwa als fidele Sennerin. "Es hat sich viel neues Terrain geöffnet", sagt sie heute. "Aber ich habe wieder richtig Lust auf Krimi." Dass sie als Ermittlerin Jo Obermaier aufhören musste, schmerzt sie allerdings noch heute - wenn auch mit positiv empfundenem Sadismus. "Ich habe den Verlust immer genossen", sagt sie. "Es ist doch schön, wenn die Leute bedauern, dass es etwas nicht mehr gibt."

Derzeit steht sie mit Günther Maria Halmer auf der Theaterbühne - und empfindet ähnlich nostalgisch. "40 Jahre nach unseren Münchner Geschichten sagt man uns auch, dass es so etwas nie wieder gab." Vielleicht ein kleiner Trost dafür, dass Michael May die Festtagsruhe diesmal verdorben wird. "Wir proben jeden Tag, nur an Weihnachten habe ich einen Tag frei für die Familie", erzählt sie.

Möglicherweise auf düstere Weihnachtstage müssen sich die rund 100 am ARD-Marienhof beschäftigten Schauspieler und Bavaria-Film-Mitarbeiter gefasst machen. Die Entscheidung darüber, ob die zuletzt ziemlich quotenschwache ARD-Vorabendserie auch 2011 fortgesetzt wird, haben die Gremien kurzfristig verschoben. Dem Vernehmen nach sollen die Programmdirektoren der jeweiligen Sendeanstalten am Montag und Dienstag der zweiten Dezemberwoche über die Zukunft der Daily Soap entscheiden.

ARD-Programmdirektor Volker Herres wollte sich über die Zukunft der alt gediente Seifenoper wenig entlocken lassen, bestätigte nur, dass ab der zweiten Jahreshälfte der umkämpfte Vorabend, auf dem sich auch Hoffnungsträger Pflaume tummeln soll, kräftig umgebaut wird. Dies geschieht unter anderem mit wochentäglich wechselnden Regional-Krimiserien der humorvollen Sorte, für welche die zuletzt quotenverwöhnte ARD-Produktion Mord mit Aussicht, aber auch das Großstadtrevier als Vorbild dient.

Wie die für "Marienhof" zuständige Produktionsfirma Bavaria mit der Unsicherheit der Schauspieler, die nicht wissen, ob ihre Verträge verlängert werden, umgehen soll, sei Problem der Produzenten. In seiner eigenen Adventsrede betonte der oberste ARD-Zirkusdirektor, dass er auf jeden Fall mindestens der Hälfte der anwesenden Stars die Hände geschüttelt habe und begrüßte vor allem den Neuzugang Kai Pflaume herzlich.

In der kommenden TV-Saison, für die er unlängst das ARD-Programmschema kräftig umbauen musste, freut er sich vor allem auf die Damen-Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ("Den Titel bekommen im nächsten Jahr unsere Frauen", ist sich Herres sicher). Die Titelverteidigung, "Teil zwei der nationalen Aufgabe", von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest sieht der oberste Programmverantwortliche lachend und weinend entgegen. Ein möglicher erneuter Triumph der Hannoveraner Hupfdohle wäre für Herres jedenfalls kein ungetrübter Freudentag - angesichts der drohenden immensen Austragungskosten. "The Winner Pays It all", witzelte er bitter und fügte an: "So einen Kraftakt möchte ich der ARD nicht noch einmal zumuten."

Ungetrübte Weihnachtsfreude ließ sich in München schließlich nur Frank Plasberg anmerken. "Wir haben ein fantastisches Jahr hinter uns", blickte der ARD-Talkmaster und TV-Produzent schon vor seinem Rückblicks-Quiz am 30. Dezember zurück. Mit dem ab 2011 veränderten Programmschema, das ihm einen prominenten, wenn auch nicht ganz einfachen Sendeplatz montags um 21 Uhr, einen Tag nach dem ARD-Neuzugang Günther Jauch, bescheren wird, ist er erkennbar glücklich.

Dass zwischen dem Sonntags- und dem Montags-Talk eine unheilvolle Konkurrenz um Themen und Gäste ausbrechen könnte, sieht er erst einmal nicht. "Wir kommen aus keinem Streichelzoo", sagt Plasberg. Und auf die Kritik, dass er auf dem neuen Sendeplatz die Dokumentarfilmer vergrault, reagiert er ebenfalls nonchalant. Künftig könnte man ja längere Einspielfilme zeigen, scherzt Plasberg. Über die Einladung zum Adventsessen in turbulenten Zeiten freut er sich umso mehr. "Die ARD geht mit Gebührengeldern mittlerweile so sparsam um", so Plasberg, "dass wir uns in Naturalien auszahlen lassen."

Sagt's - und schreitet zum üppigen Festschmaus.

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