Abschied von den Olympischen Spielen:Tiefe Augenringe, belohnt mit britischem Humor

Nervenkitzel, Glücksmomente, Tränen der Enttäuschung: Die Spiele in London sind vorbei. Was sollen wir nur machen ohne Rund-um-die-Uhr-TV-Erlebnis? Der Olympia-Blues kursiert. Aber nicht bei allen. Wir haben Kollegen gefragt, was sie nach London 2012 vermissen werden - und was nicht.

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Abschied von den Olympischen Spielen:Vom Nobody zum Star: Turnerin Anna Dogonadze

Olympia 2012: Turnen/Trampolin

Quelle: dapd

Nervenkitzel, Glücksmomente, Tränen der Enttäuschung: Die Spiele in London sind vorbei. Was sollen wir nur machen ohne Rund-um-die-Uhr-TV-Erlebnis? Der Olympia-Blues kursiert. Aber nicht bei allen. Wir haben Kollegen gefragt, was sie nach London 2012 vermissen werden - und was nicht. Süddeutsche.de-Redaktionsmitglieder erzählen.

Schon mal was von Anna Dogonadze gehört? Mit Sicherheit! Schließlich hat die Trampolinturnerin bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen Gold für Deutschland geholt und das ist damals im Fernsehen und in den Zeitungen - wie jedes olympische Gold - rauf und runter gefeiert worden. Und wie sieht es mit Katrin Wagner-Augustin aus? Die müsste noch viel stärker alle Glocken klingeln lassen als Anna Dogonadze, denn sie holt schon seit den Spielen 2000 in Sydney regelmäßig Edelmetall für die Nation. Wer in den Jahren 2000, 2004, 2008 und 2012 den Fernseher angeschaltet hat als über die olympischen Kajak-Wettbewerbe berichtet wurde, der musste stets den Eindruck bekommen, dass das Schicksal unseres Landes kaum von jemandem mehr abhängt als von Katrin Wagner-Augustin. Tatsache ist aber, dass der Starrummel um Katrin Wagner-Augustin regelmäßig so schnell abebbt wie er aufkommt. Genauso verhält sich bei Lena Schöneborn, Benjamin Kleibrink, Christina Obergföll und vielen anderen jungen Menschen - sie kommen olympiabedingt groß im Fernsehen raus und verschwinden dann wieder in der Versenkung. Doch jetzt dauert es ziemlich lang, bis wir sie wiedersehen, die Nobodies, die für einen Tag zum Star werden und uns daran erinnern, dass schon wieder vier Jahre vergangen sind.

Paul Katzenberger

Text: Süddeutsche.de/pak/cag/ska/jbe/lala/sonn/jobr/feko

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Abschied von den Olympischen Spielen:Couchpotato während der Olympischen Spiele

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Quelle: AP

Olympische Spiele heißt Fernsehen ohne Ende. Egal wann, egal wie lange und egal was. Zu keiner anderen Zeit kann man so guten Gewissens die Glotze laufen lassen, Verabredungen absagen oder in der Arbeit den dritten Kaffee in Folge holen und verblüffte Reaktionen gelassen mit "Hey, es läuft Olympia" quittieren. Etwaige Bedenkenäußerungen der Umwelt können geschickt mit einer Gegenfrage ausgeräumt werden: "Hast Du das Finale im Vielseitigkeitsreiten gesehen? War das nicht sensationell?" Auch wenn manche Sportart nicht sofort begeistern mag: Der Fernseher bleibt an. Wer weiß, ob nicht der nächste Durchgang, die nächste Entscheidung oder sogar der nächste Kommentatorenspruch für Aufregung sorgt. Wie blamabel, würde man das verpassen. Und auch wenn die Augenringe konstant dunkler und tiefer werden und die Haut immer fahler: egal. Es ist schließlich nur alle vier Jahre Olympia. Aber wir waren dabei!

Carolin Gasteiger

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Abschied von den Olympischen Spielen:Schöne Schwimmer: Ryan Lochte und Michael Phelps

London 2012 - Schwimmen

Quelle: dpa

Ohne Körper-Komplexe bleiben nach dem Dauer-Olympia-Gucken wohl nur äußerst selbstbewusste Zeitgenossen zurück. Statt sich über die eigene Fehlbarkeit zu ärgern, kam man aber vor allem als Frau bei den Schwimmwettbewerben auf seine Kosten. Die Schultern der Schwimmerinnen zu breit für Neid, die Waschbrettbäuche der männlichen Athleten perfekt zum Verehren. "Meine Top Ten der schönsten Männer bei Olympia? Da kann man Lochte für alle zehn Plätze buchen", sagte die daheimgebliebene Tennisspielerin Andrea Petkovic und es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass ihre Präferenzen mit Ryan Lochte bei einem Schwimmer liegen. Seit es beim Fußball fürs oberkörperliche Blankziehen gelbe Karten gibt, sind wohl proportionierte Männerbäuche im Fernsehen höchstens noch beim T-Shirt-Wechsel der Tennisspieler zu sehen. Und so hatte selbst die ausschweifende Schwimmberichterstattung des ZDF eine schöne Seite.

Saskia Aleythe

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Abschied von den Olympischen Spielen:Entdeckungsreise Olympia: Griechenlands Beachvolleyballerinnen

London 2012 - Beachvolleyball

Quelle: dpa

Fernsehen ist bei Olympia immer auch eine Art Entdeckungsreise. Für den Zuschauer ergibt sich die Möglichkeit, in verborgene Sportartenreiche einzutauchen. Unerforschtes Gebiet sozusagen. Wann gibt es schließlich sonst das hinreißende Gezerre und Gezupfe beim Ringen im TV zu sehen? Oder die fleischigen Kolosse beim Gewichtheben? Oder das Riesenspektakel Beachvolleyball? Alle vier Jahre bieten die Olympischen Spiele dem Fußballnerdtum die Stirn: Ja, es gibt auch noch andere Disziplinen, die einen vor der Glotze fesseln können. Wir werden es vermissen, verwirrt auf den Bildschirm zu starren, wenn der Kommentator wieder einmal über "Ippon" und "Yuko"-Wertungen im Judo philosophiert. Wir bleiben ein wenig enttäuscht zurück, dass all das jetzt vorbei sein soll. Und dann? Schalten wir zur Sportschau - Freiburg gegen Mainz. Fernsehen ist eben auch Routine.

Jonas Beckenkamp

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Abschied von den Olympischen Spielen:Britischer Humor: Eric Idle bei der Abschlussfeier in London

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Quelle: AFP

Mir fehlen die täglichen Kommentare der Londoner. Schon jetzt. Erstens hab ich die oft phonetisch nicht verstanden (weil Cockney), und wenn, dann sprühten die von Genialität und Schwärze. Ach diesen Humor, diesen feinen britischen Humor (im Bild übrigens Monty-Python-Mann Eric Idle, der bei der Abschlussfeier eine reichliche Kostprobe davon gab), der aber auch sowas von brachial wie eine einstürzende Towerbridge über einem zusammenbrechen kann, den werde ich ganz doll vermissen. Aber ich werde gegensteuern: London steht, nachdem ich da mal vor 13 Jahren ein Jahr gelebt habe, wieder ganz oben auf meiner Liste der Orte, die ich nochmal sehen muss.

Lars Langenau

Aber einige Kollegen sind auch froh, dass die Olympischen Spiele vorbei sind. Gab es doch einige Faktoren, die sie ganz bestimmt nicht vermissen werden.

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Abschied von den Olympischen Spielen:Sportliche Grenzen sprengen: Usain Bolt

London 2012 - Leichtathletik

Quelle: dpa

Die Urkunde vom "Germeringer Zwergerlschwimmen" hing lange in meinem Kinderzimmer. 50 Meter Brust, 50,10 Sekunden, Platz 1. Auch auf die Ehrenurkunden von den Bundesjugendspielen war ich mächtig stolz. Doch dann kommt Usain Bolt ins Londoner Olympiastadion und in den TV-Bildschirm geschlendert und rennt über 100 Meter in etwa so schnell, wie man selber auf die halbe Distanz benötigt. Die Niederländerin Ranomi Kromowidjojo schwimmt die 50 Meter Freistil im Finale mal eben in 24,05 Sekunden, neuer olympischer Rekord. Na, bravo. Hätte ich die Urkunde vom Zwergerlschwimmen nicht schon abgehängt, spätestens jetzt wäre sie fällig. Gut, dass nun statt Olympia endlich wieder Fußball im Fernsehen kommt. Hier lassen sich die eigenen sportlichen Grenzen viel besser vertuschen. Denn: Wie kann der so weit danebenschießen - den Elfmeter hätte ja sogar ich getroffen! Das tut gut.

Lisa Sonnabend

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Abschied von den Olympischen Spielen:Überemotionale Moderatoren

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Quelle: AFP

Es gibt nur einen Moment, in dem ein brüllender Kommentator Berechtigung findet: Wenn abends um elf die 13. Stunde der Olympia-Übertragung anbricht und immer wieder zufallende Augen beinahe das Verpassen des 100-Meter-Finals veranlassen. Bei Olympia jedoch wurde zu jeder Uhrzeit, bei jeder Sportart mit deutscher Beteiligung geschrien, bis auch mit schlechtem Gehör ausgestatte Zuschauer den Ton leiser stellen mussten - egal ob es sich dabei um einen Auftaktkampf im Taekwondo oder das Hochsprung-Finale handelte. So mancher überemotionale Moderator hörte sich an, als wäre er fürs Kommentieren eines Kanu-Wettbewerbs eigens ins Höhenlager gegangen, um für den großen Moment zu trainieren. Nun gibt es endlich Erholung fürs strapazierte Trommelfell.

Saskia Aleythe

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Abschied von den Olympischen Spielen:Schluss mit Endlos-Olympia-Berichterstattung

London 2012 - Leichtathletik

Quelle: dpa

"Endlich wieder gutes Programm", sagt die Kollegin, als ich sie auf das Ende der Spiele anspreche. Egal, zu welcher Uhrzeit, immer lief Olympia, klagt sie. Ein TV-Ereignis! Dumm für all jene, die sich nicht für Sport interessieren. Ohne Bedenken werden die Nachrichten verschoben, Soaps wie Verbotene Liebe fallen ganz aus und einen Spielfilm ansehen? Nur mitten in der Nacht. Sogar die Lindenstraße fiel dem Olympia-Hype zum Opfer und zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus. Wie lange doch 16 Tage sein können. Vor allem für Leute, die mit Sport nichts anzufangen wissen. Gut für sie, dass nun endlich die Rhythmische Sportgymnastik dem Tatort weichen muss, das Bahnradfahren der Sendung mit der Maus und statt Usain Bolt zum gefühlt tausendsten Mal in Siegerpose läuft im Hauptabendprogramm bald wieder ein Politikmagazin. Dumm nur, wenn es darin um den Dopingsumpf geht. Man kann eben nicht alles haben.

Carolin Gasteiger

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Abschied von den Olympischen Spielen:Franziska van Almsick als TV-Kommentatorin

London 2012 -Swimming

Quelle: dpa

Mehr noch als Facharbeiter sind hierzulande moralische Instanzen gefragt. Bislang taten sich auf diesem Feld vor allem ältere Herren wie Joachim Gauck oder Helmut Schmidt hervor. Nun aber macht sich eine Frau auf, die männerbeherrschte Bastion der Tugendlehre zu durchbrechen. Auf sportlichem Terrain wohlgemerkt. Franziska von Almsick, die ihr Dasein einst in den Chlorbecken dieser Sportwelt fristete, hat es aufs Trockene geschafft. Dort schwang sie sich in jüngerer Vergangenheit nicht nur zum Bildungsvorbild auf, in London monierte sie als TV-Kommentatorin öffentlich den Umgang der nachkommenden Schwimmer-Generation mit Niederlagen. Im improvisierten ARD-Studio im Londoner Aquatics Centre kritisierte sie Britta Steffens Kommentierung der eigenen Leistung mit den Worten: "Sich dann hinzustellen, und es runterzuspielen, und zu sagen, ich freu mich für die anderen und darauf, dass ich das Rennen gucken kann, das finde ich irgendwie unpassend." Nun könnte man es unpassend finden, dass sich jemand, der selbst bei Olympischen Spielen nicht immer überzeugte und sich ob enttäuschender Leistungen von der Presse hämische Schlagzeilen bzw. Spitznamen gefallen lassen musste, derart über andere erhebt. Doch "Franzi von Speck" ist längst abtrainiert: Die Franzi von heute trägt ein weißes figurbetontes T-Shirt mit Stiletto-Print und hat die erblondete Mähne in sanfte Wellen gelegt (passend zur Umgebung!). Als Freundin einer Fürstin weiß man eben, was sich gehört. Aber als ARD-Expertin muss man auch loben können. Zum Beispiel die Triathleten, die beim Schwimmen im Serpentine-See im Hyde Park tapfer "Ente schlucken". Da sei sie doch lieber in Chlorwasser geschwommen, so von Almsick. Dort war sie in der Tat am besten aufgehoben.

Johanna Bruckner

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Abschied von den Olympischen Spielen:Olympische Spiele sind TV-Stress

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Quelle: AP

Eigentlich sollten es die Athleten sein, die sich bei Olympia anstrengen - in diesem Jahr artete auch das Zuschauen bisweilen zum Sportevent aus. Natürlich gab es die Möglichkeit, sich gemütlich vor den Fernseher zu setzen und auf möglichst abwechslungsreiche Berieselung zu hoffen. Aber was da alles nicht gezeigt wurde, zumal in den abendlichen Zusammenfassungen - ein Skandal! Gottseidank gab es das Internet, um nochmal etwas nachzuschauen. Die Entscheidung im Hochsprung der Frauen zum Beispiel oder im Dressurreiten. Im Mountainbiken, Turmspringen und Degenfechten. Alles auf verschiedenen Streams, mit Bildergalerien, Hintergrundtexten, Homestories, Kommentaren. Vielleicht ist es doch gut, dass der mediale Olympia-Wahnsinn vorbei ist. So haben wir wieder Zeit, uns auf andere Dinge zu konzentrieren.

Felicitas Kock

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Abschied von den Olympischen Spielen:Schlecht fürs Liebesleben

London 2012 - Schwimmen

Quelle: dpa

"Bei Olympia gibt es jede Menge Sex", verriet US-Torhüterin Hope Solo wenige Tage vor Beginn der Spiele. Bei den Athleten vielleicht. Bei uns liegt während großer Sportveranstaltungen jegliches Liebesleben brach. Er sitzt in jeder freien Minute vor dem Fernseher und findet plötzlich sogar Turmspringen, Turnen und Tontaubenschießen interessant. Die wirklich wichtigen Entscheidungen laufen so spät abends, dass ich schon lange eingeschlafen bin, bis er von seiner Euphorie, Traurigkeit, Erregung (also wegen des Sports) wieder runter kommt. So gesehen war 2012 kein gutes Jahr: Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, Fußball-EM und jetzt auch noch Olympia. Ich muss die kommenden 11 Tage nutzen - denn schon am 24. August geht es mit dem Bundesliga-Auftakt wieder von vorne los.

Aus verständlichen Gründen möchte diese Kollegin gerne anonym bleiben.

© Süddeutsche.de/pak/cag/ska/jbe/lala/sonn/jobr/feko/holz
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