TV-Doku:Anormal normal

Der israelisch-deutsche Fernsehjournalist Uri Schneider begibt sich auf eine Reise durch Deutschland - auf der Suche nach dem alltäglichen Antisemitismus. Dass es den gibt, ist nicht neu; neu ist, dass sich junge Israelis nicht davon abschrecken lassen.

Von Thorsten Schmitz

Jude. Deutscher. Ein Problem? heißt eine SWR-Dokumentation über Juden und jüdische Israelis in Deutschland. Zunächst drängt sich eine weitere Frage auf - an die ARD-Programmdirektion: Die Doku über das brisante Thema läuft erst kurz vor Mitternacht. Jude. Deutscher. Ein Problem um 20.15 Uhr? Anscheinend.

Der israelisch-deutsche Fernsehjournalist Uri Schneider begibt sich auf eine Reise durch Deutschland, wobei er die meiste Zeit in Berlin verharrt, einmal nach Wuppertal reist und dann für einen (eher verwirrenden) Abstecher nach Paris. Den niederschmetterndsten Satz sagt der Historiker Julius H. Schoeps gleich zu Beginn: "Die Anormalität ist die Normalität." Der Antisemitismus sei integraler Bestandteil der deutschen Kultur.

Neu ist das eigentlich ist. Neu ist allerdings, dass sich junge Juden, vor allem aus Israel, vom Antisemitismus nicht abschrecken lassen. Nir Ivenitzki, der zusammen mit seinem Freund in Neukölln ein Café eröffnet hat, sagt: "Hier zu leben in Berlin, das ist für mich eine Befreiung."

Zur Normalität gehört aber auch, dass Leonid Goldberg, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Wuppertal, auf der Straße keine Kippa trägt; dass drei Palästinenser für einen Brandanschlag auf seine Synagoge nur zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden und dass der Berliner Rabbiner Daniel Alter vor zwei Jahren zusammengeschlagen wurde von türkischen und arabischen Jugendlichen.

Alltag in Deutschland, zeigt Uri Schneider, ist auch, dass sämtliche jüdischen Gemeinden, Kindergärten und Schulen in Deutschland bewacht und von Kameras kontrolliert werden. "Es ist nicht ratsam, sich in manchen Berliner Stadtteilen als Jude zu erkennen zu geben, es sei denn, man hat einen Rettungssanitäter als Begleiter", kapituliert Rabbiner Alter.

Warum junge Israelis Berlin so mögen? Sie können kein Deutsch

Von solchen Warnungen lässt sich der junge Rabbinatsstudent Armin Langer nicht abschrecken. Mit dem Berliner Verein Salaam-Schalom versucht er, Hass und Vorurteile zwischen Juden und Muslimen abzubauen. Der Film begleitet Langer, wie er sich von einer Muslima zum Nachmittagsgebet mit in eine Moschee nehmen lässt. Die Szene wirkt allerdings künstlich. Wie für die Kamera arrangiert wirkt auch, wie Filmemacher Schneider den jungen Israeli Doron Eisenmann in einen türkischen Süßigkeitenladen begleitet. Draußen sagt Eisenmann dann, ihm sei noch nie etwas zugestoßen in Neukölln. Kein Wunder: Er trägt keine Kippa und sieht mit seinen dunklen Haaren und Augen aus wie ein Jordanier.

Wie sie sich die Begeisterung junger Israelis für Berlin erklärt? Die Schriftstellerin Mirna Funke sagt: "Viele von den Israelis können kein Deutsch, da ist man dann auch nicht gewissen Stimmungen ausgesetzt." Sie selbst hat Tel Aviv zur zweiten Heimat erkoren und pendelt. Ganz nach Tel Aviv würde sie dann umziehen, "wenn man den Antisemitismus in Deutschland nicht mehr aushält". Sie klingt nicht so, als läge dieser Moment in weiter Ferne.

Jude. Deutscher. Ein Problem?, ARD, Montag, 23.30 Uhr.

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