Trolle im Netz:Haben Sie's gelesen?

Eine norwegische Webseite probiert einen neuen Weg, Pöbler aus den Kommentarspalten fernzuhalten: Wer dort seine Meinung kundtun will, muss vorher ein paar Quizfragen beantworten.

Von Silke Bigalke

Wer keine Ahnung hat, der hat auch keine Meinung, hat Joschka Fischer mal gesagt. Aber wer hält sich schon daran? Nicht selten gilt doch: Wer keine Ahnung hat, vertritt die eigene Meinung besonders aggressiv. Das sieht man immer wieder in den Kommentarspalten der Online-Nachrichtenseiten - jedenfalls dort, wo es sie noch gibt. Viele Redaktionen haben diese Funktion inzwischen abgeschafft, weil sie der hasserfüllten Beiträge und persönlichen Angriffe nicht mehr Herr wurden. Der norwegische Technik-Blog NRKbeta hatte nun eine andere Idee: Wer dort Artikel kommentieren will, muss vorher beweisen, dass er sie auch gelesen hat. Dafür gibt es ein kleines Quiz, drei einfache Fragen pro Text, die die Hitze aus der Debatte nehmen sollen.

"Die Menschen lesen vielleicht nur die Überschrift und die ersten zwei Sätze", sagt Marius Arnesen, Redakteur bei NRKbeta. Das reicht nun nicht mehr, um seine Meinung zum Text abzugeben. "Wir haben uns gedacht: Wäre es nicht schön, wenn die Menschen vorher eine gemeinsame Grundlage hätten?"

Wenn die Leser den Text kennen, bleibt die Debatte eher sachlich

NRKbeta gehört zum großen, staatlichen Sender NRK in Norwegen. Der Blog versteht sich auch als eine Art "Sandkasten", um neue Anwendungen im Internet auszuprobieren. Normalerweise, erklärt Marius Arnesen, ziehen sie damit vor allem technikversierte Menschen an, deren Wissen man eigentlich nicht abfragen müsste. Doch in den vergangenen Monaten, vor allem seit der Wahl in den USA, ging es in den Beiträgen von NRKbeta auch immer wieder um politische Themen, um russische Hacker, staatliche Überwachung, die Rolle der Medien. Mit solchen Themen schafft es der Technik-Blog manchmal auf die Hauptseite von NRK im Internet. Dort zieht er auch Leser an, die sich mehr für die politischen Fragen interessieren als für die technischen. Und unter diesen finden sich eben gelegentlich Menschen, "die ihre Hasstiraden loslassen wollen", sagt Marius Arnesen.

Das Quiz war schnell programmiert. Jeder Journalist bei NRKbeta schreibt die Fragen zu seinem Text selbst und lässt sie von den Kollegen testen. Das dauere vielleicht 15 Minuten pro Text, meint Arnesen. Kein Vergleich also zu dem Aufwand, ein Kommentar-Forum sorgfältig zu moderieren und alle Beiträge zu überprüfen, um die unangemessen herauszufiltern. So machen es die anderen NRK-Redaktionen, die Kommentare im Internet zulassen.

Die Stammleser des Blogs mögen angeblich die Idee der Redaktion

Ist das Quiz als Kontrolle genauso effektiv? Nach drei Wochen ist es zu früh, um das zu sagen. NRKbeta hat Mitte Februar zum Beispiel einen Text veröffentlicht, in dem der Autor einen norwegischen Gesetzentwurf zur digitalen Überwachung erklärt - ein eher kontroverses Thema. Eine seiner Quiz-Fragen unter dem Text lautete: "Welche norwegische Partei hat einstimmig für die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gestimmt?" Die Debatte unter dem Artikel blieb sachlich.

In den Kommentaren haben sich Internetnutzer allerdings auch schon gegenseitig Tipps gegeben, wie sie die drei Quiz-Fragen umgehen können. Für die technikinteressierten Leser von NRKbeta wäre das kein Problem. Sie sind es allerdings auch nicht, die das Quiz rausfiltern soll, sagt Marius Arnesen. "Wir haben es für die Leute gemacht, die hitzköpfig auf unsere Seite kommen", sagt er. "Wir bremsen sie mit dem Quiz vielleicht für 15 Sekunden aus." Und manchmal reichen 15 Sekunden eben, um abzukühlen. Die Stammleser des Blogs jedenfalls mögen die Idee der Redaktion, sagt Arnesen. "Die führen ja bereits eine qualitativ hochwertige Debatte." Und dabei stören die Hitzköpfe ohne Ahnung nur.

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