Tony Swatton:Hollywoods Waffenschmiede

Hollywood Tony Swatton Fluch der Karibik Schwert

Auch die Schwerter für "Fluch der Karibik" hat Tony Swatton gefertigt. Eines ließ Johnny Depp bei den Dreharbeiten versehentlich zu Bruch gehen.

(Foto: Imago Stock&People)

Tony Swatton stellt martialische Waffen für Filme und Fernsehserien her - von "James Bond" bis "Fluch der Karibik". Inzwischen hat er eine eigene Show auf Youtube. Ein Besuch in seiner Werkstatt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer den Laden "Sword and the Stone" im Norden von Los Angeles betritt, könnte glauben, dass es das Geschäft schon seit mehr als tausend Jahren gibt. Barbaren könnten sich hier eine Axt für den nächsten Beutezug besorgt haben, Ritter ihre Kettenhemden und Piraten ihre Schwerter. Direkt neben dem Eingang steht eine Rüstung für Kinder, weiter rechts liegt ein Keuschheitsgürtel, dahinter sind 400 verschiedene Schwerter zu sehen.

Inmitten all der Waffen sitzt Tony Swatton. "Sehen Sie sich nur um, Sie können auch gerne alles anfassen", sagt er mit einer tiefen Stimme, dann zeigt er einem Kunden einen 50-Kilo-Knüppel aus Eisen.

Swatton ist fast zwei Meter groß, er hat Unterarme wie Popeye, mit seinen langen grauen Haaren und dem wuchernden Bart könnte er in der Fantasyserie Game of Thrones mitspielen oder auch im Bikerdrama Sons of Anarchy. Er ist der Protagonist der Realityshow Man at Arms, die auf Youtube mittlerweile mehr als 26 Millionen Menschen gesehen haben. Er präsentiert in dieser Sendung seine Profession: Swatton ist der Waffenschmied von Hollywood.

Zu ihm kommen die Produzenten von Filmen und Fernsehserien, wenn sie martialische Waffen brauchen. Es gibt kaum jemanden, der noch keine seiner Kreationen gesehen hat, es sind weniger Requisiten als vielmehr Utensilien der Popkultur: die Wurfgeschosse in der Batman-Folge The Dark Knight, das Schwert des Vampirjägers Blade, die Waffen aus der Fernsehserie Buffy. Die Schwerter für Fluch der Karibik hat er ebenfalls angefertigt. "Die Arbeit an diesen Filmen hat am meisten Spaß gemacht", sagt er und nimmt ein Schwert von der Wand: "Das hat Johnny Depp im zweiten Teil bei den Dreharbeiten während eines Kampfes kaputt gemacht. Ich habe es repariert und behalten."

Swatton, 50, ist im englischen Hammersmith geboren, mit 26 Jahren eröffnete er einen Laden in Los Angeles: "Zu meinen ersten Kunden gehörten Disney und Michael Jackson." Seine Karriere in Hollywood begann, als Steven Spielberg einen Haken für Käpt'n Hook für seine Fortsetzung der Peter-Pan-Geschichte Hook brauchte. "Wir haben rund um die Uhr gearbeitet, weil wir innerhalb von zwei Wochen auch die Schwerter für die Piraten und die Kinder von Nimmerland anfertigen mussten. Das war verrückt", sagt er.

Doch es hat sich gelohnt: Seit mehr als 20 Jahren sind seine Kreationen zu sehen, mittlerweile war er an mehr als 200 Film- und Fernsehproduktionen beteiligt. "Es gab einen Sommer, in dem ich bei Master and Commander und Fluch der Karibik gearbeitet habe. In dem Jahr habe ich insgesamt 12.000 Schwerter produziert."

Messerschleifen für vier Dollar

Jede seiner Waffen ist handgefertigt, er benutzt keinen Computer. "Ich bin ein altmodischer Schmied", sagt er. Seine Schmiede befindet sich direkt hinter dem Laden, an der Wand ist das Rohmaterial geordnet, manche Stücke sind mehr als 200 Jahre alt. In zwei Öfen erhitzt er das Material auf mehr als 1300 Grad, nach dem Formen und Schleifen beginnt die Feinarbeit. Swatton ist ausgebildeter Edelsteinschleifer und Goldschmied, er verziert jedes Stück selbst. Es gehe ihm beim Design der Waffen stets um eine Mischung aus historischer Korrektheit und Wirkung auf dem Bildschirm: "Ich habe viele Museen in Europa besucht wie etwa das kunsthistorische Museum in Wien oder das Ars Sacra in Salzburg. Manchmal müssen die Waffen jedoch spektakulärer sein, als sie es in Wirklichkeit waren." Er deutet auf eine Rüstung: "So etwas gab es im Mittelalter nicht. Ich stelle mir bei solchen Kreationen vor, wie es hätte aussehen müssen."

Hollywood Los Angeles Tony Swatton

Waffenschmied Tony Swatton: An mehr als 200 Film- und Fernsehproduktionen war er schon beteiligt.

(Foto: Hanni Schmieder)

Bei der Herstellung der Waffen komme es dann weniger darauf an, damit tatsächlich jemandem den Kopf einschlagen oder abtrennen zu können - die Schauspieler müssen damit vielmehr stundenlang choreografierte Bewegungen ausführen können. "Etwa 90 Prozent der Filmwaffen sind aus flexiblem Flugzeug-Aluminium hergestellt, sie haben eine stumpfe Klinge, sind sehr leicht und dehnbar. Diese Waffen lassen die Schauspieler gut aussehen", sagt er und lacht.

In seiner Fernsehserie dagegen arbeitet Swatton mit Schwermetall, er zeigt, wie die Krallen von Wolverine, der Hut von James-Bond-Bösewicht Oddjob in Goldfinger oder das Schwert von Jaime Lannister aus Game of Thrones hergestellt würden, wenn tatsächlich jemand damit kämpfen müsste. Game of Thrones ist eine der wenigen Fernsehserien, an denen er nicht beteiligt ist: "Die Serie wird in Irland gedreht, also stelle ich keine Waffen für diese Produktion her", erklärt Swatton.

Der Erfolg seiner eigenen Serie hat dafür gesorgt, dass Swatton nicht mehr nur für Filme und Fernsehserien arbeitet. Er hat Kostüme für Musikvideos von Miley Cyrus, Katy Perry und Rihanna erstellt, Künstlerinnen wie Dita von Teese Verkleidungen auf die wohlgerundeten Körper geschmiedet, dazu Waffen für Videospiele wie Assassin's Creed entworfen: "Die Produzenten von Computerspielen haben meist eine klare Vorstellung davon, was sie haben möchten. Bei anderen Aufträgen kann ich kreativer sein; ich bekomme eine Zeichnung und darf mich dann austoben."

Dieses Austoben kann ein langwieriger Prozess sein, Schichten von bis zu 18 Stunden sind keine Seltenheit für ihn: "Es muss in Hollywood immer schnell gehen. Ich kann deshalb mittlerweile eine komplette Rüstung innerhalb von 96 Stunden produzieren - die meisten Menschen brauchen dafür mehrere Jahre." Einmal trank er während der Produktion 16 Liter Wasser, erzählt er, und stellte am Abend fest, kein einziges Mal auf der Toilette gewesen zu sein: "Ich habe einfach alles herausgeschwitzt."

An diesem Nachmittag schmiedet er keine Fernsehwaffen, die Dreharbeiten für die nächste Staffel von Men at Arms beginnen erst in zwei Wochen: "Ich habe mir für die neue Spielzeit einige krasse Waffen vorgenommen. Ich will aber noch nicht verraten, welche das sind", sagt er. Heute hat er einfach nur seinen Laden geöffnet. Der Dekorateur der Fernsehserie Brooklyn Nine-Nine mit Andy Samberg ist da und stöbert ein wenig herum. Der selbsternannte Youtube-Popstar Jhameel diskutiert über die Sonderanfertigung eines ledernen Schulterschutzes. Es kommen aber auch Nachbarn vorbei, die einfach nur ihre Messer geschliffen haben wollen. Das kostet bei Swatton vier Dollar.

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