Tiere und Menschen:Das Leben ist ein Ponyhof

Gestüt Hochstetten (4)

Alex (Julia Franz Richter, hier mit Laurence Rupp als Leander) ist die uneheliche Tochter des Gutsbesitzers – und erbt plötzlich alles.

(Foto: ARD Degeto/ServusTV/SAM-Film/Martin Hörmandinger)

Die ARD zeigt eine österreichische Serie, in der es um reiche Menschen und um Pferde geht. Ist das Kitsch? Ja. Aber das ist auch erstaunlich spannend.

Von Laura Hertreiter

Der erste Blick sagt: sofort ausschalten. Da galoppieren weichgezeichnete Pferde zu Girlypop im Gegenlicht, während Schauspielernamen durchs Bild schweben. Aber der erste Blick täuscht ständig in der österreichischen Fernsehserie, die das Erste nun an vier aufeinanderfolgenden Samstagen zeigt. Gestüt Hochstetten erzählt die Geschichte der gleichnamigen Familie, die auf dem gleichnamigen Gutshof in der gleichnamigen Straße eine edle Pferdezucht betreibt. Der Rasen ist getrimmt, die Zäune leuchten weiß, man trägt Perlen und Einstecktuch, Blutlinien sind wichtig, bei Pferden wie bei Menschen, über der Fassade des Anwesens wuchert der Efeu, und darunter wuchern die Geheimnisse.

Vater Hochstetten war ein Familienoberhaupt im klassischen Sinne, nun ist er tot. In seinem Testament vermacht er das Gestüt nicht seiner föhngewellten Frau, nicht dem Stammhalter, nicht dem Partysohn, nicht der Künstlertochter. Sondern Alexandra Winkler, seiner unehelichen Tochter. Die ahnt nichts von ihrer glamourösen Familie, sie lebt in einer Mietwohnung in einem Wiener Arbeiterbezirk, in einer Welt, in der man davon träumt, eines Tages einen Backshop mit Kaffeeautomat zu betreiben, in der man sich liebevoll "Oida" nennt und Wein aus Flaschen trinkt. Diese Alexandra, gespielt von der österreichischen Theaterschauspielerin Julia Franz Richter, landet in Hochstetten wie ein Reh im Scheinwerferlicht, die makellose Fassade bröckelt und zum Vorschein kommt eine Familie, die von längst verdrängten Lügen eingeholt wird.

Verlorenes Kind, überraschende Erbschaft, Geheimnisse - das kann der Stoff sein, aus dem gute Serien sind, wie Bloodline aus den USA oder Die Erbschaft aus Dänemark gezeigt haben. Und auch Gestüt Hochstetten ist nicht das Ponyhofmärchen, das im Intro angedroht wird. Ursprünglich ist die Serie die erste fiktionale Eigenproduktion des Senders Servus TV, der die Geschichte in Österreich mit Quoten über dem Senderschnitt unter dem Namen Trakehnerblut in acht Folgen zeigte. Neu aufgeteilt läuft sie nun in der ARD und bleibt über vier Abende spannend.

Das liegt vor allem daran, dass sich die Leute auf Hochstetten als spannender erweisen, als sie zunächst wirken. Der ehrgeizige Einstecktuchträger wird neben seinem zu Tode gedopten Springpferd zusammenbrechen, der versoffene Partybruder über sich hinauswachsen, die Mutter derangiert Eiswürfel mit bloßen Händen in ihr Whiskyglas schaufeln. Auch die Beziehungen der Hochstettener untereinander sind so vielschichtig, wie es das Leben, aber selten das deutsche Fernsehen erlaubt. Liebe am Koppelzaun, von wegen.

Die Serie ist mit geheimem, aber sichtbar üppigem Etat produziert, die Dialoge sitzen. Gespräch im chaotischen Zimmer: "Ich mach grad Wäsche." - "Für ganz Wien?" Und irgendwann später sagt die Hochstettener Haushälterin in weichem Dialekt, dass Dreck nicht weggeht. Da könne man putzen, so viel man wolle, er komme immer wieder.

Natürlich gibt es Pferdemomente. Und ja, sie reißen die Geschichte zwischendurch gnadenlos ins Kitschige. Das liegt daran, dass Pferde in Film und Fernsehen oft dazu missbraucht werden, das Innenleben der Menschen überdeutlich vorzuzeigen. Hier auch. Alexandras erste Begegnung mit dem Trakehner Dezember zum Beispiel: Sie uneheliches Kind, er streunendes Halbblut, Momente im Sonnenuntergang und die große Sehnsucht, dazuzugehören. Diese Deutlichkeit bräuchte die Geschichte gar nicht. Denn sie stellt auch so die richtigen Fragen. Nach dem eigenen Platz in der Welt, nach Werten, nach dem, was bleibt.

Gestüt Hochstetten, ARD, vier Folgen, samstags, 20.15 Uhr

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