Die einen lieben und verehren den Thermomix so inbrünstig wie ihn die anderen verlachen und hassen. Für neutrale Betrachter machen ihn schon allein die Reaktionen, die er bei seiner bloßen Erwähnung auslöst, zum Mysterium: Wie kann man wegen einer Kochmaschine in Ekstase geraten oder in Rage?
Als ob es noch eines Wunderbeweises für ihre Heiligsprechung bedurft hätte, ist nun ein Magazin erschienen, das sich ausschließlich dem Thermomix verschreibt. Was soll man sagen - es geht weg wie warme Semmeln: Die 93 000 Exemplare der ersten Ausgabe von Mein Thermo waren im Nu vergriffen, diese Woche druckte der Verlag Falkemedia 30 000 Stück nach. Von null auf 123 000 - ein Heizmixerhuldigungsheft avanciert am Kiosk zum Kracher der Saison.
Jan Bockholt wäre, ginge es nur nach diesen Zahlen, Magazin-Chef des Jahres. Er kam vor einem Jahr von Hörzu nach Kiel zu Falkemedia. Die Idee mit dem Thermomix-Heft war nicht neu, der Heel-Verlag in Königswinter hat in diesem Jahr bereits die Zeitschrift Mixx mit dem Untertitel "Küchenspaß mit dem Thermomix" herausgebracht.
Den Auftritt von Mein Thermo haben sie geschickt vorbereitet: In den sozialen Medien, wo das Küchengerät Tausende und Abertausende Thermomix-Frauen in den Bann zieht, präsentierte die Redaktion ihr Projekt - flugs brodelte die Euphorie wie in einem Schnellkochtopf. Schon vor dem Erstverkaufstag, sagt Bockholt, waren 6000 Abonnements bestellt. Das Jahresabo für sechs Hefte kostet knapp 28 Euro, das Einzelheft am Kiosk 4,99 Euro - billig will es nicht sein. Den Thermomix selbst, der derzeit bei 1199 Euro liegt, muss man sich ja auch erst mal leisten können.
Das neue Heft wartet auf 116 Seiten mit nahezu ausschließlich kulinarischen Beiträgen auf. Ein Kreuzworträtsel und hauswirtschaftspädagogische Miniaturen wie "Wir finden, dass Geschirrtücher schick sein dürfen. So geht der Abwasch viel leichter von der Hand" sind die Ausnahme.
Ausschließlich Exklusivgeschichten
Mein Thermo ist ein überaus appetitlich fotografiertes Kompendium von Rezepten, die Bockholt mit Titeln wie "Köstlich herzhafte Kuchen", "Löffelweise Glück. Cremige Broccolisuppe" und "Die 5 leckersten Kürbissuppen" versehen hat. Der Dreiseiter "Bier brauen im Thermomix" und der Achtseiter "Himmlische Smoothies" widmen sich sogar flüssiger Nahrung. Als Smoothie wird unter anderem ein Drink mit dem Namen "Wiesenmilch" und den Zutaten Löwenzahn (4-5 Blätter), Banane, Orange, Sprossen, Hanfsamen, wahlweise Hanföl, sowie Hafermilch empfohlen. Aus dem Glas schaut eine Pusteblume.
Es handelt sich, darauf legt der 44 Jahre alte Chefredakteur Wert, ausschließlich um Exklusivgeschichten. Das heißt um absolut einzigartige und noch nie da gewesene Rezepte, die von Profifotografen eigens für dieses Heft ins Bild gesetzt worden seien. Beim Produzieren anderer Hefte wie LandGenuss sei ein Fundus an etwa 10 000 "absolut leckeren" Rezepten entstanden, die man nun für den Thermomix aufbereite. Die Redaktion beschäftige zwei fest angestellte Ökotrophologinnen.
Aber gibt die Wuppertaler Firma Vorwerk, die den Thermomix herstellt und verkauft, nicht zigtausende Rezepte aus der ganzen Welt an ihre Kunden-Community? "Wir haben definitiv unsere eigenen", sagt Bockholt. Eine Zusammenarbeit habe Vorwerk abgelehnt. "Die wollen die Kontrolle haben, wir unsere Unabhängigkeit."
Vorwerk lässt durch eine Sprecherin verlauten, dass man sich der Begeisterung für den Thermomix erfreue, die sich im Erfolg des neuen Heftes bestätige. Gleichzeitig kündigt die Sprecherin an, ihr Unternehmen bereite mit dem Magazin Essen & Trinken aus dem Hause Gruner + Jahr ein eigenes Thermomix-Periodikum vor.
Vor Konkurrenz wiederum scheint dem Chefredakteur Jan Bockholt nicht bange zu sein. "Es gibt unendlich viele Rezepte", sagt er, "außerdem lassen sich alte Rezepte immer wieder neu interpretieren." Essen mache kreativ - und Kochen offenbar noch kreativer.
