"The End of the F***ing World" auf Netflix:Abgründige Teenie-Seelen

"The End of the F***ing World" auf Netflix: James (Alex Lawther) hat ein Messer - und er möchte es benutzen. Doch dann entwickeln sich die Dinge auf seinem Roadtrip mit Alyssa (Jessica Barden), dem erklärten Ziel seiner Tötungsfantasien, komplett anders.

James (Alex Lawther) hat ein Messer - und er möchte es benutzen. Doch dann entwickeln sich die Dinge auf seinem Roadtrip mit Alyssa (Jessica Barden), dem erklärten Ziel seiner Tötungsfantasien, komplett anders.

(Foto: Robert Chilton/Netflix)

Alyssa fühlt sich bei James wohl, James möchte Alyssa töten. "The End of the F***ing World" ist eine tragikomische britische Serie über zwei recht spezielle Teenager.

Von Karoline Meta Beisel

Alyssa ist 17, neu in der Schule und hat keine Freunde. Bis sie den gleichaltrigen James kennenlernt. "Ich fühle mich wohl bei ihm", denkt sie in der Mitte der ersten Folge, "irgendwie sicher". Eine Fehleinschätzung, wie der Zuschauer da schon längst erfahren hat. Denn James hat andere Pläne mit Alyssa: "Ich dachte, es wäre interessant, sie zu töten", denkt James.

Alyssa und James sind die Hauptfiguren in The End of the F***ing World. Den reißerischen Titel hat die Serie nicht nötig, denn sie ist auch so bemerkenswert. Zum einen, weil beide Protagonisten von außen betrachtet nicht sonderlich sympathisch sind. James (Alex Lawther, Black Mirror), der nach dem Suizid der Mutter mit seinem Vater alleine lebt, ist ein selbsterklärter Psychopath, der als Kind mit Absicht seine Hand in die Fritteuse gehalten hat und nach dem Töten der Nachbarskatze - "wahrscheinlich hatte sie einen Namen" - und weiterer Tiere nun gerne einen Menschen umbringen würde.

Vielleicht doch nicht so abgebrüht

Alyssa (Jessica Barden) dagegen ist eine schlecht gelaunte Göre, die in allen Lebenslagen mit Absicht möglichst irritierende, oft auch gemeine Dinge sagt, weil das nun mal zu der Persona passt, die sie für sich ausgesucht hat. Alyssa hofft, James könne ihr dröges Leben vielleicht irgendwie interessant machen; James glaubt, Alyssa sei ein leichtes Objekt für seine Tötungsfantasien. Ideale Voraussetzungen für eine Coming-of-Age-Liebesgeschichte also.

Denn natürlich sind sowohl James wie auch Alyssa nicht so abgebrüht, wie sie sich geben, und oft meinen sie etwas anderes als sie sagen. Den Blick in die Teenie-Seele ermöglicht die Serie, die auf einer Graphic Novel von Charles Forsman beruht, mit einem simplen Mittel: Der Zuschauer hört, was James und Alyssa denken. Als Alyssa vorschlägt, gemeinsam abzuhauen, weil sie den neuen Mann ihrer Mutter nicht mehr erträgt, sagt sie, ganz harter Hund: "Ich hau ab, ob mit oder ohne dich. Bist du dabei?", aber sie denkt: "Bitte sag ja." James sagt "Ja, okay", weil er denkt, er kann Alyssa auch später noch töten.

Die strenge Symmetrie der Bilder erinnert an Wes Anderson. Auch der Soundtrack klingt nach Kino

Auf dem folgenden Roadtrip gerät James' Plan allerdings schnell in den Hintergrund - nicht nur, weil er das Mädchen bald doch ganz gern hat. Denn leichter wird die Geschichte der beiden Ausreißer nicht, mit gutem Grund empfiehlt Netflix die Serie erst für Zuschauer ab 16 Jahren. Das Personal, das sie unterwegs treffen, reicht von allgemeinen Lebensversagern bis zu Pädophilen und Massenmördern. Plötzlich erscheinen James und Alyssa wie beinahe normale Teenies - die allerdings in der dritten Folge in eine wirklich schwierige Situation geraten.

Folge drei - bei The End of the F***ing World heißt das nach etwa 45 Minuten. Die Folgen sind kaum länger als 20 Minuten; wer alle acht in einem Rutsch guckt, ist weniger als drei Stunden beschäftigt. Die Unterbrechungen dürften der Fernsehprogrammierung im Herkunftsland England geschuldet sein - denn auch sonst mutet die Serie eher wie ein Film an (in einer Szene sagt Alyssa allerdings: "Wenn das hier ein Film wäre, wären wir wahrscheinlich Amerikaner").

Die Bildaufteilung (Kamera: Ben Fordesman) ist sehr grafisch, oft sieht man Alyssa und James nebeneinander frontal nach vorne gucken, andere Einstellungen erinnern mit ihrer strengen Symmetrie an die Filme von Wes Anderson. Auch der herausragende Soundtrack zur Serie - eine Mischung aus Hank Williams, Fleetwood Mac und Mazzy Star - trägt dazu bei, dass man sich beim Zuschauen eher wie im Kino fühlt.

Seit dem Ende der Serie wird im Netz heftig über Sinn und Unsinn einer zweiten Staffel diskutiert. Mit einem Tenor, der überraschen mag, angesichts der Begeisterung, die The End of the F***ing World bei vielen Zuschauern ausgelöst hat: Bitte keine zweite Staffel, das Ende ist doch gut, wie es ist! Vielleicht meinen sie aber auch in Wahrheit: Bitte nicht, das war doch schon genug Trauma, und trauen sich nur nicht, es zu sagen.

The End of the F***ing World, auf Netflix.

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